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Neue Grundsätze bei der DienstwagenbesteuerungFahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - tatsächlich gefahrene Strecke ist entscheidend

Abo-Inhalt07.07.200823 Min. Lesedauer

Ein geldwerter Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Dienstwagen muss nur insoweit versteuert werden, wie der Dienstwagen für diese Fahrten auch tatsächlich genutzt wird. Das hat der BFH jetzt klargestellt und damit ein „heißes Eisen“ der Dienstwagen­besteuerung zugunsten der Arbeitnehmer entschieden.

Ein geldwerter Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Dienstwagen muss nur insoweit versteuert werden, wie der Dienstwagen für diese Fahrten auch tatsächlich genutzt wird. Das hat der BFH jetzt klargestellt und damit ein „heißes Eisen“ der Dienstwagen­besteuerung zugunsten der Arbeitnehmer entschieden.

Geldwerter Vorteil für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte

Darf der Arbeitnehmer einen Dienstwagen auch privat nutzen und führt er kein Fahrtenbuch oder ist dieses nicht ordnungsgemäß, muss er nach der „Ein-Prozent-Regelung“ monatlich ein Prozent des Bruttolistenpreises zum Zeitpunkt der Erstzulassung als Arbeitslohn versteuern.

Darf er das Fahrzeug auch für die Fahrten zur Arbeitsstätte nutzen, muss er zusätzlich für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeits­stätte monatlich 0,03 Prozent des Bruttolistenpreises als Arbeitslohn versteuern (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG).

Beispiel

Ein Arbeitnehmer nutzt für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernung 20 Kilomter) seinen Dienstwagen (Bruttolistenpreis 30.000 Euro). Er muss somit monatlich insgesamt 480 Euro als geldwerten Vorteil versteuern (= 30.000 Euro x 1 % + 30.000 Euro x 0,03 % x 20 km).

Die 0,03 Prozent mussten bislang unabhängig davon versteuert werden,

  • ob der Arbeitnehmer die gesamte Strecke Wohnung/Arbeitsstätte mit dem Dienst­wagen gefahren ist und
  • wie oft er im Monat tatsächlich den Dienstwagen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat.

Das „verteuerte“ den Dienstwagen, weil hohe geldwerte Vorteile zu versteuern waren, die unter Umständen auch noch Sozialversicherungsbeiträge auslösten. Vermieden werden konnte dies nur, indem der Arbeitnehmer ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt hat. Dieser Praxis der Finanzverwaltung hat der BFH jetzt eine Absage erteilt.

Teilstrecke mit dem Dienstwagen

Nutzt der Arbeitnehmer den Dienstwagen nachweislich nur für einen Teil der Fahrt zur Arbeit, muss er auch nur für diesen Teil der Strecke den Zuschlag von 0,03 Prozent des Bruttolistenpreises versteuern (Urteil vom 4.4.2008, Az: VI R 68/05; Abruf-Nr. 081837081837).

Einem Arbeitnehmer, der den Dienstwagen auch für Fahrten von der Wohnung zur Arbeit nutzen darf, wird zwar grundsätzlich unterstellt (Anscheinsbeweis), dass er diese Erlaubnis nutzt und die volle Strecke zur Arbeit mit dem Dienstwagen zurücklegt. Dieser Anscheins­beweis kann aber widerlegt werden.

Dazu muss der Arbeitnehmer kein Fahrtenbuch führen, so der BFH. Der Gegenbeweis ist in jedem Fall erbracht, wenn dem Arbeitnehmer die Nutzung des Dienstwagens für Fahrten zur Arbeitsstätte vom Arbeitgeber untersagt und das Verbot auch tatsächlich überwacht und eingehalten wurde.

Unser Tipp: Der Gegenbeweis kann aber auch ohne Nutzungsverbot erbracht werden. Der Arbeitnehmer muss dazu substantiiert darlegen und glaubhaft machen, dass und warum er den Dienstwagen immer nur für eine Teilstrecke des Weges von zu Hause zur Arbeit verwendet hat.

