Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe 04.09.2025 abgeschlossen.
In eigener Sache
Neue Sonderausgabe „Lohnsteuerpauschalierung von A bis Z“
Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Okt. 2025 abgeschlossen.
ZeitspendenZeitspenden im Betrieb: Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, Praxislösungen und Stolperfallen
| Ob Kinderbetreuung, die Pflege schwer kranker Angehöriger oder andere familiäre Ausnahmesituationen – immer wieder geraten Arbeitnehmer unerwartet an die Grenzen ihres eigenen Urlaubsanspruchs und Überstundenkontos. Wie können Arbeitgeber hier unterstützen, wenn gesetzliche und vertragliche Ansprüche auf (bezahlte) Freistellung ausgeschöpft sind und dennoch dringend Zeit benötigt wird? Hier rückt die Idee von Zeitspenden in den Fokus. LGP klärt die arbeitsrechtlichen Fallstricke und bietet Praxistipps für eine rechtssichere Implementierung der Zeitspende. |

Das bedeutet „Zeitspende“
Unter einer Zeitspende versteht man die freiwillige Übertragung von Urlaubstagen und/oder Überstunden von einem Arbeitnehmer (Spender) auf einen anderen Arbeitnehmer (Empfänger) zum Zweck einer bezahlten Freistellung aus besonderem Anlass, meist in persönlichen Notlagen. Die rechtliche Umsetzung erfordert eine sorgfältige rechtliche Gestaltung, kann sich aber im betrieblichen Alltag als besonders entlastend für die von Notlagen betroffenen Arbeitnehmer herausstellen.
Beispiel |
Kollegen helfen mit Überstunden aus Ein Arbeitnehmer muss für sein schwer erkranktes Kind da sein. Zu der emotionalen und physischen Belastung kommen finanzielle Sorgen hinzu. Das persönliche Zeitguthaben und der Jahresurlaub sind erschöpft. Die zeitlichen Grenzen des § 616 BGB, wonach eine Fortzahlung der Vergütung für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ erfolgt, sind längst überschritten – sofern § 616 BGB nicht ohnehin arbeitsvertraglich abbedungen ist. Die gesetzlichen Regelungen, wie des Pflegezeitgesetzes oder des Familienpflegezeitgesetzes, geben dem betroffenen Arbeitnehmer zwar einen Anspruch auf Freistellung, aber keinen Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung. Kollegen bieten an, ihre Restüberstunden und Teile des Zusatzurlaubs zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeber macht es möglich und nimmt somit den finanziellen Druck von dem Arbeitnehmern. |
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Zeitspenden
Was zu einem Gamechanger für die Arbeitnehmer wird und einen solidarischen Akt der Kollegen und des Arbeitgebers darstellt, unterliegt gewissen arbeitsrechtlichen Regeln. In Deutschland gibt es derzeit keine gesetzliche Regelung zum Thema der Zeitspende, an der sich Arbeitgeber ausrichten können. Daher bedarf es einer tariflichen, betrieblichen oder einzelvertraglichen Vereinbarung, um eine solche Zeitspende zu ermöglichen und den Grundsatz der höchstpersönlichen Leistungspflicht zur Seite zu schieben.
Arbeitgeber sollten hierbei zunächst die folgenden Grenzen im Blick behalten, die das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und das Mitbestimmungsrecht vorgeben:
Beispiel |
Pro Tag maximal zehn Stunden, pro Woche maximal 48 Stunden Arbeit A arbeitet in einer Fünf-Tage-Woche. Ihr Vertrag sieht acht Stunden pro Tag vor (40 Stunden pro Woche). Das Team darf Überstunden spenden. So läuft die Woche von A ab: Am Montag arbeitet sie neun Stunden, am Dienstag zehn Stunden, am Mittwoch zehn Stunden, am Donnerstag neun Stunden und am Freitag zehn Stunden. Sie kommt damit auf 48 Stunden in der Woche. Gegenüber ihrem Soll von 40 Stunden sind das acht Überstunden, die sie auf ihrem Arbeitszeitkonto ansammelt. Ergebnis: Diese acht Stunden sind grundsätzlich spendenfähig. Denn A sammelt spendenfähige Überstunden, ohne die Grenzen von § 3 ArbZG zu überschreiten. D. h.: maximal zehn Stunden pro Tag und maximal 48 Stunden pro Woche. |
- Mindesturlaub: Die erste Grenze setzt das BUrlG. Nach § 13 BUrlG ist der gesetzliche Mindesturlaub unverzichtbar. Das bedeutet: Bei einer Fünf-Tage-Woche besteht nach § 3 BUrlG regelmäßig ein Anspruch von 20 Urlaubstagen pro Jahr. Diese 20 Tage sind „nicht spendenfähig“. Folge: Lediglich darüber hinausgehender vertraglicher Zusatzurlaub kann gespendet werden.Nur vertraglicher Zusatzurlaub ist übertragbar
- Überstunden: Darüber hinaus sind auch angesammelte Überstunden „spendenfähig“. Hier muss allerdings der Arbeitgeber zwingend darauf achten, dass spendende Arbeitnehmer zur Erbringung von („spendenfähigen“) Überstunden nicht die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten nach § 3 ArbZG überschreiten. Der Gesundheitsschutz bleibt vorrangig, auch wenn die Ansammlung der Überstunden einem guten Zweck dient. Damit gilt weiterhin: Arbeitnehmer dürfen pro Tag maximal zehn Stunden, pro Woche maximal 48 Stunden arbeiten. Auf Basis dieser Grenzen lassen sich dann auch die Überstunden an Kollegen übertragen.Höchstarbeitszeit darf nicht überschritten werden
- Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmerinteressenvertretung: Die Einführung einer Zeitspendenregelung kann die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bzw. der Mitarbeitervertretung berühren.
