FeedbackAbschluss-Umfrage

StromsteuerUnternehmen in Schwierigkeiten: Stromsteuerentlastungen (weiterhin) sichern

Abo-Inhalt05.05.20257 Min. Lesedauer von Richard Spieker, Dortmund

| Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage sind Strom- und Energiesteuerentlastungen für viele Unternehmen überlebenswichtig. Leider können diese und andere Entlastungen oft nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn sich das antragstellende Unternehmen in Schwierigkeiten befindet. Der Beitrag zeigt die Rechtslage und Lösungswege. |

1. Stromsteuerentlastung: Ein kurzer Überblick

Die Stromsteuerentlastung für produzierende Unternehmen wurde ab dem 1.1.24 erhöht und erleichtert. So ist der Spitzenausgleich (§ 10 StromStG) zum 31.12.23 ausgelaufen. Parallel wurde der Entlastungssatz nach § 9b StromStG (Stromsteuerentlastung für produzierende Unternehmen) von 5,13 EUR (§ 9b Abs. 2 StromStG) auf 20 EUR (§ 9b Abs. 2a StromStG) erhöht.

Beachten Sie | Die Höhe des Entlastungsvolumens lag bis dato i. d. R. zwischen 80 bis 90 % der gezahlten Stromsteuer. Die ab dem 1.1.24 gültige Entlastung beläuft sich auf rund 98 % der gezahlten Stromsteuer.

Durch § 9b StromStG in der aktuellen Fassung wird exakt die europäische Mindeststeuer erreicht. So beträgt die deutsche Stromsteuer 20,50 EUR/MWh, die maximale Entlastung 20 EUR/MWh und es verbleibt eine Stromsteuer von 0,50 EUR/MWh (Mindeststeuer gemäß EU-Energiebesteuerungsrichtlinie).

Merke | Die Entlastung von 20 EUR je MWh (§ 9b Abs. 2a StromStG) ist aktuell auf die Kalenderjahre 2024 und 2025 begrenzt. Ob eine Verlängerung erfolgt oder die Stromsteuer sogar auf das europäische Mindestmaß gesenkt wird (so im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD anvisiert), ist derzeit noch nicht sicher.

Die Stromsteuerentlastung wird nur gewährt, soweit der Entlastungsbetrag 250 EUR im Kalenderjahr übersteigt (§ 9b Abs. 2 S. 2 StromStG). Ab dem Kalenderjahr 2024 muss der Stromverbrauch nur noch 12,5 MWh pro Jahr betragen (250 EUR ÷ 20,00 EUR/MWh = 12,5 MWh). Dies entspricht ungefähr dem Stromverbrauch von drei 4-Personen-Haushalten.

Für eine erfolgreiche Entlastung müssen insbesondere diese Voraussetzungen erfüllt sein: Nachweislich versteuerter Strom, eigenbetriebliche Verwendung des Stroms, Antragsteller ist ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes sowie eine formale und fristgerechte Antragstellung beim Hauptzollamt.

Beachten Sie | Die Entlastung wird auf Antrag beim zuständigen Hauptzollamt gewährt. Der Antrag ist bis zum 31.12. des Folgejahrs zu stellen (§ 17b Abs. 1 StromStV). Somit ist der Antrag für das Kalenderjahr 2024 bis zum 31.12.25 einzureichen. Beträgt die jährliche Entlastung mehr als 1.000 EUR bzw. beträgt der jährliche Stromverbrauch mehr als 50 MWh (1.000 EUR ÷ 20 EUR/MWh = 50 MWh), sind auch unterjährige Entlastungsanträge möglich (§ 17b Abs. 2 StromStV). Bei der Entscheidung, ob unterjährige Anträge gestellt werden sollen, müssen die Liquiditätsvorteile und der administrative Mehraufwand gegeneinander abgewogen werden.

2. Unternehmen in Schwierigkeiten (UiS)

2.1 Allgemeines

Die Steuerentlastung für Unternehmen nach § 9b StromStG gilt als staatliche Beihilfe im Sinne des Unionsrechts. Und in diesem Zusammenhang ist u. a. die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) zu beachten, wonach Unternehmen in Schwierigkeiten (UiS) keine als staatliche Beihilfe geltende

Steuerbefreiung oder -ermäßigung in Anspruch nehmen dürfen. Ebenso darf diesen Unternehmen keine als staatliche Beihilfe geltende Steuerentlastung ausgezahlt werden. Hintergrund ist, dass Unternehmen mittels staatlicher Beihilfen nicht „künstlich“ am Leben gehalten werden sollen. Es soll eine Verzerrung des Wettbewerbs und „eine Verschwendung“ von staatlichen Mitteln verhindert werden.

