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UmsatzsteuerGrundstückskäufer haftet nicht für unrichtigen Steuerausweis in übernommenen Mietverträgen

Abo-Inhalt01.07.20254116 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf.

| Hat der Voreigentümer einer Immobilie in den Mietverträgen die Umsatzsteuer trotz steuerfreier Vermietung ausgewiesen, so kann dieser unrichtige Steuerausweis i. S. d. § 14c Abs. 1 S. 1 UStG nicht dem Grundstückserwerber zugerechnet werden. Dies hat der BFH erfreulicherweise mit Urteil vom 5.12.24 (V R 16/22, Abruf-Nr. 246823) klargestellt. |

Sachverhalt

Die Klägerin erstand im Jahr 2013 (Streitjahr) im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens ein mehrstöckiges Bürogebäude. Die Gebäudeflächen waren größtenteils vermietet. Der Voreigentümer hatte in den Vorjahren unter anderem einen Mietvertrag mit Fachkliniken zum Betrieb einer Tagesklinik, einen Mietvertrag mit einer Physiotherapiepraxis sowie einen Mietvertrag mit einer Wohnungsbaugesellschaft abgeschlossen. In diesen Mietverträgen waren jeweils die monatlichen Nettokaltmieten, die sonstigen Kostenvorschüsse und die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer mit dem Zusatz „+ 19 % Mehrwertsteuer“ benannt. Die Klägerin behandelte die Umsätze aus der Vermietung der Räume an die Fachklinik, an die Physiotherapiepraxis und an die Wohnungsbaugesellschaft als steuerfrei. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Klägerin die in den Mietverträgen offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG schulde und setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr entsprechend fest. Die hiergegen gerichtete Klage wurde abgewiesen, doch die Revision der Klägerin war erfolgreich.

Entscheidungsgründe

Nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG schuldet der Unternehmer, der in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren als den gesetzlich geschuldeten Steuerbetrag ausgewiesen hat, auch den Mehrbetrag (unrichtiger Steuerausweis). Steuerschuldner ist in den Fällen des § 14c Abs. 1 UStG der Unternehmer (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG).

Begründet § 14c Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Steuerschuld des Unternehmers, der in einer Rechnung für seine Leistung einen Steuerbetrag unrichtig ausweist, muss die Rechnung auf den Namen des leistenden Unternehmers lauten. Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG setzt zudem voraus, dass die in einer Rechnung als Aussteller bezeichnete Person an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu denen auch das Recht der Stellvertretung gehört, zuzurechnen ist. Auch ist ein Arbeitgeber als Rechnungsaussteller anzusehen, wenn Rechnungen in seinem Namen von einem Arbeitnehmer ausgestellt werden, selbst wenn dieser hierzu zwar nicht befugt war, aber unabhängig hiervon nicht hinreichend überwacht wurde.

Doch die klare Botschaft des BFH lautet: Werden Mietverträge vom Voreigentümer im eigenen Namen abgeschlossen, und werden in diesen Verträgen die Steuerbeträge unrichtig ausgewiesen, kann dieses Verhalten für die Frage des § 14c Abs. 1 S. 1 UStG nicht dem Neueigentümer zugerechnet werden.

Aus dem zivilrechtlichen Eintritt des Neueigentümers in die Mietverträge des Voreigentümers ergibt sich keine derartige Zurechnung. Jedenfalls kann ein vom Voreigentümer veranlasster unrichtiger Steuerausweis i. S. d. § 14c Abs. 1 S. 1 UStG dem Grundstückserwerber oder -ersteher nicht nach § 566 Abs. 1 BGB zugerechnet werden. Zwar tritt nach § 57 ZVG i. V. m. § 566 Abs. 1 BGB im Zwangsversteigerungsverfahren der Ersteher anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Der Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis dient aber dem Schutz des Mieters. Die ihm dadurch von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleiben. Hierfür enthält § 566 Abs. 1 BGB eine Durchbrechung des schuldrechtlichen Grundsatzes, wonach Rechte und Pflichten nur zwischen den am Schuldverhältnis beteiligten Personen entstehen.

Merke | Als Ausnahmevorschrift ist § 566 Abs. 1 BGB eng auszulegen und nur anzuwenden, soweit der mit ihr bezweckte Mieterschutz dies erfordert. Im Hinblick auf dieses Normverständnis kommt es nicht in Betracht, § 566 Abs. 1 BGB als Zurechnungsnorm zu verstehen, die einen vom Voreigentümer veranlassten unrichtigen Steuerausweis dem Grundstückserwerber oder -ersteher zurechnet. Zum einen dient eine Entstehung der Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG nicht dem Mieterschutz. Zum anderen gehört ein unrichtiger Steuerausweis nicht zu den Vermieterrechten und -pflichten, auf deren Übergang diese Vorschrift gerichtet ist.

