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CBChefärzteBrief

VergütungsrechtKrankenhäuser haben bei Kenntnis des fehlenden Vergütungsanspruchs eine Rückerstattungspflicht!

Abo-Inhalt13.04.20234685 Min. LesedauerVon RA Malte Brinkmann, armedis Rechtsanwälte, Seesen

| Erhält ein Krankenhaus ohne Zulassung und ohne Versorgungsvertrag bei Kenntnis des mangelnden Vergütungsanspruchs eine Zahlung der Krankenkasse, kann diese den zuvor geleisteten Betrag zurückverlangen. Das gilt selbst dann, wenn jahrelang zuvor Leistungen des Krankenhauses von der Krankenkasse vergütet worden sind (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.10.2022, Az. L 9 KR 265/20). Gegen die Entscheidung hat der beklagte Krankenhausträger Revision zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt (anhängig unter Az. B 1 KR 31/22 R). Da Chefärzte regelmäßig für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Abteilung verantwortlich gemacht werden, ist das Urteil auch für sie relevant. Vor allem in den Entscheidungsgründen wird deutlich, welche Kriterien Gerichte bei der Überprüfung eines Vergütungsanspruchs anlegen. |

Zur vergütungsrechtlichen Situation des beklagten Trägers

Der beklagte Krankenhausträger hat seinen Sitz in Berlin und betreibt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie. Das Krankenhaus hatte zunächst den Namen „St. G-Krankenhaus für Nerven- und Gemütsleiden“ getragen. 1993 hatte ein privater Krankenhaus- und Heimträger, das Krankenhaus übernommen. Danach war es auf den heutigen Namen umbenannt worden. Im Dezember 2011 übernahm der jetzige Träger das Krankenhaus.

Rechtsgrundlage für die Abrechnung mit den Krankenkassen war ein Vertrag aus dem Jahr 1971. Dieser war mit dem Verband der Angestelltenkrankenkassen e. V. auf der Grundlage von § 371 Reichsversicherungsordnung (RVO) geschlossen worden. Er sah vor, dass das Krankenhaus den „Versicherten und deren familienhilfeberechtigten Angehörigen einer diesen Vertrag anerkennenden Krankenkasse [...] Pflege und Behandlung in der allgemeinen Pflegeklasse gewährt“. Ergänzend teilte der Verband der Angestelltenkrankenkassen e. V. dem damaligen Träger mit, welche Krankenkassen den Vertrag anerkannt haben. Die Klägerin im o. g. Verfahren gehörte nicht dazu.

1996 stellte das Regierungspräsidium für das Krankenhaus folgende „Statusbestätigung“ bzw. „Bescheinigung“ aus.

Statusbestätigung des Regierungspräsidiums an den Krankenhausträger (Auszug)

„Die F-A-Klinik (früher St. G-Krankenhaus) ist ein Vertragskrankenhaus nach § 108 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Die F-A-Klinik ist somit ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 2 Nr. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Die Vertragsparteien führen jährlich mit der F-A-Klinik unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzvereinbarungen nach Maßgabe des KHG und der Bundespflegesatzvereinbarung (BPflV). In den Verhandlungen wird berücksichtigt, dass die Einrichtung ein nicht gefördertes Krankenhaus ist (§§ 8 und 17 BPflV). Die Leistungen werden nach § 1 Abs. 1 BPflV vergütet. Seit dem Bestehen der Klinik werden die Krankenhauspflegesätze vom Regierungspräsidium (Genehmigungsbehörde) nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KHG i. V. m. § 20 Abs. 1 BPflV genehmigt.“

Demnach war das Krankenhaus zwar im Deutschen Krankenhausverzeichnis gelistet, nicht aber in der Liste der zugelassenen Krankenhäuser des Landes und damit auch nicht im Landeskrankenhausplan. Auf der Website der Klinik hieß es: „Die Klinik besitzt einen Versorgungsvertrag nach § 108/109 SGB V. Es bestehen Verträge mit allen Ersatz-, Post-, Bahn-, Polizei- und Privatkassen. Von allen anderen als den oben genannten Krankenkassen wird vorab eine verbindliche Kostenzusage benötigt. Die Klinik ist beihilfeberechtigt.“