Dieser Nachweis ist erbracht, wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel eine Jahres-Bahnfahrkarte für eine Teilstrecke vorlegen kann. Dann ist zugunsten des Arbeitnehmers davon auszugehen, dass er die Strecke, für die er eigens eine Jahresbahnfahrkarte gekauft hat, auch tatsächlich mit der Bahn gefahren ist. Er muss nur für die Strecke von der Wohnung zum Bahnhof den Zuschlag von 0,03 Prozent des Bruttolistenpreises versteuern.

Beispiel

Im Urteilsfall durfte der Geschäftsführer eines Verbandes seinen Dienst­wagen auch privat und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen. Die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte betrug 118 km. Der Geschäftsführer benutzte den Dienstwagen nur für die 3,5 km lange Fahrt von der Wohnung zum nächstgelegenen Bahnhof. Von dort fuhr er mit der Bahn zum Arbeitsort (114,5 km). Für die Bahnstrecke hatte er eine Jahres-Bahncard. Weil er tatsächlich immer nur die 3,5 km mit dem Dienstwagen zum Bahnhof gefahren ist, muss er nur für 3 km (abgerundet) den Zuschlag von 0,03 % versteuern. In Zahlen bedeutet das Folgendes:Monatlicher geldwerter Vorteil nach BFH-Ansicht:40.000 Euro x 1 % + 40.000 Euro x 0,03 % x 3 km = 436 EuroMonatlicher geldwerter Vorteil nach Ansicht der Finanzverwaltung:40.000 Euro x 1 % + 40.000 Euro x 0,03 % x 118 km = 1.816 Euro; aber maximal die tatsächlichen Kosten des Dienstwagens

Unser Tipp: Der Arbeitgeber kann den geldwerten Vorteil für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte pauschal mit 15 Prozent versteuern, soweit dem Arbeitnehmer für diese Fahrten die Entfernungspauschale zusteht (derzeit 0,30 Euro ab dem 21. Entfernungskilometer). Dem Arbeitnehmer geht im Gegenzug der Werbungskostenabzug in dieser Höhe verloren. Weil die Pauschalversteuerung Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung auslöst, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Umständen Sozialversicherungsbeiträge sparen.

Wenige Fahrten zur regelmäßigen Arbeitsstätte

Der Zuschlag von 0,03 Prozent ist auch zu kürzen, wenn der Arbeitnehmer nicht jeden Tag, sondern nur einmal die Woche mit dem Dienstwagen zum Betriebssitz fährt (Urteil vom 4.4.2008, Az: VI R 85/04; Abruf-Nr. 081836081836).

Fährt der Arbeitnehmer (zum Beispiel ein Außendienstmitarbeiter) mindestens einmal die Woche zum Betriebssitz des Arbeitgebers, wird der Betriebssitz für den Arbeitnehmer zur regelmäßigen Arbeitsstätte. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist daher grundsätzlich anwendbar, aber nicht in vollem Umfang.

Der Zuschlag ist in diesen Fällen nicht pauschal monatlich, sondern tagesbezogen zu berechnen, so der BFH. Für jeden Tag, an dem der Arbeitnehmer mit dem Dienstwagen zum Betriebssitz gefahren ist, muss in Anlehnung an die Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG ein Zuschlag von 0,002 Prozent des Listenpreises versteuert werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen jeden Monat ermitteln, wie oft der Arbeitnehmer mit dem Dienstwagen zum Betriebssitz gefahren ist.

Unser Tipp: Diese neue BFH-Rechtsprechung wird besonders den Arbeitnehmern nutzen, die durch die Neudefinition der regelmäßigen Arbeitsstätte ab 2008 erstmals eine regelmäßige Arbeitsstätte begründet haben und vom 0,03-Prozent-Zuschlag betroffen waren.

Beispiel

Ein Handelsvertreter mit Dienstwagen (Listenpreis 30.000 Euro) fährt einmal wöchentlich in die Niederlassung seines Dienstherrn (Entfernung 20 km). Damit begründet er ab 2008 dort eine regelmäßige Arbeitsstätte (9.4 Abs. 3 LStR 2008). Folge: Für die Fahrten mit dem Dienstwagen zur regelmäßigen Arbeitsstätte muss er einen geldwerten Vorteil versteuern. Nach Ansicht des BFH sind das monatlich 48 Euro (= 0,002 % x 30.000 Euro x 20 km x 4 Fahrten). Geht es nach der Finanzverwaltung muss er monatlich 180 Euro (= 0,03 % x 30.000 Euro x 20 km) versteuern.

