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ErbfallEintritt des Erbfalls – welche einkommensteuerlichen Rechtsfolgen muss man im Blick haben?
| Verstirbt der Erblasser unerwartet, stellt sich zunächst die Frage, welche einkommensteuerlichen Folgen sich hieraus für die Erben ergeben. Ein Blick in die Rechtsprechung zeigt, dass in diesem Zusammenhang noch nicht alle möglichen Fallgestaltungen abschließend geklärt sind. Dies macht insbesondere eine aktuelle Entscheidung des FG Sachsen-Anhalt (24.7.24, 1 K 903/21, EFG 25, 853) deutlich, auf die nachfolgend im Einzelnen noch eingegangen wird. In jedem Fall ist zwischen der Einkünfteebene und der Privatebene des Erblassers strikt zu unterscheiden. |
1. Einkünfteebene des Erblassers
1.1 Allgemeine Grundsätze
Mit Eintritt des Erbfalls tritt der Erbe in die Fußstapfen des Erblassers (§ 45 AO), der gesamte Nachlass geht unentgeltlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben über (§ 1922 BGB). Im Einkünftebereich hat dies zur Folge, dass dem Erben die Gewinneinkünfte und auch die Überschusseinkünfte, die der Erblasser erzielt hat, ab sofort zuzurechnen sind (BMF 14.3.06, IV B 2 – S 2242 – 7/06, BStBl. I 2006, 253 Rn. 3 und 6). Dies bedeutet, dass er nun die bislang vom Erblasser erzielten Einkünfte zu versteuern hat und er z. B. berechtigt ist, die vom Erblasser begonnene Abschreibung von Wirtschaftsgütern (z. B. von Gebäuden) im Rahmen der vom Erblasser in Anspruch genommenen AfA-Vorschriften fortzusetzen.
1.2 Gesetzliche Regelungen und Besonderheiten
Auf den Erbfall anwendbare Regelungen ergeben sich sowohl aus dem Gesetz als auch aus der Rechtsprechung.
- Für den unentgeltlichen Erwerb von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens (z. B. Gebäuden) regelt § 11d EStDV die Fortsetzung der AfA des Rechtsvorgängers durch den Rechtsnachfolger.
- Im Bereich des § 23 EStG hat der Gesetzgeber in § 23 Abs. 1 S. 3 EStG angeordnet, dass bei unentgeltlichem Erwerb dem Einzelrechtsnachfolger für Zwecke der Anwendung des § 23 EStG die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen ist. Entsprechendes gilt bei der Gesamtrechtsnachfolge (BFH 12.7.88, IX R 149/83, BStBl II 1988, 942).Besondere „Nachfolgeregel“ in § 23 EStG
- Besonderheiten gelten auch für dem Erblasser entstandene und nach § 82b EStDV gleichmäßig auf mehrere Jahre verteilte Erhaltungsaufwendungen. Hat der Steuerpflichtige die Regelung des § 82b EStDV in Anspruch genommen und verstirbt er innerhalb des Verteilungszeitraums, ist der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen nach einer Entscheidung des BFH (10.11.20, IX R 31/19, BStBl II 21, 474) im Veranlagungsjahr des Versterbens als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen.Steuerfolgen beim Tod des Erblassers innerhalb des Verteilungszeitraums
- Beachten Sie | Der Unterschied zur Fortführungsmöglichkeit bei der AfA besteht in dem Umstand, dass die vom Erblasser getragenen und bei diesem abgeflossenen Aufwendungen dessen persönliche Leistungsfähigkeit sofort gemindert haben und er sie – hätte er nicht von der Wahlmöglichkeit des § 82b EStDV Gebrauch gemacht – auch sofort als Werbungskosten hätte abziehen können. Daher sind sie bei Inanspruchnahme des § 82b EStDV spätestens im Veranlagungszeitraum des Versterbens als Werbungskosten noch beim Erblasser abziehbar.Abzug noch beim Erblasser im VZ des Todesjahres
- Entsprechend ist zu verfahren, wenn der Nießbraucher größeren Erhaltungsaufwand unter Anwendung der Regelung des § 82b EStDV gleichmäßig auf zwei bis fünf Jahre verteilt und vor Ablauf des Verteilungszeitraums verstirbt. In diesem Fall ist der noch nicht in Anspruch genommene Restbetrag beim Nießbraucher in der Einkommensteuererklärung für das Todesjahr als Werbungskosten abzuziehen (BFH 13.3.18, IX R 22/17, BFH/NV 18, 824).Handhabung auch auf Nießbrauchsfälle anzuwenden
2. Privatebene des Erblassers
2.1 Allgemeine Grundsätze
Fraglich ist, ob die im Bereich der Einkünfteermittlung geltende Fußstapfentheorie auch außerhalb der Einkünfteerzielung gilt. Der Große Senat des BFH hat dies bereits vor Jahren für die Fortführung des Verlustabzugs nach § 10d EStG durch den Rechtsnachfolger verneint. Als Begründung hat er angeführt, dass die Einkommensteuer als Personensteuer die im Einkommen zutage tretende Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Person erfasst. Das heißt, die einzelne natürliche Person ist das Zurechnungssubjekt der von ihr erzielten Einkünfte (§ 2 Abs. 1 EStG). Die persönliche Steuerpflicht erstreckt sich auf die Lebenszeit einer Person; sie endet mit ihrem Tod. In diesem Fall ist die Veranlagung auf das bis zum Tod erzielte Einkommen zu beschränken.