Merke | Die europäischen Regelungen bzw. Vorgaben zu UiS sind aber nicht nur bei laufenden Stromsteuerentlastungen zu beachten, sondern können auch dazu führen, dass diverse Energie-Umlagereduzierungen (u. a. Reduzierung der Offshore-Netzumlage und der KWKG-Umlage) nicht mehr gewährt bzw. zurückgezahlt werden müssen.
Letztendlich sollte sich daher jedes Unternehmen dieser teilweise existenzgefährdenden Risiken bewusst sein und die im Folgenden dargestellten Kriterien regelmäßig überprüfen.

2.2 Kriterien

Nach § 2a Abs. 2 StromStG ist die Inanspruchnahme oder Beantragung einer Steuerbefreiung, -ermäßigung oder -entlastung, die nach Abs. 3 als staatliche Beihilfe anzusehen ist, nicht zulässig für UiS. Dabei gilt ein Unternehmen als UiS, wenn mindestens eines der folgenden fünf Kriterien erfüllt ist (in Anlehnung an das Zoll-Merkblatt „Staatliche Beihilfen im Energie- und Stromsteuerrecht“, Stand: 20.2.25, unter www.iww.de/s12639):

Merke | Als KMU gilt ein Unternehmen, wenn es weniger als 250 Mitarbeiter hat und der Jahresumsatz höchstens 50 Mio. EUR oder die Bilanzsumme höchstens 43 Mio. EUR beträgt. Ferner muss das Unternehmen unabhängig sein, d. h., es darf nicht zu einem Konzernverbund gehören.
  • Das Unternehmen ist Gegenstand eines Insolvenzverfahrens oder erfüllt die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag seiner Gläubiger.
  • Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (z. B. AG, GmbH; ausgenommen sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die noch keine drei Jahre bestehen):
    • Mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals ist wegen aufgelaufener Verluste verloren.
  • Bei Gesellschaften, bei denen zumindest einige Gesellschafter unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haften (z. B. KG und OHG; ausgenommen sind KMU, die noch keine drei Jahre bestehen):
    • Mehr als die Hälfte der in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel ist infolge aufgelaufener Verluste verloren.
  • Bei einem Unternehmen (ausgenommen sind KMU) lag in den vergangenen beiden Jahren
    • der buchwertbasierte Verschuldungsgrad über 7,5 und
    • das anhand des EBITDA berechnete Zinsdeckungsverhältnis unter 1,0.
  • Das Unternehmen hat eine Rettungsbeihilfe erhalten und der Kredit wurde noch nicht zurückgezahlt oder die Garantie ist noch nicht erloschen.

3. Musterfall

Die Müller GmbH & Co. KG stellt seit Jahren Stromsteuerentlastungsanträge nach § 9b StromStG. Die Gesellschaft hat noch nie Rettungsbeihilfen erhalten und muss auch kein Insolvenzverfahren befürchten. Dennoch ist die wirtschaftliche Situation angespannt. Daher soll auf Basis des nach HGB erstellten Jahresabschlusses für 2024 untersucht werden, ob es sich um ein UiS handelt.

Beachten Sie | Da die Gesellschaft die für eine Klassifizierung als KMU erforderlichen Größenklassen überschritten hat, müssen nachfolgend die Kriterien drei und vier (vgl. oben) untersucht werden.

Jahresabschluss und GuV 2024 nach HGB (stark vereinfacht)
AktivaBilanz zum 31.12.24 (in Mio. EUR)Passiva

31.12.24

31.12.23

31.12.24

31.12.23

Anlagevermögen

100

100

Eigenkapital

1

1

Umlaufvermögen

50

60

Fremdkapital

149

159

Summe Aktiva

150

160

Summe Passiva

150

160

GuV 2024 (in Mio. EUR)

2024

2023

Umsatzerlöse

80

100

sonstige betriebliche Erträge

5

5

Materialaufwand

−45

−40

Personalaufwand

−35

−30

Abschreibungen

−20

−30

sonstige betriebliche Aufwendungen

−10

−10

Zinsaufwand

−10

−10

Steuern vom Einkommen und Ertrag
00
Jahresüberschuss

−35

−15

Gutschrift/ Belastung des Gesellschafterkontos

35

15

3.1 Eigenmittel

Da die Müller GmbH & Co. KG eine Personengesellschaft ist, muss zunächst geprüft werden, ob mehr als 50 % der Eigenmittel bzw. des Eigenkapitals durch Verluste aufgezehrt wurden. Erfreulicherweise sieht der Gesellschaftsvertrag die übliche unmittelbare Gewinn-/Verlustverteilung zum Jahresabschlussstichtag vor. Darüber hinaus sind die Gesellschafterkonten handelsrechtlich als Verbindlichkeitskonten zu klassifizieren, weil keine Nachrangigkeit der Gesellschafterkonten im Insolvenzfall vereinbart wurde.