Anwendung der BFH-Urteile

Mit diesen und den Urteilen zur Berücksichtigung von Zuzahlungen des Arbeitnehmers beim Dienstwagen (Ausgabe 2/ 2008, Seite 30) hat der BFH die bisherige Praxis der Dienstwagenbesteuerung durcheinandergewirbelt.

Keines der Urteile wurde bislang im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Sie sind daher für die Finanzverwaltung derzeit nicht verbindlich anzuwenden.

Unser Tipp: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich bereits auf die geänderte Rechtsprechung berufen und sie in den aktuellen Lohnabrechnungen bzw. Steuererklärungen berücksichtigen. Sie sollten aber vorsichtshalber ihr Finanzamt darüber informieren.

Um von der neuen Rechtsprechung auch rückwirkend zu profitieren, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie folgt vorgehen:

Möglichkeiten des Arbeitnehmers

Hat der Arbeitgeber bisher für den Dienstwagen die überhöhten Werte versteuert, sollte der Arbeitnehmer - soweit dies noch möglich ist - gegen seinen Einkommensteuerbescheid Einspruch einlegen. In der Einspruchsbegründung muss er auf das entsprechende BFH-Urteil hinweisen. Für bestandskräftige Steuerbescheide gibt es auch bei einer Änderung der Rechtsprechung keine Berichtigungsmöglichkeit.

Möglichkeiten des Arbeitgebers

Bis zur Übermittlung oder Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung kann der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug noch ändern (§ 41c Abs. 3 Satz 1 EStG). Danach gibt es keine Berichtigungsmöglichkeiten mehr. Lediglich der Arbeitnehmer kann in seiner Steuererklärung noch Werte ändern oder gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen (siehe oben).

Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer für den geldwerten Vorteil für die Fahrten zur Arbeitsstätte (ab dem 21. Kilometer) pauschaliert hat (§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG). Dann ist der Arbeitgeber Schuldner der pauschalen Lohnsteuer (§ 40 Abs. 3 Satz 2 EStG) und Herr des Verfahrens.

Die abgegebenen Lohnsteueranmeldungen stehen grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Dieser entfällt erst, wenn die vierjährige Festsetzungsfrist abläuft. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung besteht, kann der Arbeitgeber eine Änderung der Lohnsteueranmeldung beantragen, indem er eine geänderte Lohnsteueranmeldung einreicht.

Unser Tipp: Alle Lohnsteueranmeldungen, die im Jahr 2004 und später eingereicht wurden, können noch geändert werden. Dies wären auf jeden Fall die Lohnsteueranmeldungen ab Dezember 2003. Denn die Lohnsteuer­anmeldung für Dezember 2003 musste bis zum 10. Januar 2004 dem Finanzamt vorliegen. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres 2004, dauert vier Jahre und endet mit Ablauf des Jahres 2008. Ende 2008 entfällt dann auch automatisch der Vorbehalt der Nachprüfung. Falls die Lohnsteueranmeldungen für die Monate vor Dezember 2003 verspätet abgegeben wurden, können diese ebenfalls noch berichtigt werden.

Beachten Sie: Die geänderte Lohnsteueranmeldung wird erst wirksam, wenn das Finanzamt zustimmt. In diesem Fall wird die zu viel erhobene Steuer erstattet. Will das Finanzamt nicht zustimmen, muss es die Änderung ablehnen.

Gegen die Ablehnung kann der Arbeitgeber Einspruch einlegen (§ 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Damit ist zwar formell die Ablehnung Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens letztendlich aber die geänderte Lohnsteueranmeldung. Solange über den Einspruch nicht endgültig entschieden ist, läuft die Festsetzungsfrist und damit auch der Vorbehalt der Nachprüfung nicht ab.

AUSGABE: LGP 7/2008, S. 118 · ID: 120354

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