FeedbackAbschluss-Umfrage
CBChefärzteBrief

PatientenversorgungRefinanzierungsmöglichkeiten für die Ernährungsmedizin

Abo-Inhalt25.11.20244 Min. LesedauerVon Alexandra Buba M. A., Wirtschaftsjournalistin, Fuchsmühl

| In Deutschland sind 20 bis 30 Prozent aller Krankenhauspatientinnen und -patienten von Mangelernährung betroffen – die meist unbehandelt bleibt. Die Folgen sind drastisch: Die Sterblichkeit mangelernährter Patientinnen und Patienten ist um das Dreifache erhöht, und die stationären Mehrkosten belaufen sich jährlich auf bis zu 8,6 Mrd. Euro. Doch es gibt Lösungsansätze, die vor allem auf mehr Geld zielen. |

Verpflichtende Screenings für alle Krankenhäuser gefordert

Wenn in deutschen Krankenhäusern von Mangelernährung die Rede ist, dann betrifft dies in der Regel ältere und chronisch kranke Patientinnen und Patienten – aber nicht nur. Denn auch Kinder und Jugendliche sind in einer insgesamt übergewichtigen Gesellschaft betroffen, und die Folgen für sie sind noch deutlich gravierender. Auf diese Befunde weist die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) hin und fordert Maßnahmen zur Bekämpfung der Mangelernährung.

Dazu zählen in erster Linie ein verpflichtendes Screening, das Ernährungsteams durchführen, aber auch eine Qualitätskontrolle und Standards. Dr. med. Gert Bischoff, Präsident der DGEM, leitender Arzt am „Zentrum für Ernährungsmedizin und Prävention – ZEP“, Department Innere Medizin I am Krankenhaus Barmherzige Brüder München, wies im Rahmen einer Pressekonferenz zur „Malnutrition Awareness Week 2024“ darauf hin, dass kein Mangel an ausgebildeten Ernährungsmedizinerinnen und -medizinern bestehe. „Die Krankenhäuser würden es gern machen, aber sie haben keine Mittel für die Etablierung eines Ernährungsteams“, so Bischoff, „80 Prozent schreiben rote Zahlen“.

Sind Qualitätsverträge eine Refinanzierungsmöglichkeit?

Dadurch entstehe eine echte Versorgungslücke, die wiederum den Krankenkassen erlaubt, sogenannte Qualitätsverträge mit Kliniken abzuschließen, die auf diese Weise erstmals eine Finanzierung für ihre ernährungsmedizinischen Leistungen finden. Allerdings sei diese als Projekt nur bis 2027 vorgesehen, danach evaluiert und entscheidet der GBA. „Derzeit nutzen nur wenige Kliniken diese Möglichkeit, die Bürokratie ist auch nicht ohne“, so Bischoff.

Qualitätsverträge für Mangelernährung wurden Anfang 2024 mit dem Ziel etabliert, die Versorgung von Patientinnen und Patienten in einem bestimmten Leistungsbereich zu verbessern und dies dann gegebenenfalls später in die Regelversorgung zu überführen. Dazu erfolgt zunächst für sechs Monate eine sogenannte Nullzeitmessung. Hierbei werden im Wesentlichen der Status quo und die damit verbundene Versorgungsqualität erhoben.

Im Anschluss werden dann für 24 Monate die sogenannten Interventionsmessungen durchgeführt. Hier wird untersucht, wie sich ein flächendeckendes Screening auf Mangelernährung und ein standardisierter Behandlungspfad auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten im Krankenhaus auswirken. Für ihre Teilnahme an einem Qualitätsvertrag erhalten die Krankenhäuser von den teilnehmenden Krankenkassen entsprechende Entgelte, die ihnen helfen, ihre ernährungsmedizinischen Leistungen zu refinanzieren.

Ernährungsanamnese bei allen Neuzugängen als Best-Practice-Model

Wie Ernährungsmedizin in den Krankenhausalltag integriert werden kann, zeigt das Beispiel der Vivantes-Kliniken in Berlin. Professor Dr. med. Diana Rubin, Vorstandsmitglied der DGEM, Chefärztin am Zentrum für Ernährungsmedizin und Diabetologie am Vivantes Humboldt-Klinikum und Klinikum Spandau, Berlin, berichtete von der gelebten Praxis des Ernährungs-Screenings aller neu aufgenommenen Patientinnen und Patienten durch das Pflegepersonal dort.

Ergeben sich aus der Ernährungsanamnese Auffälligkeiten, die bepunktet sind, erfolgt eine entsprechende Beratung und Therapie in Form einer besonderen Kost, die den Kalorienbedarf deckt. Grundsätzlich sei diese mit den fünf Euro pro Tag und Patient, die den Kliniken zur Verfügung stehen, machbar. Eine wichtige Stellschraube sei die Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Diese seien bei den Vivantes-Kliniken auf 180 Gramm pro Tag und Person vom vormals dreifachen Wert gesunken. Gelungen sei dies mit der Umstellung der Menü- auf die Komponentenwahl.

Bei all diesen Ansätzen müsse aber klar sein, dass die Politik dringend handeln und eine dauerhafte, verlässliche Refinanzierung der Ernährungsmedizin in deutschen Krankenhäusern schaffen muss. „Erst dann kann es gelingen, den jährlich 55.000 vermeidbaren Todesfälle wirksam zu begegnen“, so Bischoff, „und außerdem über acht Milliarden Folgekosten, die durch Komplikationen und Wiederaufnahmen entstehen, zu vermeiden.“

Diese Forderungen stellen Fachgesellschaften an die Politik

Ein Bündnis von 25 medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland hatte zuletzt in einer Stellungnahme zur Krankenhausreform gefordert, ein verpflichtendes Screening auf Mangelernährung und eine leitliniengerechte Ernährungstherapie in der klinischen Behandlung gesetzlich zu verankern und zu vergüten. Erfolgt ist das bislang nicht.

Einen Schritt weiter dagegen ist man beim Thema „Sichtbarkeit“: Um ernährungsmedizinisch qualifizierte Krankenhäuser besser auffindbar zu machen, haben die DGEM und die Deutsche Akademie für Ernährungsmedizin (DAEM e. V.) zusammen in diesem Jahr die Plattform „nutriZert“ gegründet. Krankenhäuser können sich objektiv und neutral zertifizieren lassen und anschließend ihre Kompetenzen darstellen.

AUSGABE: CB 12/2024, S. 18 · ID: 50241154

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte