FeedbackAbschluss-Umfrage

UmsatzsteuerVorsteuerabzug aus Insolvenzverwalterleistungen bei Fortführung des Unternehmens

Abo-Inhalt26.06.20255005 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf.

| Im Insolvenzverfahren eines Schuldners, der seine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt hat, ist es sachgerecht, über den Vorsteuerabzug aus der Leistung des Insolvenzverwalters auf der Grundlage der früheren Unternehmenstätigkeit zu entscheiden. Die Vorsteueraufteilung kann jedoch ausnahmsweise nach der Gesamttätigkeit des Insolvenzschuldners während seiner Verwaltungszeit nach Maßgabe seiner steuerpflichtigen, steuerfreien und nicht wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen werden, wenn der Insolvenzverwalter in einem Sonderfall ohne Vornahme von Verwertungshandlungen die unternehmerische Tätigkeit des Insolvenzschuldners fortführt (BFH 23.10.24, XI R 20/22, Abruf-Nr. 247286). |

Sachverhalt

Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter im Verfahren des Insolvenzschuldners Y bestellt. Dieser war als IT-Administrator selbstständig tätig. Für das Unternehmen bestanden Fortführungsaussichten, sodass der Kläger das Unternehmen weiterführte. Über seine Vergütung als Insolvenzverwalter erteilte er entsprechende Rechnungen an die Insolvenzmasse. Der Kläger gab eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2018 ab, in welcher er unter anderem die Vorsteuer aus seinen Insolvenzverwaltervergütungen anmeldete. Er nahm eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der in der Zeit der Insolvenzverwaltung erzielten betrieblich begründeten Einnahmen zu den Gesamteinnahmen vor. Die Vorsteuer sei zu nahezu 100 % abziehbar, da die Verwertung von Gegenständen des Privatvermögens kaum zu Einnahmen führte und sich die Gesamteinnahmen fast ausschließlich aus der fortgeführten betrieblichen Tätigkeit ergaben.

Das Finanzamt entschied anders und sah die Vorsteuer lediglich zu 17,06 % als abziehbar an. Die Vorsteueraufteilung sei nach dem Verhältnis der zur Insolvenztabelle angemeldeten privaten und unternehmerischen Insolvenzforderungen vorzunehmen. Der BFH hat die Auffassung des Finanzamts jedoch verworfen und dem Kläger zugestimmt.

Entscheidungsgründe

Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 S. 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 S. 2 UStG). Es ist dabei zunächst Sache des Unternehmers, welche Schätzungsmethode er wählt; Finanzbehörden und Finanzgerichte können aber nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist. Gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 UStG ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.

Im Insolvenzverfahren eines Schuldners, der seine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt hat, ist es sachgerecht, über den Vorsteuerabzug aus der Leistung des Insolvenzverwalters auf der Grundlage der früheren Unternehmenstätigkeit zu entscheiden (vgl. z. B. BFH 23.11.23, V R 3/22, BStBl II 24, 501, Rz. 10). Der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang besteht zwischen der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO), die auf die frühere Umsatztätigkeit zurückzuführen sind, sodass es auf die einzelnen Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters nicht ankommt. Auch für Leistungsbezüge, die einer wirtschaftlichen und einer nicht wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers dienen, ist § 15 Abs. 4 UStG analog anzuwenden. Daher kann ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer aus der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters nur im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten (nicht unternehmerischen) Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, die betreffende Vorsteuer anteilig abziehen.

Ob dies auch dann gilt, wenn eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter vorliegt, hat der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung offengelassen. Diese Frage wird nunmehr dahin gehend beantwortet, dass der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger jedenfalls dann ausnahmsweise nicht besteht, wenn der Verwalter das schuldnerische Unternehmen fortführt und dabei das Vermögen des Insolvenzschuldners nicht verwertet.

In einem solchen Fall besteht der direkte und unmittelbare Zusammenhang nur zwischen der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters und der vom Insolvenzverwalter fortgeführten wirtschaftlichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners. Die einheitliche Leistung des Insolvenzverwalters wird dann ausschließlich für das Unternehmen des Insolvenzschuldners, das sich in Insolvenz befindet, bezogen und damit für dessen gegenwärtige und künftig beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen verwendet. Dann kommt es abweichend von dem Fall, dass das Unternehmen zerschlagen wird, zu einer Vorsteueraufteilung gemäß § 15 Abs. 4 UStG nach Maßgabe der fortgesetzten unternehmerischen Tätigkeit, zu der der erforderliche Leistungszusammenhang mit der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters besteht, unter Vernachlässigung einer nur teilweisen unternehmerischen Begründung von zur Tabelle angemeldeten Insolvenzforderungen.

Beachten Sie | Die Insolvenzverwaltervergütung gehört dann zu den Gemeinkosten, sodass für die Aufteilung der Vorsteuer die allgemeinen Grundsätze gelten und es nicht auf das Verhältnis der angemeldeten Forderungen, sondern auf das Verhältnis der gesamten Umsätze (steuerpflichtige und steuerfreie) im Besteuerungszeitraum ankommt.

Relevanz für die Praxis

Mit Beschluss vom gleichen Tag sowie mit Beschluss vom 23.11.23 hat der BFH entschieden, dass über den Abzug der Vorsteuer für die Leistung des Insolvenzverwalters grundsätzlich nach der früheren unternehmerischen Tätigkeit des Insolvenzschuldners zu entscheiden ist, wenn dieser seine unternehmerische Tätigkeit eingestellt hat (BFH 23.10.24, XI R 8/22; BFH 23.11.23, V R 3/22). Es kommt also üblicherweise nicht auf den „Verwertungsumsatz“, sondern auf die Umsätze der vorherigen unternehmerischen Tätigkeit an. Daher ist selbst bei einer umsatzsteuerfreien Grundstückslieferung im Zuge der Verwertung der Vorsteuerabzug aus der Eingangsleistung des Insolvenzverwalters möglich, wenn der Insolvenzschuldner zuvor ausschließlich Ausgangsumsätze ausgeführt hatte, die zum Vorsteuerabzug berechtigten.

Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des – zum Vorsteuerabzug berechtigten – Unternehmens wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

Der BFH kehrt mit dem aktuellen Beschluss von diesen Grundsätzen nicht ab, sieht aber einen Sonderfall bei der Unternehmensfortführung ohne Vornahme von Verwertungshandlungen. Im Zweifel kann es aber wichtig sein, tatsächlich den Willen zur Unternehmensfortführung glaubhaft machen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Unternehmensfortführung beabsichtigt war, letztlich aber nicht realisiert werden konnte.

§ 15 Abs. 4 UStG wurde mit dem JStG 2024 geändert. In S. 1 wurde das Wort „zuzurechnen“ durch das Wort „zuzuordnen“ ersetzt. S. 3 lautet nun wie folgt: „Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Gesamtumsätzen ist nur zulässig, wenn keine andere, präzisere wirtschaftliche Zuordnung möglich ist.“ Das heißt, die Vorschrift wurde um das Wort „präzisere“ ergänzt.

Beachten Sie | Ertragsteuerlich hat der BFH entschieden, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners prinzipiell weder Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben noch außergewöhnliche Belastungen darstellen. Dies gelte aber nicht für solche Aufwendungen, die zwar ihre Ursache in einer durch den Insolvenzverwalter durchgeführten Verwertungsmaßnahme haben, aber auch angefallen wären, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut außerhalb eines Insolvenzverfahrens veräußert hätte und die in einem solchen Fall als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abziehbar wären (BFH 13.8.24, IX R 29/23).

AUSGABE: GStB 7/2025, S. 244 · ID: 50375575

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte