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EinkommensteuerAnschaffungsnahe Herstellungskosten nach Erbschaft und Ablösung eines Erbbaurechts?
| Die Frage, ob nach Anschaffung eines Gebäudes anfallende Instandsetzungsaufwendungen sofort als Werbungskosten abziehbar sind oder als anschaffungsnahe Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) lediglich die AfA-Bemessungsgrundlage erhöhen, führt in der Besteuerungspraxis immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Der nachfolgende Fall macht dies einmal mehr deutlich. |
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalt
A erbt im Mai 2022 ein Mietwohngrundstück (Verkehrswert: 1.000.000 EUR, GruBo-Anteil: 20 %), das der Rechtsvorgänger 1995 errichtet hat und das mit einem Erbbaurecht belastet ist. Im November 2022 löst A das Erbbaurecht ab (Ablösezahlung: 200.000 EUR). In 2023 investiert er 59.500 EUR (50.000 EUR netto) in die Instandsetzung des Gebäudes. Die Instandsetzungskosten macht er in seiner Steuererklärung für 2023 als sofort abziehbare Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend.
2. Die Auffassung des FA
Das FA lehnt den Werbungskostenabzug mit der Begründung ab, dass die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG greift. Denn A seien mit der Ablösezahlung Anschaffungskosten i. H. von 160.000 EUR (auf das Gebäude entfallend) entstanden, sodass die Netto-Instandsetzungskosten von 50.000 EUR den Grenzbetrag (15 % von 160.000 EUR = 24.000 EUR) übersteigen würden.
3. Andere Sichtweise
Im ersten Schritt hat A das Grundstück im Mai 2022 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unentgeltlich erworben. Die im November 2022 getätigte Ablösezahlung führt zu nachträglichen Anschaffungskosten. Denn diese entstehen dann, wenn der Eigentümer des Grundstücks ein daran bestehendes dingliches Nutzungsrecht eines Dritten (z. B. ein Erbbaurecht, einen Vermächtnisnießbrauch oder ein Wohnungsrecht) ablöst, um die insoweit bestehende Beschränkung seiner Eigentümerbefugnis i. S. des § 903 BGB zu beseitigen (BFH 26.1.11, IX R 24/10 sowie BFH 7.6.18, IV R 37/15).
Beachten Sie | Daraus folgt, dass die geleistete Ablösezahlung zu nachträglichen Anschaffungskosten i. H. von 200.000 EUR geführt hat.
3.1 Kein vollentgeltlicher Erwerb
Das FA vertritt bei seiner Lösung die Auffassung, dass A das Objekt durch die Ablösezahlung im November 2022 in vollem Umfang entgeltlich angeschafft hat. Dabei verkennt es jedoch den Umstand, dass das Objekt im Verkehrswert von 1.000.000 EUR bereits im Mai 2022 infolge des Erbfalls in vollem Umfang unentgeltlich angeschafft wurde. Vertritt man (wie offensichtlich das FA) die Auffassung, dass A für das Objekt im Wert von 1.000.000 EUR die Ablösezahlung in Höhe von 200.000 EUR aufgewendet hat, käme man allenfalls zu einem teilentgeltlichen Erwerb in Höhe von 20 % (Ablösezahlung: 200.000 EUR zu Verkehrswert: 1.000.000 EUR).
Merke | In diesem Fall sieht R 6.4 Abs. 1 S. 2 EStR jedoch vor, dass anschaffungsnahe Herstellungskosten nur im Verhältnis zum entgeltlichen Teil des Erwerbsvorgangs vorliegen können. Der Grenzbetrag von 24.000 EUR (15 % von 160.000 EUR) wäre somit zu vergleichen mit 20 % des Nettobetrags der Instandsetzungsaufwendungen (50.000 EUR × 20 % = 10.000 EUR), sodass § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG keine Anwendung findet. |
3.2 Keine anschaffungsnahen Herstellungskosten dem Grunde nach
Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch grundsätzlich die Frage, ob § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG überhaupt Anwendung findet.
Denn Hintergrund für die Einführung der Vorschrift (als Fortführung einer seinerzeit bestehenden, dann aber vom BFH aufgegebenen Rechtsprechung) war und ist die Überlegung, dass die in zeitlichem Zusammenhang mit der Anschaffung anfallenden Instandhaltungskosten zur Erhöhung der Anschaffungskosten und damit zu nur abschreibbaren Aufwendungen geführt hätten, wenn der Veräußerer die Maßnahmen noch vor dem Verkauf durchgeführt hätte. Wie ist also der in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG verwendete Begriff „Anschaffung“ zu verstehen?
M. E. ist damit der Erwerb des Eigentums an dem Objekt gemeint, d. h., die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums von einem Dritten auf den Steuerpflichtigen (so auch Kulosa in Schmidt, § 6 EStG, Rz. 384). Der Eigentumsübergang erfolgte im vorstehenden Fall jedoch bereits im Mai 2022 infolge des Erbfalls – und zwar unentgeltlich. Entsprechend hat die Zahlung zur Ablösung des Erbbaurechts im November 2022 den im Mai erfolgten unentgeltlichen Eigentumsübergang nicht beeinflusst. Hierdurch sind lediglich nachträgliche Anschaffungskosten entstanden, die – soweit sie auf das Gebäude entfallen – die AfA-Bemessungsgrundlage erhöhen.
Beachten Sie | Dies hat zur Folge, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG schon dem Grunde nach keine Anwendung findet und die in 2023 angefallenen Instandsetzungsaufwendungen i. H. von 59.500 EUR in vollem Umfang als Werbungskosten absetzbar sind.
AUSGABE: MBP 5/2025, S. 80 · ID: 50358953