Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Sept. 2025 abgeschlossen.
ImmobilienDie verbilligte Vermietung – ein Risiko bei der Einkommen- und Schenkungsteuer?
| Viele Immobilien werden innerhalb der Familie vermietet, und oft wird dabei großzügig auf einen Teil der erzielbaren Miete verzichtet. Damit findet eine verbilligte Vermietung statt. Doch Vorsicht: Die Vergünstigung bei der Miete macht auch das Finanzamt argwöhnisch. Und das gleich doppelt. Zum einen kann durch die verbilligte Vermietung ein Teil der Werbungskosten vom steuermindernden Abzug ausgeschlossen sein. Zum anderen kann die verbilligte Vermietung auch als steuerpflichtige Schenkung anzusehen sein. Eine Botschaft schon vorab: Ist eine verbilligte Vermietung geplant, kann es im Einzelfall sinnvoll sein, schon im Vorfeld im Wege einer verbindlichen Auskunft abzustimmen, ob die Finanzverwaltung in dem geplanten Vorgang eine steuerbare Schenkung sieht oder eben nicht. |
Inhaltsverzeichnis
1. Der Musterfall
Oma Erna ist Eigentümerin eines Grundstücks. Auf diesem befindet sich ein Einfamilienhaus, welches sie bisher für eine unstrittig ortsübliche Miete von monatlich 2.500 EUR vermietet hatte. Weil der Mieter gekündigt hat, steht eine Neuvermietung an. Ein potenzieller Mieter wäre bereit, das Objekt ebenfalls für monatlich 2.500 EUR zu mieten. Weil allerdings der einzige Urenkel von Oma Erna mit seiner jüngst durch Nachwuchs vergrößerten Familie auf der Suche nach einem größeren Haus ist, beabsichtigt Oma Erna, an ihren Urenkel zu vermieten. Um der jungen Familie den Start zu erleichtern, soll die Miete jedoch nur monatlich 1.000 EUR betragen. Oma Erna und ihr Urenkel haben nun zwei Fragen an ihren Steuerberater:
- 1. Wie wirkt sich die verbilligte Miete auf den Werbungskostenabzug aus?
- 2. Kann die verbilligte Miete als Schenkung angesehen werden?
2. Die Lösung
2.1 Problem 1: Der Werbungskostenabzug
Mit der Vermietung erzielt Oma Erna Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, und diese unterliegen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 21 EStG der Einkommensteuer. Maßgebend für die Besteuerung sind die erzielten Einkünfte. Das bedeutet, dass Oma Erna von den Mieteinnahmen die angefallenen Werbungskosten absetzen kann und nur die Differenz versteuern muss. Als Werbungskosten sind zum Beispiel die Gebäudeabschreibung, Schuldzinsen für ein aufgenommenes Darlehen zur Finanzierung des Objekts, Grundabgaben, Erhaltungs-, Sanierungs- und Modernisierungsaufwendungen abzugsfähig. Ergibt sich im Saldo ein Verlust, ist auch dieser steuerlich zu berücksichtigen. Der Verlust kann nämlich mit anderen positiven Einkünften von Oma Erna verrechnet werden. So lautet der Grundsatz.
Zum Problem wird nun die verbilligte Vermietung. Ohne eine Sonderregelung könnte jede Immobilie innerhalb der Familie für eine obligatorische Miete von nur einem EUR vermietet werden. Durch den Werbungskostenabzug würde sich dann immer ein Verlust ergeben – und der wäre zur Steuerersparnis geeignet. Aus diesem Grund befindet sich in § 21 Abs. 2 S. 1 EStG eine Sonderregelung: „Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 50 % der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen.“
Genau das ist bei der zwischen Oma Erna und ihrem Urenkel geplanten Vermietung der Fall. Denn die ortsübliche Miete beträgt 2.500 EUR, während tatsächlich nur 1.000 EUR vereinbart werden. Damit beträgt der entgeltliche Teil der Vermietung 40 % (1.000/2.500), und zu 60 % findet eine unentgeltliche Vermietung statt. Die daraus resultierenden Folgen sind für Oma Erna gravierend. Zwar muss sie auf der Einnahmeseite für die Vermietungseinkünfte nur die tatsächlich erhaltene Miete von monatlich 1.000 EUR erfassen. Alle Werbungskosten kann sie jedoch nur noch zu 40 % – nämlich im Umfang der entgeltlichen Vermietung – absetzen. Das bedeutet, dass bei Oma Erna effektiv 60 % der entstehenden Werbungskosten infolge der verbilligten Vermietung nicht mehr abzugsfähig sind.
