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PflichtteilsstrafklauselGeltendmachung des Pflichtteils „gegen den Willen“ des überlebenden Ehegatten
| Die Erblasserin hatte zusammen mit ihrem Ehemann ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament errichtet, das folgende Pflichtteilsstrafklausel enthielt: „Für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch oder Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht und diesen auch erhält, bestimmen wir, dass er nicht Erbe des Längstlebenden wird.“ Das OLG Zweibrücken hatte nun in seinem Beschluss vom 9.7.25 (8 W 56/24, Abruf-Nr. 249382) über die Auslegung dieser Pflichtteilsstrafklausel zu entscheiden und hat die Pflichtteilsstrafklausel als wirksam angesehen. |
Die Eheleute M und F errichteten ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre beiden Kinder T und S zu Schlusserben nach dem Überlebenden einsetzten. Weiter enthielt das Testament die o. g. automatisch wirkende Pflichtteilsstrafklausel. Nach dem Tod des M verlangte T mit anwaltlichem Schreiben „zur vorläufigen Durchsetzung ihres Pflichtteilsrechts“ Auskunft über den Umfang des Nachlasses. F erkannte den Auskunftsanspruch an und einigte sich im Anschluss mit T auf die Zahlung des Pflichtteils.
Nach dem Tod der F beantragte S die Erteilung eines Alleinerbscheins mit der Begründung, dass T aufgrund der Forderung ihres Pflichtteils im ersten Erbfall von der Erbfolge nach der F ausgeschlossen sei. Die T meint hingegen, die F habe zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die Geltendmachung des Pflichtteils entgegen ihrem Willen erfolgt sei.
Das OLG Zweibrücken ist hier der Auffassung, dass die Pflichtteilsstrafklausel greift. Die Wendung „gegen den Willen“ bedeutet nicht, dass zunächst eine ausdrückliche Verweigerung des Pflichtteilsanspruchs bzw. eine gerichtliche oder sonst streitige Auseinandersetzung erforderlich sein sollte, damit die Klausel greift. Es genügt, den Willen der Eltern erkennbar zu missachten, den Längerlebenden nicht mit Pflichtteilsansprüchen zu konfrontieren.
Dass die T hier sofort einen Anwalt bemüht hat, zeige überdies, dass der Pflichtteil nicht einvernehmlich z. B. aus steuerlichen Gründen verlangt wurde, sondern die Vorgehensweise ein konfrontatives Element enthält, weshalb die Geltendmachung hier letztlich „gegen den Willen“ der Erblasserin erfolgt sei. Dabei ist unerheblich, dass die F – rechtlich zutreffend beraten – die Auskunft erteilt und auch die sich daraus ergebenden Pflichtteilsansprüche erfüllt hat, ohne sich auf einen (Rechts-)Streit mit ihrer Tochter einzulassen oder gar eine Verurteilung zu riskieren.
AUSGABE: ErbBstg 9/2025, S. 212 · ID: 50508060