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CBChefärzteBrief

ArbeitsrechtFreistellung des Chefarztes – was tun, was lassen?

Abo-Inhalt17.04.2024143 Min. LesedauerVon RA, FA für ArbR und MedR Dr. Bernhard Debong, Kanzlei Praxisrecht Dr. Fürstenberg & Partner, Heidelberg

| Profisportler wollen ihren Sport ausüben und nicht nur Geld verdienend auf der Ersatzbank sitzen. Ähnlich geht es in der Regel Chefärztinnen und Chefärzten. Sie haben ein anerkennenswertes Beschäftigungsinteresse und auf der Grundlage ihres Chefarztvertrags grundsätzlich auch einen Beschäftigungsanspruch. Im Nachfolgenden wird aufgezeigt, ob und wann dieser Beschäftigungsanspruch im Wege der Freistellung zurücktreten muss und welche Rechtsschutzmöglichkeiten Chefärzte haben, sich gegen einseitige Freistellungen durch den Krankenhausträger zu wehren. |

1. Freistellung gegen den Willen des Chefarztes

Hier kommt es darauf an, ob der Chefarztvertrag dem Krankenhausträger ein Freistellungsrecht einräumt oder nicht:

  • a) Enthält der Chefarztvertrag keine Klausel über das Recht des Krankenhausträgers zur Freistellung des Chefarztes, ist dessen Freistellung grundsätzlich unzulässig. Anders ist dies nur, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen, die einer Beschäftigung des Chefarztes entgegenstehen. Hierzu können beispielsweise Behandlungsfehler oder sonstige patientengefährdende Pflichtverletzungen des Chefarztes, aber auch die begründete Besorgnis des Verrats von Geschäftsgeheimnissen usw. gehören. Für einen entsprechend angemessenen Zeitraum kann auch die Aufklärung des Verdachts einer Pflichtverletzung die Freistellung rechtfertigen.
  • b) Ein Krankenhausträger kann sich aber im Chefarztvertrag ein Freistellungsrecht einräumen lassen. Eine einseitig vom Krankenhausträger vorformulierte Freistellungsklausel ist aber nur wirksam, wenn sie den Anforderungen des Rechts über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) genügt. In der Vertragsklausel selbst müssen daher die Voraussetzungen, unter denen der Krankenhausträger freistellen darf, umschrieben sein. Außerdem darf die Klausel ein einseitiges Recht des Krankenhausträgers nur für solche Fälle vorsehen, in denen der Krankenhausträger ein anerkennenswertes Interesse an der Freistellung hat. Auch bei einer wirksamen Freistellungsklausel im Chefarztvertrag darf der Krankenhausträger von einer solchen Klausel nur „im Rahmen billigen Ermessens“ Gebrauch machen.

2. Widerrufliche versus unwiderrufliche Freistellung

Nicht selten wird ein Chefarzt nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung vom Krankenhausträger „unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche von der Arbeit freigestellt“. Mit einer solchen Erklärung erfüllt der Krankenhausträger den Urlaubsanspruch des Chefarztes aber nur dann, wenn die Freistellung „unwiderruflich“ erfolgt. Bei einer lediglich „widerruflichen“ oder auch „einstweilen widerruflichen“ Freistellungserklärung des Krankenhausträgers wird dagegen der Urlaubsanspruch nicht erfüllt, d. h., der Chefarzt behält in diesem Falle seinen Urlaubsanspruch trotz Freistellung. Kann der Urlaub bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden, hat der Chefarzt einen Anspruch auf Abgeltung dieses Urlaubs in Geld.

3. Vergütungsfortzahlung und/oder anderweitiger Erwerb während der Freistellung

Mit der einseitigen Freistellung des Chefarztes von seinen Arbeitspflichten kommt der Krankenhausträger grundsätzlich in Verzug mit der Annahme der Dienste und schuldet daher gemäß § 615 BGB die vertraglich vereinbarte Vergütung während des Freistellungszeitraums. Die Freistellung suspendiert zwar die Pflicht zur Arbeitsleistung, lässt aber die Pflicht des Krankenhausträgers zur Vergütungszahlung grundsätzlich fortbestehen. Gleiches gilt für vertragliche Nebenpflichten der Parteien, wie etwa das Verbot einer Konkurrenztätigkeit des Chefarztes während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses im Freistellungszeitraum. Anderweitige Tätigkeiten, die nicht gegen das vertragsimmanente Wettbewerbsverbot verstoßen, sind zwar erlaubt. Den hierbei erzielten Verdienst muss sich der Chefarzt aber auf den Vergütungsanspruch gegenüber dem Krankenausträger anrechnen lassen (§ 615 Satz 2 BGB).

4. Rechtsschutzmöglichkeiten bei einseitiger Freistellung

Im Falle einer ungerechtfertigten Freistellung kann der Chefarzt seinen Beschäftigungsanspruch mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen suchen. Zu erwägen ist im Einzelfall auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (§ 940 ZPO). Dabei muss der Chefarzt auch die für den Erlass einer solchen einstweiligen Verfügung erforderliche Eilbedürftigkeit der Beschäftigungsanordnung darlegen. Je eindeutiger der Beschäftigungsanspruch ist, umso geringer sind die Anforderungen an die Darlegung des Beschäftigungsinteresses. Gleichwohl muss in diesen Fällen auch unter taktischen Gesichtspunkten eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und dem Risiko einer etwaigen fristlosen Kündigung getroffen werden. Denn mit Ausspruch der fristlosen Kündigung endet zunächst die Vergütungszahlung durch den Krankenhausträger.

5. Freistellungsvereinbarung – worauf ist zu achten?

Krankenhausträger und Chefarzt können eine Freistellung auch einvernehmlich vereinbaren. Dies geschieht häufig in Aufhebungsverträgen oder einem gerichtlichen Vergleich zur Beendigung des Kündigungsschutzprozesses. In einem solchen Fall ist insbesondere darauf zu achten, dass die Freistellung unwiderruflich erfolgt und der Chefarzt für den Freistellungszeitraum sämtliche Vergütungsbestandteile fortgezahlt erhält. Soweit wegen der Freistellung liquidationsfähige Leistungen nicht mehr erbracht werden können, muss dem durch eine entsprechend erhöhte Freistellungsvergütung Rechnung getragen werden. Darüber hinaus sind in einer Freistellungsvereinbarung die Frage der anderweitigen Verwendung der Arbeitskraft des Chefarztes sowie eines ggf. anrechnungsfreien Hinzuverdienstes zu regeln.

AUSGABE: CB 5/2024, S. 10 · ID: 49983953

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