Orthopädie
Inlaywechsel wegen Wundinfektion nach Knie-TEP: wie abrechnen?
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Digitalisierung„Drüberhalten, Knopf drücken, fertig!“ – KI-gestützte Wundanalyse entlastet Mitarbeiter
| Das Monitoring chronischer Wunden wird in der Klinik oft stiefmütterlich behandelt – und verursacht zugleich einen hohen Dokumentationsaufwand. Mit einer modernen Lösung lässt sich dieser jetzt auf einen kleinen Bruchteil reduzieren und zudem standardisieren. Verantwortlich dafür ist das Münchener Start-up-Unternehmen cureVision GmbH. Der Medizintechnik-Ingenieur Richard Fobo ist einer der drei Gründer und Geschäftsführer. Mit ihm sprach Wirtschaftsjournalistin Alexandra Buba (medientext.com). |
Frage: Herr Fobo, wie kamen Sie darauf, KI im Wundmonitoring einzusetzen?
Antwort: Im Rahmen unseres Studiums sprach uns vor etwa dreieinhalb Jahren ein Universitätsprofessor aus Göttingen an. Er forschte zur Wundbehandlung und konnte seine Therapieerfolge kaum messen. Während sich die Größe von Wunden ja vielleicht noch irgendwie herkömmlich mit einem Papierlineal ansatzweise erfassen lässt, ist das bei der Tiefe schlicht nicht möglich. Wir haben uns damit beschäftigt und schnell herausgefunden, dass hier moderne Sensortechnologie wirklich sehr hilfreich ist. Mittlerweile können wir mittels KI das Wundbett auf bestimmte Gewebearten – Granulation, Fibrin und Nekrose – analysieren und Wunden dreidimensional vermessen.
Frage: Bei der Unterstützung für die Forschung ist es aber nicht geblieben ...
Antwort: Nein, wir haben das Glück, dass wir hier in München einen sehr guten Inkubator für Gründungen haben und einen Bilderbuchweg gehen konnten. Auf die Idee, ein Unternehmen zu gründen, kamen wir, weil wir bei der praktischen Erprobung in Pflegeheimen und auf Stationen gemerkt haben, welche Arbeitserleichterung KI für das Pflegepersonal mit sich bringt. Ich habe erlebt, dass eine herkömmliche Wunddokumentation nicht den Vorgaben entsprach und damit nicht abrechnungsfähig war. Die Pflegekraft musste sie erneut erstellen – und hat allein für den Weg hin und zurück zum Patienten zehn Minuten gebraucht. Die Dokumentation selbst dauert durchschnittlich etwa 20 Minuten pro Wunde – eine halbe Stunde Arbeitszeit wurde für etwas verbraucht, was wir heute mit unserem System in zwei Minuten erledigen, noch dazu in einem ganz anderen Standard. Da haben wir den Nutzen verstanden, den das, was wir entwickelt hatten, für Kliniken und Pflegeheime bringt.
Frage: Wie funktioniert das in der praktischen Anwendung genau?
Antwort: KI klingt komplex, ist es aber nicht. Drüberhalten, Knopf drücken, fertig. Ganz zu Beginn müssen Sie nur den Patienten einloggen, anschließend dann das Vermessungsgerät aufsetzen und können die Wunde dann einfach per Knopfdruck erfassen. Die Gewebeanalyse und die 3-D- Vermessung folgen automatisiert, der Wundbericht steht unmittelbar als PDF zur Verfügung, er kann zum Beispiel an den Hausarzt weitergeschickt, aber auch in die Patientenakte integriert werden.
Frage: Was macht die KI dabei?
Antwort: KI setzt an der Stelle der automatischen 3-D-Vermessung und Gewebeanalyse an. Das könnten wir auch mit den fortschrittlichsten Sensoren nicht wirklich automatisch messen, sondern nur invasiv feststellen. KI aber erlaubt es uns, die Tiefe der Wunde verlässlich zu berechnen. Dafür fließen verschiedene Daten zusammen.
Frage: Wie gelangen die Daten ins Klinikinformationssystem (KIS)?
Antwort: Dafür gibt es ein Modul, das den Integrationsprozess vereinfacht. Man muss leider sagen, dass die KIS-Infrastruktur in deutschen Kliniken sehr durchwachsen ist und nicht jedes KIS unsere Daten reinlässt. Wir können aber von uns aus die Daten in alle Systeme übertragen, sodass sie für weitere Anwendungen zur Verfügung stehen.
Frage: Zurück zur Qualitätssteigerung – was lässt sich dazu genau sagen?
Antwort: Wir hoffen, künftig mit unserer Wundanalyse Veränderungen viel früher erkennen zu können, als dies bisher der Fall ist, und entsprechend zu behandeln. Wir nehmen an, dass das auch die Verweildauer der Patienten verkürzt, die ja im Normalfall nicht wegen der Wundversorgung stationär in der Klinik sind. Außerdem setzt der Einsatz der Technik einen Standard bei der Dokumentation, der immer derselbe ist, ganz egal, welche Pflegekraft gerade dokumentiert. Das kann verhindern, dass falsch behandelt wird, vor allem aber sorgt es auch dafür, dass Doppeldokumentationen, wie im angesprochenen Beispiel, ausgeschlossen werden. Bei den Mitarbeitern sorgt das für spürbare Entlastung, sie haben mehr Zeit für die eigentlich pflegerischen Aufgaben und sind dadurch letztlich zufriedener. Für die Patienten kann das System zu einer besseren und schnelleren Heilung beitragen.
Frage: Perspektivisch kann KI im Wundmonitoring ja auch zu einer verbesserten Diagnostik bis hin zu Therapievorschlägen führen, oder?
Antwort: Derzeit sind wir tatsächlich das einzige MDR-zugelassene und desinfizierbare System zur 3-D-Wundanalyse und natürlich: Wir haben ungefähr eine Milliarde Ideen, wie wir unser System weiterentwickeln könnten. Aber ehe wir KI auch diagnostisch einsetzen können, müssen wir eine Reihe an regulatorischen Verfahren durchlaufen – was selbstverständlich auch sinnvoll ist. Als nächster großer Step steht die offizielle Markteinführung im Mai dieses Jahres auf dem Deutschen Wundkongress bevor. Derzeit setzt zwar bereits eine Reihe von Pflegeeinrichtungen im Raum München unser System in einer Pilotphase ein, aber wir beginnen gerade erst mit der aktiven Vermarktung.
Herr Fobo, vielen Dank für das Gespräch!
Zum Unternehmen | Die cureVision GmbH besteht seit 2021 und hat ein System zur KI-gestützten Wundanalyse entwickelt. Dafür hat das Unternehmen den digitalen Gesundheitspreis 2023 erhalten. Zum Gründerteam gehören die Medizintechnik-Ingenieure Richard Fobo und Johannes Ruopp sowie Kerstin von Diemar.
AUSGABE: CB 5/2023, S. 17 · ID: 49333206