Im Übrigen lassen sich auch aus dem offenen Ausweis der Umsatzsteuer in den Mietverträgen keine Pflichten aus dem Mietvertrag herleiten, die auf den Erwerber übergegangen sein und zu einer Zurechnung der (Teil-)Rechnungsdokumente führen könnten. Zwar kann aufgrund einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung eines Entgelts einschließlich Umsatzsteuer eine Pflicht des leistenden Unternehmers bestehen, eine Rechnung mit offenem Umsatzsteuerausweis auszustellen. Diese (zivilrechtliche) Pflicht zur Rechnungsausstellung kann auch auf den Erwerber nach § 566 Abs. 1 BGB übergehen. Es besteht aber keine zivilrechtliche Pflicht des leistenden Unternehmers, eine gesetzlich nicht geschuldete Umsatzsteuer – etwa auf eine steuerfreie Vermietungsleistung – auszuweisen, durch die in Höhe des unrichtigen Steuerausweises eine Steuerschuld in seiner Person nach § 13a Abs. 1 Nr. 1, § 14c Abs. 1 S. 1 UStG entstehen kann.

Eine Zurechnung folgt auch nicht aus § 1 Abs. 1a UStG. Danach unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer.

Unabhängig davon, ob eine Geschäftsveräußerung auch beim Erwerb eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung vorliegt, folgt aus der Annahme einer Geschäftsveräußerung und dem damit verbundenen Eintritt in die Rechtsstellung des Veräußerers nicht, dass ein unrichtiger Steuerausweis, der sich aus einem vom Veräußerer über ein Grundstück abgeschlossenen Mietvertrag ergibt, zulasten des Erwerbers für Zeiträume nach dem Grundstückserwerb eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG begründet. Ein unrichtiger Steuerausweis in den Mietverträgen gehört nicht zu den übertragenen Wirtschaftsgütern, auf die sich die umsatzsteuerrechtliche Einzelrechtsnachfolge bezieht.

Schließlich kommt auch die Annahme eines Überwachungsverschuldens nicht in Betracht, wenn der Erwerber in den Mietverträgen nicht als Rechnungsaussteller benannt ist.

Relevanz für die Praxis

Die Vorinstanz hatte die Sache anders beurteilt und eine Steuerschuld der Klägerin nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG bejaht. Die nicht von der Klägerin selbst abgeschlossenen Mietverträge müsse sich diese zusammen mit den weiteren Unterlagen (Kontoauszüge) in der Weise zurechnen lassen, dass eine ihr zuzurechnende Rechnung vorliegt, die sie als Leistende bezeichnet und die sie im Sinne von § 14c Abs. 1 S. 1 UStG ausgestellt habe. Es ist zu begrüßen, dass der BFH dieser Sichtweise entgegengetreten ist.

Das Besprechungsurteil ist zu einem Fall ergangen, in dem das Grundstück im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens erworben wurde. Doch auch bei einem „herkömmlichen“ Erwerb per notariellem Kaufvertrag, selbst bei Vorliegen einer möglichen Geschäftsveräußerung im Ganzen, darf dem Erwerber ein unrichtiger Steuerausweis nicht zugerechnet werden. So weist der BFH darauf hin, dass ein unrichtiger Steuerausweis in Mietverträgen nicht zu den übertragenen Wirtschaftsgütern gehört, auf die sich die umsatzsteuerrechtliche (Einzel-)Rechtsnachfolge beziehen könnte.

Anders könnte die Sache aber zu beurteilen sein, wenn ein bisheriger Mieter in die Vertragsverhandlungen quasi einbezogen wird, das heißt, wenn der Erwerber den Kaufvertrag beispielsweise nur dann unterzeichnet, wenn der Mieter sich seinerseits zu einer Verlängerung seines Mietvertrages bereit erklärt. Zumindest ist hier große Vorsicht angebracht.

Auch wird sicherlich „der Tag kommen“, an dem ein Mietvertrag angepasst oder verlängert und/oder eine gesonderte Rechnung ausgestellt wird. Und dann würde sich die Frage einer Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG aufs Neue stellen. Daher sollten Mietverträge, bei denen die Umsatzsteuer unzutreffend ausgewiesen wird, zügig – im Rahmen des zivilrechtlich Möglichen – bereits unmittelbar nach dem Grundstückserwerb angepasst werden.

AUSGABE: GStB 7/2025, S. 235 · ID: 50346088

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