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Patientenmanagement„Größere vegetarische Auswahl an Speisen könnte den Fleischkonsum im Krankenhaus reduzieren!“
| Das Essen im Krankenhaus enthält mehr Fleisch als von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen. Doch wie lassen Patienten sich motivieren, ein gesünderes, eher pflanzenbasiertes Menü zu wählen? Prof. Dr. Simone Dohle leitet das Labor für Gesundheit- und Risikokommunikation am Institut für Hausarztmedizin am Universitätsklinikum Bonn (UKB). In einer Studie (online iww.de/s11545) befragte sie online 2.000 repräsentativ ausgesuchte Personen zum Speiseplan einer Uniklinik. Die Ergebnisse schildert sie im Gespräch mit Ursula Katthöfer (textwiese.com). |
Frage: Frau Professor Dohle, wie war Ihre Studie angelegt?
Antwort: Um den Fleischkonsum zu senken, könnten Krankenhäuser Broschüren auslegen oder einen Veggie-Day einführen. Doch wir wissen, dass Broschüren kaum einen Effekt haben. Und verbieten wollten wir nichts. Vielmehr interessierte uns, wie ein Speiseplan aussehen muss, damit die Menschen weniger Fleisch auswählen. Daher baten wir die Teilnehmenden sich vorzustellen, im Krankenhaus zu sein und aus dem Speiseplan ihre Mittagsmahlzeit für die kommenden zwei Wochen auszusuchen. Es standen jeweils drei Menüs zur Wahl. Mal waren zwei Fleischgerichte unter den drei Vorschlägen, mal nur eins. Außerdem hatten wir die Hypothese, dass Fleischessende sich bei Kategorien wie „Vollkost“, „leichte Kost“ und „vegetarische Kost“ die Veggiespalte gar nicht erst ansehen. Deshalb erhielten einige unserer Studienteilnehmenden Speisepläne mit den neutralen Formulierungen „Menü 1“, „Menü 2“ und „Menü 3“. Da das Essen im Krankenhaus etwas sehr Wichtiges ist, fragten wir auch, wie zufrieden die Menschen mit der Auswahl sind.
Frage: Wie sind Ihre Ergebnisse?
Antwort: Die erhöhte Verfügbarkeit von vegetarischen Gerichten hat einen großen Effekt. Waren zwei von drei Gerichten auf dem Speiseplan vegetarisch, wählten die Studienteilnehmenden mehr vegetarische Gerichte. Ihre Zufriedenheit mit der Auswahl war hoch. Die unterschiedliche Benennung der Kategorien von „Vollkost“ zu „Menü 1“ hatte jedoch keinen Effekt – trotz unserer Hypothese. Den Effekt der erhöhten Verfügbarkeit konnten wir in einer zweiten Studie replizieren. In dieser zweiten Studie fragten wir außerdem, ob Labels die Auswahl beeinflussen. Dazu dachten wir uns das Label „bunt und gesund“ aus, das wir mit bunten Buchstaben darstellten.
Frage: „Bunt und gesund“ klingt fast wie aus der Werbung. Wie wirkte sich das auf die Menüwahl aus?
Antwort: Wir haben herausgefunden, dass die Kombination der hohen Verfügbarkeit vegetarischer Gerichte mit dem Label „bunt und gesund“ zu einer etwas geringeren Zufriedenheit mit der Menüauswahl führt. Unseren Diätassistenten zufolge könnte es daran liegen, dass einige Personen auf Empfehlung ihres Arztes bestimmte Lebensmittel wie z. B. Hülsenfrüchte meiden sollen, diese Lebensmittel aber unter „bunt und gesund“ fallen. Für diese Personen ist es unschön, dass sie auf etwas verzichten müssen, obwohl es auf dem Speiseplan hervorgehoben wird. Das ist das Dilemma mit den Labels, sie gelten nicht für jeden. Unser Ergebnis heißt aber nicht, dass jedes Label zu Unzufriedenheit führt. Das kann anders sein, wenn Klinikverpflegung zertifiziert ist. Die Frage ist, was das Label vermittelt.
Frage: Wie lassen sich Ihre Erkenntnisse in die Menüplanung von Krankenhäusern übertragen?
Antwort: Das ist nicht einfach. An Änderungen des Speiseplans sind viele Personen beteiligt: Ernährungswissenschaftler, Caterer, Einkäufer, Diätassistenten. Deshalb ist ein guter Austausch wichtig. Die Speisen müssen verträglich sein, zur Gesundung beitragen und für viele Patienten infrage kommen. Speisepläne im Schnellverfahren zu ändern, empfehlen wir daher nicht. Mit unseren Studien sind wir den evidenzbasierten Weg gegangen. Wir wollten prüfen, wie die Ideen für einen geringeren Fleischkonsum sich umsetzen lassen und ob die Personen mit dem Menü zufrieden sind.
Frage: Lassen Ihre Erkenntnisse sich auch auf Patienten, die z. B. wegen eines Diabetes einen besonderen Speiseplan bekommen, übertragen?
Antwort: Wir sind bei unseren Studien nicht von Diätkost ausgegangen. Denn in der Diätküche gelten sehr oft besondere Anforderungen, z. B. für Patienten mit Krebserkrankungen. Bei Diätverpflegung muss gesondert auf den Speiseplan geguckt werden.
Frage: Wie verändern sich die Kosten einer Krankenhausküche für den Lebensmitteleinkauf, wenn statt Fleisch mehr Obst und Gemüse serviert wird?
Antwort: Es entstehen Freiräume. Wenn eine Klinik täglich nur noch ein statt zwei Fleischgerichte anbietet, kann sie hochwertigeres Fleisch, vielleicht sogar regionales Biofleisch einkaufen. So entsteht eine Win-win-Situation für alle, auch für diejenigen, die gern Fleisch essen. Das fördert die Zufriedenheit.
Frage: Weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse – das ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Wie schätzen Sie die Bereitschaft der Krankenhäuser ein, an dieser Stellschraube zu drehen?
Antwort: Wir treffen in vielen Kliniken auf offene Türen. Wenn wir unsere Studienergebnisse vorstellen, kommen immer wieder Rückmeldungen, wie spannend und wichtig das Thema Ernährung für die Nachhaltigkeit sei. Studierende schließen sich mehr und mehr zusammen, um das Thema aufzugreifen. Es gibt die Physicians Association for Nutrition (PAN; online unter iww.de/s11546). Studien zu Lifecycle-Assessments in Krankenhäusern zeigen, dass die Verpflegung zu den großen Verursachern von CO2-Emissionen im Krankenhaus gehört. Das Interesse, etwas zu ändern, ist da.
Frau Professor Dohle, vielen Dank!L
AUSGABE: CB 12/2024, S. 16 · ID: 50146906