2.2 Problem 2: Verbilligte Vermietung als Schenkung?
Als Zweites stellt sich die Frage, ob die verbilligte Vermietung als Schenkung anzusehen ist. Auch wenn das Zivilrechtlich differenziert und unentgeltliche bzw. verbilligte Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen häufig als Leihe beurteilt (BGH 11.7.07, V ZR 218/06), geht das Steuerrecht einen anderen Weg. Denn gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegen der Schenkungsteuer nicht nur zivilrechtliche Schenkungen, sondern auch alle anderen freigebigen Zuwendungen, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (BFH 2.3.94, II R 59/92). Voraussetzung für einen schenkungssteuerbaren Tatbestand ist daher, dass drei Tatbestände erfüllt werden:
- 1. Der Wille des Schenkers zur „Freigebigkeit“
- 2. Die objektive Bereicherung des Beschenkten
- 3. Die objektive Entreicherung des Schenkers
Die ersten beiden Tatbestände werden im Musterbeispiel mit der verbilligten Vermietung unstrittig erfüllt. Zum einen ist die Freigebigkeit von Oma Erna deutlich erkennbar, denn sie vermietet aus freien Stücken verbilligt an ihren Urenkel. Zum anderen liegt auch eine objektive Bereicherung des Urenkels vor. Denn infolge der verbilligten Vermietung muss er lediglich monatlich 1.000 EUR und nicht die ortsüblichen 2.500 EUR für das Einfamilienhaus bezahlen, um dieses zu nutzen.
2.2.1 Gretchenfrage: Objektive Entreicherung des Schenkers?
Fraglich und entscheidend für die Schenkungsteuer ist daher nur, ob eine Entreicherung von Oma Erna gegeben ist. Eine Entreicherung beruht zwar klassischerweise auf der unentgeltlichen Übertragung von Vermögenssubstanz – zum Beispiel durch die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück. Eine Entreicherung kann aber auch durch die unentgeltliche Gewährung eines Vermögensverbrauchs – also der Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit – entstehen (BFH 30.3.94, II R 105/93). Hintergrund für diese Beurteilung ist, dass der Schenker bei Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit auf den Ertrag verzichtet, welchen er üblicherweise erhalten hätte. Oder mit anderen Worten: Eigentlich handelt es sich doch bloß um einen abgekürzten Zahlungsweg. Oma Erna hätte ja auch für 2.500 EUR an ihren Urenkel vermieten und diesem monatlich 1.500 EUR schenken können. Saldiert verbleibt nun die Miete von 1.000 EUR.
2.2.2 Keine höchstrichterliche Rechtsprechung
Soweit ersichtlich, wurde die vorliegende Fallkonstellation bisher nicht vom BFH entschieden. Allerdings lassen sich aus der Rechtsprechung der Finanzgerichte Erkenntnisse zur steuerlichen Beurteilung erlangen. So entschied das FG München (22.3.06, 4 K 1631/04), dass die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung zur Mitbenutzung durch einen Dritten nicht zu einer Entreicherung führt, wenn zugleich auch der Eigentümer der Wohnung die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Die Aufnahme eines Partners oder von Kindern in die eigene Wohnung stellt demnach keine der Besteuerung unterliegende Schenkung dar.
Beachten Sie | Diese Konstellation liegt in unserem praktischen Fall aber nicht vor. Denn das Einfamilienhaus soll nicht von dem Urenkel zusammen mit Oma Erna genutzt werden, sondern nur vom Urenkel alleine. Würde allerdings Oma Erna mit in das Haus einziehen, wäre nach Auffassung des FG München keine Schenkung gegeben.
Das FG Rheinland-Pfalz (18.4.02, 4 K 1869/01) hat in einer anderen Konstellation entschieden, dass ein nach dem Tod des Eigentümers einem Dritten eingeräumtes unentgeltliches Nutzungsrecht eine steuerpflichtige Schenkung darstellt, weil der Dritte nach dem Tod des Eigentümers die Wohnung aus eigenem Recht und damit unabhängig von dem Erben als neuem Eigentümer nutzen kann. Die Besteuerung erfolgt in dieser Konstellation aber erst zum Zeitpunkt des Todes, weil der Dritte erst dann das Nutzungsrecht erlangt.
Beachten Sie | Auch diese Konstellation erfüllt der Musterfall nicht, weil der Urenkel bereits zu Lebzeiten von Oma Erna in das Haus einziehen kann.
Nach Auffassung der Gerichte liegt eine Schenkung nur vor, wenn nach der Verwendungsplanung des Eigentümers andernfalls eine erwerbswirtschaftliche Nutzung erfolgt wäre. Diese Voraussetzung wird erfüllt, weil Oma Erna ohne Interesse des Urenkels an dem Objekt dieses an einen Dritten vermietet hätte.
