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KanzleiführungIntegrative Führung – der Schlüssel zur erfolgreichen Mitarbeiterbindung
| In Zeiten, in denen Arbeitnehmer zunehmend weniger an Unternehmen gebunden sind und die Bereitschaft zum Wechseln oft latent mitschwingt, steht die Führung in Steuerkanzleien vor besonderen Herausforderungen. Um in diesem dynamischen Umfeld nicht nur die Mitarbeitenden zu halten, sondern auch ihre Motivation und Leistungsbereitschaft zu steigern, müssen Führungskräfte flexibel und bedarfsgerecht führen. Das gilt gerade in Steuerkanzleien, wo Teamarbeit und Fachwissen gleichermaßen entscheidend sind. Der integrative Führungsansatz bietet hierzu die Möglichkeit. |
Darum ist gute Führung so wichtig
Kennen Sie den Gallup Engagement Index? Dieser wird jährlich erhoben und zeigt, wie hoch die emotionale Bindung der Mitarbeiter an ihr Unternehmen ist. Die Gallup Studie 2023 bestätigt einen schleichenden und besorgniserregenden Trend. Anbei ein kurzer Auszug aus dem Gallup Engagement Index Deutschland 2023:
- Rund ein Fünftel (19 %)der Mitarbeitenden ist ohne emotionale Bindung an den aktuellen Arbeitgeber.
- Der daraus resultierende Produktivitätsverlust wird auf 130 und 170 Milliarden EUR geschätzt.
- Nur etwa 15 % der Mitarbeitenden haben eine hohe Bindung an ihr Unternehmen!
- Fast die Hälfte (45 %) der deutschen Beschäftigten ist entweder aktiv auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz oder offen für neue Herausforderungen.
- 68 % der Mitarbeitenden machen Dienst nach Vorschrift!
- Etwa 17 % der Mitarbeiter haben innerlich gekündigt!
Das bedeuten diese Zahlen: |
Angenommen eine Kanzlei beschäftigt 10 Mitarbeitende. Dann haben 2 Mitarbeitende innerlich gekündigt, 7 Mitarbeitende machen Dienst nach Vorschrift und die Hälfte ist weg, wenn sie auf ein attraktives Job-Angebot aufmerksam werden. |
Aus meiner Erfahrung sieht es in vielen Steuerkanzleien glücklicherweise nicht ganz so besorgniserregend aus, jedoch geht der gesellschaftliche Trend natürlich auch nicht an den Kanzleien vorbei. In Kanzleien, die noch überwiegend Mitarbeitende aus der Babyboomer-Generation bzw. der Generation X beschäftigen, mag das noch etwas anders aussehen und alles eventuell nicht so negativ sein, wie von Gallup dargestellt, doch je mehr Sie ältere Mitarbeitende durch jüngere Mitarbeiter ersetzen müssen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich von diesem Trend nicht abkoppeln können.
Gallup hat aber auch Ursachenforschung betrieben: Demnach kündigen Mitarbeitende besonders häufig, wo Führungskräfte deutliche Defizite in sozialen Kompetenzen aufweisen und zeigen eine bessere emotionale Bindung, wo Führungskräfte Mitarbeitende auch als Mensch behandeln!
Es kommt also auf die Führungskraft an. Eine Aussage, die ich aufgrund meiner Erfahrungen aus der täglichen Arbeit in Kanzleien nur unterstreichen kann. Die Art und Weise, wie die Kanzlei und die Mitarbeitenden geführt werden, ist entscheidend, ob jemand loyal oder frustriert ist und ob eine Kanzlei neue und qualifizierte Mitarbeitende findet oder ständig auf der Suche ist bzw. auf Glück hoffen muss. Führungsstile und Führungsqualitäten wirken sich in folgenden Bereichen positiv oder negativ bei Mitarbeitenden aus:
- Wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität
- Arbeitszufriedenheit
- Motivation
- Leistungsbereitschaft
- Selbstsicherheit
Integrativer Führungsstil
Wie sollte Führung gestaltet sein, um die Arbeitgeberattraktivität, Arbeitszufriedenheit, Motivation, Leistungsbereitschaft und Selbstsicherheit positiv zu beeinflussen? Jeder hat bereits eigene Erfahrungen mit Führung gemacht – manche positiv, manche weniger erfolgreich. Dabei ist klar: Den einen Führungsstil, der in jeder Situation und bei jedem funktioniert, gibt es nicht. Viel wichtiger für den Erfolg Ihrer Kanzlei ist die effiziente und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden. Je besser es gelingt, Mitarbeitende in relevante Ziele, Aufgaben und Projekte einzubinden, desto wirksamer ist die Führung. Der Schlüssel liegt darin, alle Mitarbeitende mit ihren unterschiedlichen Potenzialen und Kompetenzen zu integrieren, um den maximalen Wirkungsgrad zu erreichen. Erfolgreiche Führung zeichnet sich durch einen hohen Wirkungsgrad nach innen und außen aus. Es geht nicht darum, ob Führung nett oder autoritär ist, sondern darum, Ziele mit verschiedenen Charakteren in einer dynamischen und komplexen Welt zu erreichen.