Die praktische Umsetzung der Zeitspende
Soll eine betriebsweit einheitliche Zeitspende ermöglicht werden, ist die Einführung per Betriebs- oder Dienstvereinbarung zu empfehlen.
Diese Inhalte sollten geregelt sein
In der Betriebs- oder Dienstvereinbarung sollten die folgenden Aspekte geregelt werden:
Beispiel |
Zeitspende bleibt berufsgruppenintern begrenzt In einem kommunalen Krankenhaus wird die Zeitspende auf Kollegen derselben Berufsgruppe beschränkt, damit z. B. Pflegefachkräfte nur für Pflegefachkräfte spenden. Dies verhindert Wertungsdiskussionen, ob die Zeit des Chefarztes aufgrund seiner höheren Entlohnung mehr „wert“ ist als die Zeit der Pflegefachkraft. |
Praxistipp | Unternehmen verwenden hier am besten digitale oder papiergebundene, standardisierte Formulare, die alle Beteiligten unterzeichnen. |
- Welches Zeitguthaben ist spendenfähig? Überstunden und/oder Zusatzurlaub?
- Wer gehört zum berechtigten Personenkreis? Nur Arbeitnehmer, die sich in bestimmten Notlagen befinden, oder alle Arbeitnehmer?Empfängerkreis sollte definiert sein
- Wie soll bzw. kann der Nachweis der Berechtigung zum Erhalt einer Spende erfolgen? Die Offenlegung einer persönlichen Notlage kann für viele Arbeitnehmer eine erhebliche Schwelle darstellen.
- Wie erfolgt die Wertbemessung der Zeitguthaben? Insbesondere bei unterschiedlicher Entlohnung aufgrund unterschiedlicher Tätigkeitsbereiche bedarf es einer transparenten Regelung.
- Wie erfolgen die Abwicklung und Dokumentation der Spende? Insbesondere sollten Verzichtserklärungen nicht vergessen werden.
- Nach welchem System werden die Spenden abgewickelt? Dies ist insbesondere dann entscheidend, wenn evtl. nicht genug gespendete Zeitkontingente vorhanden sind, um alle Berechtigten vollumfänglich zu unterstützen.
- Was passiert mit nicht benötigten Zeitspenden? Dazu unten mehr.
- Wie soll mit eventuellen Störfällen umgegangen werden? Zu denken ist hier auch an Fälle, in denen der Notfall ganz oder teilweise nach Erhalt der Spende entfällt.
Wichtig | Gerade in kleineren Betrieben ohne Betriebsrat oder wenn die Zeitspenden lediglich situativ und einzelfallbezogen erfolgen sollen, können Einzelvereinbarungen hilfreich sein. Die Regelungsinhalte decken sich mit den Regelungen im Rahmen einer Betriebs-/Dienstvereinbarung. Entscheidend ist, dass die Einzelvereinbarungen unbedingt klar und schriftlich erfolgen. Erfahrungen aus der Beratung zeigen: Fehlen schriftliche Verzichtserklärungen, sind Rückforderungsstreitigkeiten vorprogrammiert.
Die Abwicklung ist zu regeln
Zuletzt ist der technische Prozess – Umbuchung von Zeitkonten – sowie der Umgang mit nicht verbrauchter Zeit zu regeln. Hier sollte der Grundsatz gelten, dass nicht genutzte Spenden zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. am Jahresende) verfallen oder besser noch an die Spender zurückgeführt werden.
Wichtig | Eine Auszahlung in Geld (auch von Restguthaben beim Ausscheiden) an die Spendenempfänger gilt es aus steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten auszuschließen.
Die Implementierung der Zeitspende in der Praxis
Bei der Implementierung der Zeitspende gibt es einige wichtige Faktoren zu berücksichtigen, um den Prozess effektiv und erfolgreich zu gestalten:
Checkliste / Implementierung der Zeitspende – acht Punkte |
|
|
|
|
|
|
|
|
Durch klar strukturierte Regelungen sowie transparente Prozesse profitieren alle Seiten nachhaltig von der Implementierung einer Zeitspendemöglichkeit. Rechtssicher umgesetzt können Zeitspendenprogramme die Solidarität im Miteinander sowie die Arbeitnehmerbindung an das Unternehmen stärken.
AUSGABE: LGP 10/2025, S. 217 · ID: 50513045

