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StrafrechtBGH bestätigt Urteil gegen Anästhesisten nach Hepatitis-C-Infektion von Patienten in 51 Fällen
| Die Verurteilung eines Anästhesisten wegen gefährlicher Körperverletzung (Landgericht [LG] Augsburg, unveröffentlichtes Strafurteil vom 30.06.2023, Az. 3 KLs 200 Js 137689/18) ist rechtskräftig. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell mitgeteilt hat, konnte der Senat im Rahmen der revisionsrechtlichen Überprüfung keine Rechtsfehler feststellen (Beschluss vom 28.11.2023, Az. 1 StR 409/23). |
Verstoß gegen Hygieneregeln führt zu 51 Fällen von Hepatitis-C-Infektion
Nach den einschlägigen Presseberichten habe der angeklagte Anästhesist in den Jahren 2017 und 2018 wiederholt eklatant gegen Hygieneregeln verstoßen. Dadurch seien in 51 Fällen Patienten mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert worden. Das LG Augsburg hatte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete Revision hat der BGH nun zurückgewiesen.
Angeklagter hat ärztliche Pflichten „mit Füßen getreten“
Der Berichterstattung zufolge habe der Mediziner seit 20 Jahren unter einer schmerzhaften chronischen Darmerkrankung und unter Depressionen gelitten. Er habe sich bei OP-Einleitungen und während Operationen mit mitgebrachten Nadeln und Spritzen das Narkosemittel Sufentanil abgezweigt, um es sich selbst zu verabreichen. Um sein Vorgehen zu vertuschen, habe er die Spritzen für die Patienten mit Kochsalzlösung aufgefüllt. Dadurch seien auch einige Patienten nach der OP vorzeitig mit Schmerzen aufgewacht. Im Zuge des Blutaustausches zwischen ihm und den Patienten habe sich der Anästhesist wohl unbemerkt bei einem Patienten mit Hepatitis C angesteckt. In den Monaten danach habe er die Erkrankung unwissentlich an viele weitere Patienten übertragen. In der Verhandlung vor dem LG Augsburg habe der Richter hervorgehoben, dass der Anästhesist insgesamt seine ärztlichen Pflichten „mit Füßen getreten habe“. Dass es bei einer Bewährungsstrafe blieb, liege u. a. daran, dass der Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt habe.
Haben Klinikverantwortliche die Verdachtsmomente ignoriert?
Im Prozess seien auch Fragen zum Handeln der Klinikverantwortlichen aufgeworfen worden, inwiefern das Handeln des Anästhesisten früher hätte unterbunden werden müssen. So seien in der Klinik längst Verdachtsmomente kolportiert worden, da der Verbrauch an Nadeln im OP auffällig hoch gewesen sei und der Anästhesist auffällig lange auf der Toilette geblieben und danach euphorisiert zurückgekommen sei.
Praxistipp | Der Chefarzt kann im Sinne des Organisationsverschuldens als medizinisch Gesamtverantwortlicher seiner Abteilung rechtlich in den Fokus geraten (CB 10/2021, Seite 13). Daher ist dringend zu empfehlen: Ergeben sich Verdachtsmomente bei Vorgängen in der Abteilung oder beim Verhalten der Mitarbeiter, ist dem nachzugehen und die Klinikleitung zu informieren. Dies am besten schriftlich, dann ist der Chefarzt rechtlich „aus dem Schneider“. |
AUSGABE: CB 5/2024, S. 15 · ID: 49989933