Die klare Botschaft: Erblasser und Erbe sind verschiedene Rechtssubjekte, die jeweils für sich zur Einkommensteuer herangezogen werden und deren Einkünfte getrennt ermittelt und dem jeweiligen Einkommensteuerrechtssubjekt zugerechnet werden (BFH 17.12.07, GrS 2/04, BStBl II 08, 608).
2.2 Die Entscheidung des FG Sachsen-Anhalt zu § 10f EStG
Aktuell hatte das FG Sachsen-Anhalt darüber zu entscheiden, ob dann, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums im Rahmen des § 10f EStG verstirbt, der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger zum weiteren Sonderausgabenabzug berechtigt ist, sofern er das Objekt zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Das FG hat die Möglichkeit der Fortführung der Abzugsbeträge durch den Gesamtrechtsnachfolger verneint (FG Sachsen-Anhalt 24.7.24, 1 K 903/21, Abruf-Nr. 248331).
Nach Auffassung des FG hat der (zukünftige) Abzug der Aufwendungen nach § 10f EStG zwar eine potenzielle Vermögensqualität beim Erblasser, allerdings kann aus der dem Erblasser zustehenden Berechtigung zum Abzug der von ihm getragenen Aufwendungen noch nicht auf deren Vererblichkeit geschlossen werden. Hierfür sind vielmehr die Prinzipien und grundlegenden Wertungen des Einkommensteuerrechts heranzuziehen. Hieraus ergibt sich, dass die vom Erblasser wie Sonderausgaben abgezogenen Aufwendungen nicht auf den Erben übergehen.
Denn § 10f EStG gehört zu den Vorschriften über den Sonderausgabenabzug. In diesem Bereich hat der BFH bereits die Fortführung eines Verlustabzugs nach § 10d EStG durch den Erben verneint (BFH 17.12.07, GrS 2/04). Da § 10f EStG auch keine AfA-Vorschrift ist, kommt auch die „Fußstapfen-Theorie“ des § 11d EStDV nicht zur Anwendung. Das FG hält auch eine analoge Anwendung des § 11d EStDV für nicht möglich, da es sich bei dieser Vorschrift nicht um einen allgemeinen Grundsatz des Einkommensteuerrechts, sondern um eine vom Regelsystem abweichende Ausnahmevorschrift handelt.
Letztlich spricht nach Auffassung des FG auch die vorstehend unter 1.2 aufgeführte Rechtsprechung des BFH zu § 82b EStDV gegen eine Fortführung der Abzugsbeträge nach § 10f EStG durch den Erben.
3. Relevanz für die Praxis
Die vom FG entschiedene Frage ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und wird im Schrifttum unterschiedlich betrachtet. Meines Erachtens spricht für eine Fortführung durch den Erben der Umstand, dass der Erblasser – im Gegensatz zu den zu § 82b EStDV vom BFH entschiedenen Fällen – keine Möglichkeit des Sofortabzugs der Aufwendungen hatte, die zwingend nach § 10f EStG über zehn Jahre zu verteilen sind. Insoweit besteht zumindest eine Vergleichbarkeit mit der Fortführung von Abschreibungen durch den Erben.
Andererseits hat der Große Senat des BFH die Fortführung eines bei Ableben des Erblassers noch bestehenden Verlustvortrags (§ 10d EStG) mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um Aufwendungen, die die persönliche Leistungsfähigkeit des Erblassers betreffen, die nur bis zu seinem Ableben einkommensteuerlich von Bedeutung ist und nicht auf den Erben „übergehen“ kann.
Da gegen die Entscheidung Revision eingelegt wurde (BFH X R 23/24), sollten eventuell betroffene Steuerpflichtige gegen ablehnende Bescheide vorsichtshalber Einspruch einlegen und auf die gesetzliche Verfahrensruhe (§ 363 Abs. 2 S. 2 AO) verweisen, sodass der Fall bis zur Entscheidung des BFH offengehalten wird.
AUSGABE: ErbBstg 9/2025, S. 232 · ID: 50507151