Kleiner (nicht abschließender) Überblick über Führungsstile |
Klassische Führungsstile nach Kurt Lewin:
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Weitere Ansätze: Transformational: Fokussiert auf Inspiration und Motivation der Mitarbeitenden durch eine gemeinsame Vision. Ziel ist die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Transaktional: Basiert auf einem Austausch von Belohnungen und Strafen für Leistungen. Klare Erwartungen und Kontrolle stehen im Vordergrund. Partizipativ: Ähnlich dem kooperativen Stil, mit starker Betonung auf Mitarbeiterbeteiligung und Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse. Charismatisch: Basiert auf der Persönlichkeit und Ausstrahlung der Führungskraft, die Mitarbeiter durch Vorbildfunktion motiviert. |
In der Management-Literatur hat sich zudem die Erkenntnis durchgesetzt, dass es den einen Führungsstil für alle Situationen (und Mitarbeitenden) nicht geben kann. Daher plädieren viele Autoren für einen eklektischen Ansatz im ursprünglichen Wortsinn, nämlich auswählend, aussuchend. Ich möchte für diesen Führungsstil den Begriff integrierend wählen, weil er unterschiedliche Führungsstile miteinander verbindet und die Auswahl eines konkreten Führungsverhaltens von situativen Fakten abhängig macht. Hierzu gehören u. a.
- Aufgabenschwierigkeit und Qualifikation der Mitarbeitenden
- Potenziale der Mitarbeitenden
- Werte der Mitarbeitenden
- Kanzleikultur und -werte
- Situative Umweltfaktoren wie (wirtschaftliche Situation, Stand der Technik, Branchentrends)
Beispiele |
Mitarbeitendenqualifikation: Der integrative Führungsstil passt sich flexibel an die Fähigkeiten und den Entwicklungsstand der Mitarbeiter an: Eine erfahrene Steuerfachangestellte mit zehn Jahren Berufserfahrung und umfangreichem Fachwissen sollte nicht geführt werden wie eine Auszubildende. Während – dem Ausbildungsstand angemessene – Anweisungen zu den Aufgaben und Abläufen und regelmäßige Kontrollen und Feedback Auszubildenden Sicherheit geben, wirken sie auf die eine erfahrene Kraft gängelnd und senken mit der Zeit das Selbstvertrauen. Hier geht es also um die richtige Balance von Direktion und Delegation. Verbindlich versus experimentell |
Direktiv versus partizipativ |
Führen heißt kommunizieren
Egal welcher Führungsstil in welcher Situation zur Anwendung gelangt. Führen heißt immer kommunizieren. Diese grundlegende Erkenntnis wird aber oft unterschätzt. Kommunikation ist das Herzstück jeder erfolgreichen Führung, denn nur durch den ständigen Austausch von Informationen, Zielen und Erwartungen können Führungskräfte und ihre Teams auf Kurs bleiben. Klare Kommunikation schafft Transparenz und Vertrauen, beugt Missverständnissen vor und stärkt die Zusammenarbeit. Sie gibt den Mitarbeitenden Orientierung und Sicherheit in einer zunehmend komplexen Arbeitswelt. Zudem spielt die Kommunikation eine Schlüsselrolle bei der Motivation. Durch wertschätzendes und zielgerichtetes Feedback können Mitarbeitende ermutigt werden, ihre besten Leistungen zu erbringen. Auch das Vermitteln von Visionen und gemeinsamen Zielen stärkt den Teamgeist und schafft eine klare Richtung.
Was auch oft vergessen wird – gerade von den jüngeren Führungskräften. Zur guten Kommunikation gehört auch das Zuhören. Eine gute Führungskraft versteht es, nicht nur Anweisungen zu erteilen, sondern vor allem zuzuhören. Nur so können die Bedürfnisse und Perspektiven der Mitarbeitenden berücksichtigt und deren Potenziale optimal genutzt werden. Effektive Kommunikation bedeutet auch, Feedback zu geben und zu empfangen, um kontinuierlich zu lernen und sich zu verbessern. Dies fördert eine offene Unternehmenskultur, in der Probleme frühzeitig erkannt und gemeinsam gelöst werden.
Anforderungsprofil an eine Führungskraft
Der integrative Führungsansatz fordert von der Führungskraft eine hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, da er auf die Bedürfnisse und Reifegrade der Mitarbeitenden sowie die jeweilige Situation eingeht. Um diesen Ansatz erfolgreich anzuwenden, muss die Führungskraft über verschiedene Kompetenzen verfügen:
- Soziale Kompetenz: Empathie, Kommunikationsfähigkeit etc., vom Stellenwert mindestens so wichtig wie die Fachkompetenz.
- Fachkompetenz: Dass hohe Fachkompetenz Führungsstärke impliziert, ist ein Trugschluss.
- Coaching-Kompetenz: Gerade bei weniger erfahrenen Mitarbeitenden ist es wichtig, die nötigen Anleitungen und Unterstützung zu geben.
- Authentizität: Ausstrahlung, Begeisterungsfähigkeit, die Bereitschaft zu folgen, hängen wesentlich davon ab, wie die Führungskraft wahrgenommen wird.
- Autorität: Sie hat verschiedene Quellen. Natürliche Autorität stellt sich mit ein, wenn die Führungskraft über diese Kompetenzen verfügt.
AUSGABE: KP 3/2025, S. 38 · ID: 50186511