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BFH mit klarer Ansage Die betriebliche Einrichtung eines Kundenist keine regelmäßige Arbeitsstätte

Abo-Inhalt07.11.200817 Min. Lesedauer

Viele Arbeitnehmer arbeiten nicht in einer betrieblichen Einrichtung ihres Arbeitgebers, sondern über längere Zeit direkt bei einem Kunden. Der BFH hat jetzt klargestellt, dass die Arbeit bei einem Kunden in der Regel keine regelmäßige Arbeitsstätte begründet.

Viele Arbeitnehmer arbeiten nicht in einer betrieblichen Einrichtung ihres Arbeitgebers, sondern über längere Zeit direkt bei einem Kunden. Der BFH hat jetzt klargestellt, dass die Arbeit bei einem Kunden in der Regel keine regelmäßige Arbeitsstätte begründet.

Auswärtstätigkeit oder regelmäßige Arbeitsstätte

Bis einschließlich 2007 ging die Finanzverwaltung davon aus, dass nach drei Monaten eine auswärtige Tätigkeitsstätte (egal ob beim Arbeitgeber oder bei einem Kunden) zur regelmäßigen Arbeitsstätte wird.

Mit dem neuen Reisekostenrecht (Ausgabe 10/2007, Seite 167) ist diese Drei­monatsfrist mit Beginn des Jahres 2008 entfallen. Gleichzeitig wurde der Begriff „Auswärtstätigkeit“ neu geschaffen. Eine solche liegt vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitsstätte oder ausschließlich an wechselnden Arbeitsstätten tätig ist. Die regelmäßige Arbeitsstätte wurde dabei wie folgt definiert (R 9.4 Abs. 2 und 3 LStR 2008):

Definition regelmäßige Arbeitsstätte

„Regelmäßige Arbeitsstätte ist der ortsgebundene Mittelpunkt der dauer­haft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob es sich um eine Einrichtung des Arbeitgebers handelt.“

Dieser Wortlaut der LStR 2008 lässt den Schluss zu, dass eine regelmäßige Arbeitsstätte auch eine Einrichtung sein kann, die nicht dem Arbeitgeber zuzuordnen ist. Betroffen sein könnten davon zum Beispiel Arbeitnehmer von Gebäudereinigungsfirmen oder Sicherheitsdiensten, die über einen langen Zeitraum an nur einem Objekt eingesetzt werden. Auch Leih­arbeiter sind nicht bei ihrem Arbeitgeber (Verleiher) tätig, sondern bei einem Dritten (Entleiher).

Vorteile einer Auswärtstätigkeit

Die Unterscheidung zwischen Auswärtstätigkeit und regelmäßiger Arbeitsstätte hat für den Arbeitnehmer weitreichende Folgen:

  • Bei einer Auswärtstätigkeit kann der Arbeitnehmer alle Fahrten mit den tatsächlichen Kosten bzw. mit der Dienstreisepauschale (0,30 Euro je gefahrenen Kilometer) steuermindernd ansetzen bzw. steuerfrei vom Arbeitgeber erstattet bekommen. Bei entsprechender Abwesenheit von seiner Wohnung (mindestens acht Stunden) kann er außerdem für drei Monate die Pauschalen für den Verpflegungsmehraufwand ansetzen bzw. erstattet bekommen.
  • Bei einer regelmäßigen Arbeitsstätte sind die Fahrten dorthin Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Dafür kann nur die Entfernungspauschale geltend gemacht werden. Der Arbeitgeber muss einen Fahrtkostenersatz pauschal mit 15 Prozent lohnversteuern. Die Pauschalen für den Verpflegungsmehraufwand können nicht angesetzt werden.
  • Hat der Arbeitnehmer einen Dienstwagen muss er bei einer regelmäßigen Arbeitsstätte die Fahrten dorthin zusätzlich monatlich mit 0,03 Prozent des Listenpreises pro Entfernungskilometer versteuern (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG). Sind es nur wenige Fahrten im Monat, unterliegt jede Fahrt mit 0,002 Prozent dem Lohnsteuerabzug (BFH, Urteil vom 4.4.2008, Az: VI R 85/04; Abruf-Nr. 081836081836; Ausgabe 7/2008, Seite 118.)

Bundesfinanzhof mit klarer Aussage

Der BFH hat entschieden, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden keine regelmäßige Arbeitsstätte sein kann. Eine regel­mäßige Arbeitsstätte könne nur eine „ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers“ sein. Das gelte auch, wenn der Arbeitnehmer langfristig bei dem Kunden arbeitet (Urteil vom 10.7.2008, Az: VI R 21/07; Abruf-Nr. 082919082919).