Die letzte Buchung des Geschäftsjahres
Gesellschafterkonto (Verbindlichkeit gegen Kommanditisten)

35 Mio. EUR

an Jahresfehlbetrag (Eigenkapital)

35 Mio. EUR

Da das bilanzielle Eigenkapital durch den Jahresfehlbetrag gar nicht belastet wird, können auch nicht 50 % der Eigenmittel durch Verluste aufgezehrt werden. Letztendlich läuft dieses Kriterium bei der Müller GmbH & Co. KG ins Leere.

3.2 Verschuldungsgrad und Zinsdeckungsverhältnis

Im nächsten Schritt muss die Gesellschaft den Verschuldungsgrad und das Zinsdeckungsverhältnis überprüfen:

Verschuldungsgrad
31.12.2431.12.23
Fremdkapital

149

159

Eigenkapital

1

1

Buchwertbasierter Verschuldungsgrad
(Fremdkapital : Eigenkapital)

149

159

Der Verschuldungsgrad liegt in beiden Jahren deutlich über 7,5. Die Müller GmbH & Co. KG ist jedoch nur dann ein UiS, wenn gleichzeitig auch das anhand des EBITDA berechnete Zinsdeckungsverhältnis unter 1,0 liegt.

Zinsdeckungsverhältnis
20242023
Jahresüberschuss

−35

−15

+ Zinsaufwand

+10

+10

+ Abschreibungen

+20

+30

EBITDA

−5

+25

Zinsaufwand

10

10

Zinsdeckungsverhältnis

−0,5

2,5

Beachten Sie | Im Geschäftsjahr 2023 war das Zinsdeckungsverhältnis noch größer als 1. Im Jahresabschluss für 2024 wurde der Grenzwert jedoch unterschritten. Die Müller GmbH & Co. KG ist aber (noch) kein UiS, da der Grenzwert (noch) nicht in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren unterschritten wurde. Falls sich die wirtschaftliche Lage im Geschäftsjahr 2025 allerdings nicht erheblich verbessert, muss sie nach Gestaltungsmöglichkeiten suchen, um zu verhindern, dass sie 2025 ein UiS wird und alle (Energie-)Beihilfen verliert.

3.3 Handlungsoptionen

Die Müller GmbH & Co. KG hat prinzipiell zwei Ansatzpunkte, um zu verhindern, dass sie als UiS klassifiziert wird:

  • Den Verschuldungsgrad kann man generell verbessern, indem das Eigenkapital erhöht und/oder das Fremdkapital reduziert wird. Das Eigenkapital kann zum Beispiel durch Einlagen der Gesellschafter erhöht werden. Bei einem Fremdkapital von 149 Mio. EUR müssten die Gesellschafter jedoch ca. 18,9 Mio. EUR einlegen (dann Eigenkapital: 19,9 Mio. EUR), um den maximal erlaubten Verschuldungsgrad zu unterschreiten (149 Mio. EUR ÷ 7,5 = 19,9 Mio. EUR).
  • Das Zinsdeckungsverhältnis lässt sich verbessern, indem das EBITDA erhöht und/oder der Zinsaufwand reduziert wird. Das EBITDA lässt sich jedoch nur sehr schwierig (punktgenau) optimieren. Erste Ansatzpunkte für eine Verbesserung könnten die geschäftlichen Beziehungen zu den Gesellschaftern und oder die Geschäftsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen sein. So sollte geprüft werden, ob Mieten, Zinsen oder sonstige Weiterverrechnungen reduziert werden können.

4. Rechtsfolgen für UiS ab 1.1.25

Wie bereits ausgeführt, darf einem UiS grundsätzlich keine Steuerbegünstigung gewährt werden. Mit dem Inkrafttreten der Vierten Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (BGBl I 24, Nr. 445) ist für die Gewährung von Steuerentlastungen (also z. B. § 9b StromStG) ab 1.1.25 Folgendes zu beachten: Entscheidend ist die wirtschaftliche Lage zum Zeitpunkt der Antragstellung.

Ist das Unternehmen folglich zum Zeitpunkt der Antragstellung in Schwierigkeiten, kann keine Steuerentlastung gewährt werden. Auf den Verwendungszeitpunkt wird nicht mehr abgestellt (vgl. hierzu auch das Zoll-Merkblatt „Staatliche Beihilfen im Energie- und Stromsteuerrecht“, Stand: 20.2.25, unter www.iww.de/s12639).

AUSGABE: MBP 5/2025, S. 86 · ID: 50339015

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte