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CBChefärzteBrief

WahlleistungenPrivate Krankenversicherungen machen mobil – Risiken für die Abrechnung von Wahlleistungen?

Abo-Inhalt28.11.20249 Min. LesedauerVon RA, FA für ArbR und MedR Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover

| In der Abrechnung ärztlicher Wahlleistungen ist der Chefarzt mit Liquidationsrecht längst durch eine Reihe anderer Vergütungsmodelle abgelöst worden – sehr zum Missfallen der privaten Krankenversicherungen (PKVen). Sie haben jetzt eine Reihe von Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe anhängig gemacht, diese Entwicklung grundlegend zu ändern. Dieser Beitrag erläutert, worum es geht und was Chefärzte und Krankenhausträger tun können, um sich abzusichern, wenn der BGH über die Anliegen der Revisionskläger positiv entscheiden sollte. Mit Entscheidungen des BGH ist erst ab der zweiten Hälfte 2025 zu rechnen. Bis dahin bleibt genügend Zeit, sich auf unliebsame Entscheidungen vorzubereiten. |

Diese Entwicklungen in der Privatliquidation sind Kostenträgern ein Dorn im Auge

Auch wenn der Chefarzt mit Liquidationsrecht bei ärztlichen Wahlleistungen derzeit überwiegend der Vergangenheit angehört, profitieren Chefärzte über die Beteiligungsvergütung immer noch erheblich von den Einnahmen des Krankenhausträgers aus der Privatliquidation bei stationären Krankenhausbehandlungen. Wahlärzte können derzeit mit einer ganzen Reihe ständiger ärztlicher Vertreter arbeiten, wenn sie ihren Zuständigkeitsbereich so aufteilen, dass jeder dieser Ärzte alleiniger ständiger ärztlicher Vertreter für einen Teil ihres Zuständigkeitsbereichs wird. Im Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen können Wahlärzte sich unter bestimmten Umständen vertreten lassen. All dies ist den PKVen seit Längerem ein Dorn im Auge.

Worum geht es in den Revisionsverfahren?

In den Revisionsverfahren greifen die PKVen gleich mehrere Entwicklungen in der Liquidation von Wahlleistungen an. Sie führen dabei folgende Behauptungen ins Feld.

1. „Das Liquidationsrecht ist originäres Recht der Chefärzte!“

Ein Teil der Revisionsverfahren befasst sich mit der Frage, wer das Liquidationsrecht bei wahlärztlichen Leistungen ausüben darf. Die Revisionskläger vertreten die Auffassung, dass die Ausübung des Liquidationsrechts das originäre Recht der Chefärzte ist und man zu dem Zustand zurückkehren müsse, wo dies früher gängige Praxis war. Krankenhausträger seien nicht berechtigt, das Liquidationsrecht bei wahlärztlichen Leistungen auszuüben.

Die Landes- und Oberlandesgerichte haben die Ausübung des Liquidationsrechts durch den Krankenhausträger bisher durchweg akzeptiert. Der BGH hat sich zu dieser Frage bislang nicht eindeutig geäußert bzw. sie offengelassen.

Vor diesem Hintergrund ist der Ausgang der Verfahren – es handelt sich um mehrere Revisionen – relativ offen. Sollte der BGH die Revisionskläger bestätigen, hätte dies erhebliche Konsequenzen. Vermutlich müssten mehr als 90 Prozent der Chefarztverträge bundesweit geändert werden. Krankenhausträger, die bislang das Liquidationsrecht bei wahlärztlichen Leistungen ausgeübt haben, müssten mit Rückforderungen vonseiten der PKVen rechnen.

2. „Mehrere ständige ärztliche Vertreter sind nicht zulässig!“

In einem weiteren Revisionsverfahren geht es um die Zahl der ständigen ärztlichen Vertreter, die ein Wahlarzt haben darf und darum, wie transparent die Aufteilung seines Zuständigkeitsbereichs auf mehrere ständige ärztliche Vertreter sein muss. Die PKVen berufen sich darauf, dass in der GOÄ (§§ 4 Abs. 3, 5 Abs. 5) nur von einem ständigen ärztlichen Vertreter pro Wahlarzt die Rede ist, sodass mehrere Vertreter nicht zulässig seien. Sollte man mehrere Vertreter als zulässig ansehen, müsse die Aufteilung des Zuständigkeitsbereichs des Wahlarztes zumindest transparent sein, damit der Patient sehen kann, welcher ständige ärztliche Vertreter im Vertretungsfall für ihn zuständig ist.

Falls der BGH hier der Rechtsauffassung der PKVen folgt, hätte dies ebenfalls erhebliche Konsequenzen. Es wäre dann damit zu rechnen, dass PKVen die Liste der Wahlärzte und ihrer ständigen ärztlichen Vertreter daraufhin überprüfen, ob Rückforderungsansprüche mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden können und diese dann auch zu realisieren versuchen.