2.2.3 Parallele zur „Zinsschenkung“
Anders als zur verbilligten Vermietung hat der BFH jüngst über einen Fall der verbilligten Darlehensgewährung entschieden (31.7.24, II R 20/22). Im Streitfall gewährte die Schwester ihrem Bruder ein unbefristetes und mit jährlich 1 % zu verzinsendes Darlehen über 1.875.768,05 EUR. Diesen Sachverhalt beurteilte der BFH als Schenkung, weil die Schwester auf einen Teil des Ertrags verzichtete, den sie bei verkehrsüblichem Verhalten aus dem Kapital gezogen hätte. Denn nach Ermittlungen des Gerichts lag der Zinssatz für vergleichbare Darlehen im Streitjahr bei effektiv 2,81 % – und die Schwester forderte von ihrem Bruder nur 1 %. Der jährlich als Schenkung zu erfassende Zinsvorteil betrug deshalb 33.951,40 EUR, nämlich 1.875.768,05 EUR multipliziert mit der Zinssatzdifferenz von 1,81 % (Differenz zwischen 2,81 und 1 %).
Weil der Darlehensvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde, sah der BFH allerdings keine jährliche Schenkung über 33.391,40 EUR. Vielmehr wandte er § 13 Abs. 2 Hs. 2 BewG an und ermittelte eine einmalige Schenkung über 315.748,02 EUR. Denn der Jahreswert war aufgrund der unbestimmten Darlehenslaufzeit mit einem Vervielfältiger von 9,3 zu multiplizieren. Von den 315.748,02 EUR zog der BFH noch den schenkungsteuerlichen Freibetrag zwischen Geschwistern von 20.000 EUR ab, sodass endgültig 295.748 EUR der Schenkungsteuer unterlagen. Die Schenkungsteuer ermittelte der BFH sodann mit 59.140 EUR.
3. Fazit für den Musterfall
Auch wenn der BFH bisher nicht höchstrichterlich entschieden hat, ob aus der unentgeltlichen bzw. hier verbilligten Vermietung eine steuerpflichtige Schenkung resultiert, sprechen gute Gründe dafür – vor allem im Vergleich mit der vom BFH bereits als Schenkung beurteilten verbilligten Darlehensgewährung. Im Ergebnis kann der Musterfall nicht anders zu beurteilen sein, als wenn Oma Erna das Einfamilienhaus an ihren Urenkel für monatlich 2.500 EUR vermietet und ihm jeden Monat die Differenz von 1.500 EUR geschenkt hätte. Konsequenterweise ist deshalb im Musterfall eine Schenkung zu sehen, welche mit der Differenz zwischen der ortsüblichen Miete (2.500 EUR) zu der tatsächlich vereinbarten Miete (1.000 EUR) zu bewerten ist und monatlich 1.500 EUR beträgt. Zu diesem Ergebnis kommen auch andere Stimmen der Fachliteratur (z. B. Hartmann, ErbStB 08, 6 ff.; Steiner, ErbStB 07, 110 ff. und Neufang, StB 18, 261 ff.).
Fraglich ist allenfalls, ob die Schenkung Monat für Monat mit 1.500 EUR entsteht (so zum Zufluss als Arbeitslohn: BFH 19.8.04, VI R 33/97) oder ob sie auf Grundlage des unbefristeten Mietvertrags – ähnlich wie im Urteil des BFH bzgl. der unbefristeten verbilligten Darlehensgewährung – auf Basis des § 13 Abs. 2 Hs. 2 BewG mit einmalig dem 9,3-Fachen des Jahreswerts anzusetzen ist. Das wären dann einmalig 167.400 EUR (1.500 EUR × 12 Monate × 9,3). In jedem Fall ist von der Schenkung aber noch der persönliche Freibetrag abzuziehen. Dieser beträgt bei dem Urenkel von Oma Erna immerhin 100.000 EUR (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).
Antrag auf verbindliche Auskunft im Vorfeld zu erwägen Praxistipp | Ist eine verbilligte Vermietung geplant und soll vorab rechtssicher geklärt werden, ob die Finanzverwaltung hierin eine steuerbare Schenkung sieht oder nicht, bietet es sich an, vor Verwirklichung des Sachverhalts dem Finanzamt den geplanten Sachverhalt mit eigener Rechtsauffassung zu schildern und einen kostenpflichtigen Antrag auf verbindliche Auskunft zu stellen (§ 89 Abs. 2 AO). Wurde der Sachverhalt hingegen bereits verwirklicht, kann die Möglichkeit einer verbindlichen Auskunft nicht mehr genutzt werden. |
AUSGABE: ErbBstg 9/2025, S. 222 · ID: 50433035