Beachten Sie: Im BFH-Fall hatte das Finanzamt noch wegen des Zeitablaufs (nach drei Monaten) eine regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers bei dem Kunden angenommen. Nach dem neuen Reise­kostenrecht wäre es wohl auch von einer Auswärtstätigkeit ausgegangen. Denn es war klar, dass der Arbeitnehmer bei dem Kunden nur vorübergehend (aber eben länger als drei Monate) tätig sein würde. Außerdem hatte der Arbeit­nehmer daneben unstreitig eine regelmäßige Arbeitsstätte.

Regelmäßige Arbeitsstätte von Leiharbeitern

Dennoch könnte dieses BFH-Urteil auch unter dem neuen Reisekostenrecht von Bedeutung sein. Denn bleibt der BFH dabei, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden niemals eine regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers sein kann, üben Leiharbeitnehmer immer eine Auswärtstätigkeit aus, weil sie nicht bei ihrem Arbeitgeber tätig werden.

Die Finanzverwaltung hat das Problem mit den Leiharbeitnehmern erkannt. Zunächst hatte die Finanzbehörde Hamburg eine Frist von 18 Monaten in den Ring geworfen. Danach sollte dann bei einem Leiharbeiter aus der vorübergehenden Auswärtstätigkeit eine regelmäßige Arbeitsstätte werden. Diese Frist wurde aber inzwischen wieder zurückgezogen.

Jetzt geht die Finanzverwaltung das Problem wie folgt an: Ein Arbeitnehmer ohne regelmäßige Arbeitsstätte geht einer Auswärtstätigkeit nach, wenn er typischerweise nur an wechselnden Orten tätig wird (zum Beispiel Leih­arbeiter). Dabei soll es nicht auf die Dauer der einzelnen Tätigkeiten ankommen, sondern inwieweit der Arbeitnehmer damit rechnen muss, nach Ende der Tätigkeit an einem anderen Ort eingesetzt zu werden (OFD Hannover, Verfügung vom 22.7.2008; Az: S 2353 – 161b – StO 217; Abruf-Nr. 083110083110).

Beispiel

Zwei bei einer Zeitarbeitsfirma angestellte Arbeitnehmer werden regelmäßig Entleiherfirmen überlassen. Arbeitnehmer A wird für einen vorher festgelegten Zeitraum von zwei Jahren ausgeliehen. Bei Arbeitnehmer B enthält der Überlassungsvertrag keine zeitliche Befristung, sondern die Formulierung „bis auf Weiteres“. Die Betriebsstätte des Verleihers ist für die Arbeitnehmer keine regelmäßige Arbeitsstätte, weil sie sie zu selten aufsuchen (46-Tage-Regelung).Für Arbeitnehmer A soll die Tätigkeitsstätte bei der Entleiherfirma nicht zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte werden, weil seine Tätigkeit dort von vornherein auf eine bestimmte Dauer angelegt ist. Anders soll es bei Arbeitnehmer B sein. Weil seine Tätigkeit nicht befristet ist, soll B von Beginn an bei dem Entleiher eine regelmäßige Arbeitsstätte haben.

Dass Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt werden können, hat folgenden Grund: Liegt eine auf Dauer angelegte Arbeits­stätte vor, kann sich der Arbeitnehmer auf den immer gleichen Arbeitsweg einstellen und so seine Aufwendungen mindern (zum Beispiel durch eine Fahrgemeinschaft oder eine entsprechende Wohnsitznahme).

Legt man die Maßstäbe der Finanzverwaltung an, würde das bedeuten, dass ein Leiharbeiter der dreimal im Jahr für drei Monate befristet an eine Firma ausgeliehen wird, immer (zu Recht) eine Auswärtstätigkeit ausübt, während ein Leiharbeiter, der ebenfalls dreimal im Jahr die Arbeitsstelle wechselt, aber immer „bis auf Weiteres“ überlassen wird, jeweils eine regelmäßige Arbeitsstätte begründet. Tatsächlich kann sich aber keiner der beiden Leiharbeiter auf die Wegesituation – zum Beispiel durch einen Wohnsitzwechsel – einstellen.

BFH muss erneut entscheiden

Die angesprochenen Probleme zeigen, dass das neue Reisekostenrecht zwar viele Abgrenzungsprobleme gelöst, aber auch neue Fragen aufgeworfen hat. Der BFH bekommt in einem Verfahren (Az: VI R 21/08) jetzt Gelegenheit klarzustellen, ob und wenn doch unter welchen Voraussetzungen eine über lange Zeit aufgesuchte Tätigkeitsstätte, die nicht dem Arbeitgeber zuzurechnen ist, zur regelmäßigen Arbeitsstätte wird. In dem Verfahren geht es um einen outgesourcten Arbeitnehmer (FG Niedersachsen, Urteil vom 24.10.2007, Az: 12 K 611/04; Abruf-Nr. 082332082332).

Unser Tipp: Die BFH-Entscheidung könnte auch für Leiharbeiter interessant sein. Betroffene Arbeitnehmer sollten ihre Steuerbescheide daher zunächst mit einem Einspruch offen halten.

AUSGABE: LGP 11/2008, S. 186 · ID: 122731

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