3. „In der Vertretungsvereinbarung müssen bei vorhersehbarer Verhinderung der Grund und die Dauer der Verhinderung angegeben sein!“

Ein drittes Revisionsverfahren befasst sich mit dem Inhalt der individuellen Vertretungsvereinbarung. Konkret geht es um den Fall, dass der Wahlarzt vorhersehbar verhindert ist, die wahlärztlichen Leistungen in ihrem Kernbereich persönlich zu erbringen. Die PKVen sind der Auffassung, dass der Grund und die Dauer der Verhinderung angegeben werden müssen. Der BGH und die überwiegende Rechtsprechung der Instanzgerichte gehen bislang davon aus, dass dies nicht notwendig ist. Die Revisionskläger wollen hier eine Änderung erreichen, wobei es wohl insbesondere um die Gründe für die Verhinderung des Wahlarztes geht. Die Kostenträger wollen hier offensichtlich entscheiden können, welche Gründe sie akzeptieren werden und welche nicht.

Sollten die Kläger Erfolg haben, werden alle Vertretungsvereinbarungen, die derzeit in bundesdeutschen Krankenhäusern in Gebrauch sind, um Grund und Dauer der Verhinderung des Wahlarztes ergänzt werden müssen. Anschließend ist mit einer Vielzahl von Folgeverfahren zu rechnen, in denen es darum gehen wird, ob die Vertretung jeweils im Einzelfall zulässig war oder nicht.

4. „Eine ‚gewünschte Vertretung‘ ist nicht zulässig!“

Streitgegenstand eines weiteren Revisionsverfahrens ist die sog. „gewünschte Vertretung“, die nach Urteilen des Landgerichts (LG) Regensburg (CB 07/2022, Seite 3 ff.) und des LG Münster (CB 08/2024, Seite 9 ff.) zulässig sein sollen. Bei der „gewünschten Vertretung“ wäre der Wahlarzt eigentlich präsent, der Patient möchte aber ausdrücklich von einem anderen Arzt behandelt werden und soll dafür ein Honorar für wahlärztliche Leistungen entrichten. Die o. g. Landgerichte haben dies unter eng begrenzten Voraussetzungen als zulässig angesehen, wenn der „gewünschte Vertreter“ entweder besonders qualifiziert ist oder eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen dem Vertreter und dem Patienten besteht.

Wenn der BGH die Auffassung der Instanzgerichte bestätigt, ergeben sich damit unter bestimmten Voraussetzungen weitere Abrechnungsmöglichkeiten. Sollte diese Rechtsprechung dagegen verworfen werden, entfallen diese.

So können Wahlärzte und Krankenhausträger schon jetzt auf die Revisionsverfahren reagieren

Der Ausgang der Revisionsverfahren beim BGH ist noch offen und es ist derzeit reine Spekulation, wie der BGH in dem einem oder dem anderen Fall entscheiden wird. Gleichwohl gibt es Möglichkeiten, wie Wahlärzte und Krankenhausträger sich auf unliebsame Urteile vorbereiten können.

1. Überprüfen Sie Ihre Wahlleistungsvereinbarungen!

Sollte der BGH zu dem Ergebnis kommen, dass Krankenhausträger das Liquidationsrecht nicht ausüben dürfen, ist davon auszugehen, dass die Kostenträger zumindest versuchen werden, sich die in den Fällen, wo der Krankenhausträger das Liquidationsrecht ausgeübt hat, gezahlte Vergütungen für wahlärztliche Leistungen von den Kliniken zurückzuholen. An die Beteiligungsvergütung, die die Wahlärzte bekommen haben, dürfte für die Kostenträger eher schwierig heranzukommen sein.

Hier wäre die Frage zu klären, ob die Krankenhausträger sich das Geld von ihren Wahlärzten zurückholen können. Um diese Konstellation zu vermeiden, sollten bestehende Wahlleistungsvereinbarungen daraufhin überprüft werden, ob daraus transparent hervorgeht, dass und bei welchen Wahlärzten der Krankenhausträger das Liquidationsrecht ausübt. Dies kann man an mehreren Stellen im Rahmen der Wahlleistungsvereinbarung und ihrer Anlagen kenntlich machen. Die Kostenträger würden ihre Rückforderungsansprüche auf das Institut der ungerechtfertigten Bereicherung stützen (§ 812 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Das in Kenntnis der Nichtschuld Gezahlte kann jedoch nicht zurückgefordert werden (§ 814 BGB). Wenn in den Wahlleistungsvereinbarungen offen kommuniziert wird, dass der Krankenhausträger das Liquidationsrecht ausübt, dürfte wohl ein Fall des § 814 BGB vorliegen.

2. Behalten Sie die Zahl der ständigen ärztlichen Vertreter bei, aber teilen Sie deren Zuständigkeiten transparent auf!

Hier würde der Verfasser derzeit empfehlen, an der Zahl der ständigen ärztlichen Vertreter grundsätzlich nichts zu ändern. Zwar geht der BGH in seinem Urteil vom 20.12.2007 (Az. III ZR 144/07; CB 01/2008, Seite 1) davon aus, dass nur ein ständiger ärztlicher Vertreter pro Wahlarzt zulässig ist. Er begründet dies mit den §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 5 GOÄ, wo von der Person des ständigen ärztlichen Vertreters im Singular gesprochen wird. Wenn man den Zuständigkeitsbereich des Wahlarztes allerdings so unter mehrere Ärzte aufteilt, dass jeder dieser Ärzte alleiniger ständiger ärztlicher Vertreter des Wahlarztes wird, bewegt man sich noch im Rahmen der Rechtsprechung des BGH (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Celle, Urteile vom 15.06.2015, Az. III ZR 1 U 97/14 sowie Az. 1 U 98/14; CB 09/2015, Seite 4). Zudem sprechen auch praktische Überlegungen dagegen, die Zahl der ständigen ärztlichen Vertreter – soweit vermeidbar – zu reduzieren, da viele Wahlärzte ohne mehrere ständige ärztliche Vertreter ihren vertraglichen Aufgaben nicht nachkommen können.

Die Aufteilung des Zuständigkeitsbereichs des Wahlarztes unter mehrere ständige ärztliche Vertreter muss jedoch transparent sein (§ 307 BGB), da die Liste der Wahlärzte und ihrer ständigen ärztlichen Vertreter Teil der Wahlleistungsvereinbarung ist und es sich somit um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Ist die Aufteilung nicht transparent, könnte die Regelung unwirksam sein, mit der Folge von Einnahmeverlusten bei den wahlärztlichen Honoraren. Transparent ist die Aufteilung nur, wenn der Patient im Vertretungsfall erkennen kann, welcher von mehreren ständigen ärztlichen Vertretern für ihn zuständig ist. In der Praxis wird dies nach dem Eindruck des Verfassers nicht immer eingehalten. Deshalb spricht viel dafür, dass die Wahlleistungsvereinbarungen auch insoweit im Hinblick auf das laufende Revisionsverfahren beim BGH überprüft werden sollten.

3. Lassen Sie Grund und Dauer in der Vertretungsvereinbarung weg!

Von einer Ergänzung der individuellen Vertretungsvereinbarungen bei vorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes, die ärztlichen Wahlleistungen in ihrem Kernbereich persönlich zu erbringen, würde der Verfasser eher abraten. Für diesen Rat sprechen mehrere Gründe:

Warum Grund und Dauer der Verhinderung nicht in die Vertretervereinbarung gehören

  • a. Der BGH hat in seinem Urteil vom 20.12.2007, III ZR 144/07, sich ausführlich zum Inhalt einer solchen Vertretungsvereinbarung geäußert und Angaben zu Grund und Dauer der Verhinderung des Wahlarztes nicht verlangt.
  • b. Wenn man die Vertretungsvereinbarungen jetzt ändert, wie es eine Reihe von Mandanten, die der Verfasser in der Vergangenheit vertreten hat und noch vertritt, gemacht haben, führt dies zu neuen Konflikten. Die Kostenträger zahlen dann das wahlärztliche Honorar trotzdem nicht, mit der Begründung, dass Wahlärzte sich bspw. nicht vertreten lassen können, wenn sie im Krankenhaus anwesend sind, aber andere Aufgaben übernehmen müssen und deswegen den Patienten nicht selbst operieren können. Eine Änderung der Vertretungsvereinbarung führt dann nicht zu Rechtsfrieden.
  • c. Angaben zum Grund der Verhinderung des Wahlarztes sind personenbezogene Daten, die dem Schutz der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unterliegen. Der Offenbarung dieser Daten dürfte der Grundsatz der Datenminimierung entgegenstehen (Art. 5 Abs. 1c DSGVO). Teilweise dürfte der Angabe von Gründen für die Verhinderung des Wahlarztes auch das Recht des Wahlarztes auf informationelle Selbstbestimmung entgegenstehen.
  • d. Angaben zur Dauer der Verhinderung könnten nur gemacht werden, wenn diese im Zeitpunkt des Abschlusses der Vertretungsvereinbarung bereits feststehen. Dies wird nicht immer der Fall sein, bspw. wenn es sich um eine Erkrankung des Wahlarztes handelt.

4. „Gewünschte Vertretung“: Rückforderungsansprüche sind nicht zu befürchten

Einer Entscheidung des BGH zur „gewünschten Vertretung“ können Wahlärzte und Krankenhausträger in Ruhe entgegensehen. Sollte der BGH diese Möglichkeit als zulässig ansehen, ergeben sich neue Abrechnungsmöglichkeiten und man gewinnt die Option, dadurch hoch qualifizierte jüngere Ärzte besser an das Krankenhaus zu binden. Rückforderungsansprüche vonseiten der Kostenträger sind hier nicht zu befürchten.

AUSGABE: CB 12/2024, S. 4 · ID: 50162827

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