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AuslegungsgrundsätzeBindungswirkung: Auswirkungen der Scheidung auf im Erbvertrag getroffene Verfügungen
| Das OLG Zweibrücken hatte sich in seiner Entscheidung vom 10.3.25 (8 W 19/24) mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen eine erbvertragliche Verfügung in einem Erbvertrag künftiger Ehegatten mit der Scheidung der Ehe hinfällig wird. |
Sachverhalt
E und F schlossen im Vorfeld ihrer geplanten Heirat einen Ehe- und Erbvertrag. In dem Erbvertrag, in dessen Präambel auf die „demnächst beabsichtigte Heirat“ hingewiesen wurde, setzte der E die Tochter T seiner künftigen Ehefrau zu seiner Alleinerbin ein, belastet mit einem Wohnungsrechtsvermächtnis zugunsten der F. In dem Erbvertrag behielt sich der E den jederzeitigen Rücktritt von diesem Erbvertrag vor. Weiter heißt es: „Es ist uns bekannt, dass wir die vorstehenden Vereinbarungen nur im gegenseitigen Einvernehmen noch abändern oder aufheben können, soweit das Abänderungsrecht des Überlebenden von uns nicht ausdrücklich vorbehalten worden ist. In diesem Bewusstsein nehmen wir unsere Erklärungen gegenseitig zur erbvertraglichen Bindung an.“
Die Ehe von E und F wurde später geschieden. Nachdem der E verstorben war, beantragte die N (eine Nichte des E als nächste Verwandte) die Erteilung eines Erbscheins, der sie aufgrund der gesetzlichen Erbfolge als Alleinerbin des Erblassers ausweisen soll. Dem ist die T entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, dass ihre Einsetzung zur Erbin in dem Erbvertrag weiterhin wirksam sei, da einerseits der Erbvertrag unabhängig vom Ehevertrag gewesen sei und die Erbeinsetzung im Übrigen nicht wechselseitig, sondern einseitig erfolgt sei.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entschied zugunsten der N, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Der Erbvertrag sei durch die erfolgte Scheidung der Ehe auch insoweit unwirksam geworden, als der E darin die T zu seiner alleinigen Erbin bestimmt hat (OLG Zweibrücken 10.3.25, 8 W 19/24, Abruf-Nr. 248237).
Nach der Vorschrift des § 2077 BGB – die über die Verweisung in § 2279 Abs. 1 BGB auch für Erbverträge gilt – wird ein gemeinschaftliches Testament im Falle der Scheidung der Ehe grundsätzlich seinem ganzen Inhalt nach unwirksam. Weiter bestimmt § 2279 Abs. 2 BGB, dass die Vorschrift des § 2077 BGB auch insoweit für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten, Lebenspartnern oder Verlobten gilt, als darin ein Dritter bedacht ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Einsetzung der T um eine „wechselseitige Verfügung“ handelt. Denn für einen Erbvertrag wird gerade nicht vorausgesetzt, dass die Vertragschließenden „wechselseitige Verfügungen“ treffen.
Vielmehr besagt § 2278 Abs. 1 BGB, dass „in einem Erbvertrag … jeder Vertragschließende vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen treffen“ kann. Die Frage, ob eine Verfügung sich als „vertragsmäßige Verfügung“ darstellt, ist zunächst Sache der Vertragschließenden, die dies vereinbaren können. Haben die Vertragschließenden im Erbvertrag ausdrücklich festgestellt, dass eine Verfügung vertragsmäßig getroffen sein soll, bleibt für eine abweichende Auslegung regelmäßig kein Raum.
Merke | Dass sich der E in dem Erbvertrag den jederzeitigen Rücktritt vorbehalten hat, spricht dabei nicht gegen eine erbvertragliche Bindung. Denn diese Möglichkeit wird in § 2293 BGB ausdrücklich vorgesehen. Zudem spricht der Rücktrittsvorbehalt gerade dafür, dass eine vertragsmäßige Verfügung gewollt ist, da nur bei einer vertragsmäßigen Verfügung die Vereinbarung eines Rechts zum Rücktritt vom Vertrag Sinn ergibt. Bei einem einseitig vereinbarten Änderungsvorbehalt bedarf es eines Rücktritts vom Vertrag gerade nicht. Somit ist gemäß §§ 2279 Abs. 2, 2077 Abs. 1 BGB infolge der späteren Scheidung des E von der F grundsätzlich auch die Einsetzung der T als alleinige Erbin unwirksam geworden. |
Nach Auffassung des Gerichts konnte hier nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass der E die Einsetzung der T auch für den Fall der Auflösung der Ehe getroffen hätte. Die Feststellungslast für die Voraussetzungen des § 2077 Abs. 3 BGB trifft die T, die sich auf den Fortbestand der Erbeinsetzung trotz der Scheidung der Ehe beruft. Auch der Umstand, dass E auch nach der Scheidung einen ausdrücklichen Rücktritt vom Erbvertrag nicht erklärt hat, besagt nicht, dass er die Erbeinsetzung der T bei Abschluss des Erbvertrages auch für den Fall der Auflösung der Ehe gewollt hätte. Vielmehr durfte er aufgrund der Auflösung der Ehe von der Unwirksamkeit des Erbvertrages ausgehen, weshalb er keinen Anlass hatte, den Rücktritt vom Erbvertrag zu erklären.
Relevanz für die Praxis
Schließen (künftige) Ehegatten einen Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament, sollte immer eine Regelung für das Scheitern der Ehe aufgenommen werden. Zwar führt die Anwendung der Regelung des § 2077 BGB im Falle der Ehescheidung zur Unwirksamkeit der Erbeinsetzung. Dies allerdings nur im Zweifel, nämlich dann nicht, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch für einen solchen Fall getroffen haben würde (§ 2077 Abs. 3 BGB). Diese Zweifelsregelung führt immer wieder zu (vermeidbaren) Rechtsstreitigkeiten.
Im Besprechungsfall scheint es nicht ausgeschlossen, dass der E die Erbeinsetzung der T auch für den Fall des Scheiterns der Ehe getroffen hat. Schließlich war er selbst kinderlos und mag zu seiner späteren Stieftochter eine engere Beziehung gehabt haben als zu seiner Nichte N. Nur konnte die T dies hier nicht beweisen. Wenn sich der Erblasser mit der Frage beschäftigt, wie es sich mit seiner Verfügung im Falle der Ehescheidung verhält, wird er sich im Falle der Unwirksamkeit der Verfügung im Scheidungsfall möglicherweise die Frage nach einem Ersatzerben stellen.
AUSGABE: ErbBstg 6/2025, S. 135 · ID: 50419170