Krankenkasse klagt Rückzahlung von rund 4.000 Euro ein

Eine Innungskrankenkasse, die den o. g. Vertrag von 1971 nicht anerkannte, klagte gegen den Krankenhausträger. Streitig war die Erstattung bereits geleisteter Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung eines bei der Klägerin versicherten Patienten. Weder der Patient noch der Krankenhausträger hatte eine verbindliche schriftliche Kostenzusage bei der Krankenkasse eingeholt. Auch bestand zwischen dem Krankenhausträger und der Krankenkasse zu keinem Zeitpunkt ein schriftlicher Versorgungsvertrag auf Grundlage der RVO bzw. nach §§ 108 Nr. 3, 109 SGB V. Ebenso wenig gab es einen von den Landesverbänden der Krankenkassen oder Ersatzkassen geschlossenen Versorgungsvertrag, in den die Klägerin eingebunden wäre.

Der Krankenhausträger hatte der Krankenkasse über den elektronischen Datenaustausch (DTA) unter ihrem Institutskennzeichen (IK-Nummer) den „Aufnahmesatz“ gesendet. Daraufhin hatte die Krankenkasse per DTA den „Kostenübernahmesatz“ übermittelt. Das Krankenhaus hatte der Krankenkasse für die o. g. stationäre Behandlung einen Betrag i. H. v. 3.962,05 Euro berechnet. Die Krankenkasse hatte zunächst gezahlt. Anschließend hatte der Verband der Ersatzkassen (vdek) der Krankenkasse mitgeteilt, dass nur die vdek-Mitgliedskassen einen Versorgungsvertrag mit dem Krankenhaus geschlossen hätten. Die Krankenkasse hatte daraufhin die geleistete Vergütung zurückgefordert, der Krankenhausträger hatte die Erstattung abgelehnt.

Vor Gericht begehrte die Krankenkasse die Rückerstattung der geleisteten Vergütung. Der Beklagten habe für den stationären Behandlungsfall keine Vergütung zugestanden, da zwischen den Beteiligten kein Versorgungsvertrag bestand. Der im Jahr 1971 auf der Grundlage der RVO geschlossene Vertrag gelte nur im seinerzeitigen Umfang fort. Die Krankenkasse sei auch nicht durch die Bescheinigung der Genehmigungsbehörde aus dem Jahr 1996 gebunden, da diese lediglich den Bestandsschutz und dessen Fortgeltung nach einem Trägerwechsel und der seinerzeit erfolgten Umbenennung (§ 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V) gewährleiste.

Ebenso wie die Vorinstanz (Sozialgericht Berlin, Urteil vom 05.06.2020, Az. S 166 KR 893/19 WA) gab das LSG Berlin-Brandenburg der Klage statt.

So begründete das LSG Berlin-Brandenburg sein Urteil

Das Gericht sah einen Anspruch der Krankenkasse auf Erstattung der zu Unrecht geleisteten Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten. Es begründete seine Auffassung wie folgt:

Kein Rechtsgrund für die Zahlung des Rechnungsbetrags

Die Bezahlung des Rechnungsbetrags sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Dem Krankenhaus stehe die Vergütung, die die Krankenkasse für die Krankenhausbehandlung des Versicherten bezahlt hatte, nicht zu, da das Krankenhaus keine Versorgungsberechtigung für Versicherte der Klägerin innehatte.

Der Anspruch auf Vergütung stationärer Krankenhausleistungen entstehe mit Aufnahme und Behandlung gesetzlich Versicherter in Krankenhäusern kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.2018, Az. B 1 KR 32/17 R). Nach § 108 SGB V dürfen die Krankenkassen Krankenhausbehandlungen nur durch zugelassene Krankenhäuser erbringen lassen. Das LSG Berlin-Brandenburg führte hierzu aus, dass das beklagte Krankenhaus zum Zeitpunkt der Behandlung nicht über eine gegenüber der Klägerin wirksame Zulassung verfügte. Insbesondere war es nicht in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen und hatte keinen Versorgungsvertrag, an dem auch die Klägerin beteiligt war. Ebenfalls liege auch keine Kostenübernahmeerklärung der Klägerin vor. Der Kostenübernahmesatz über das DTA-Verfahren sei keine Willenserklärung, sondern nur eine technische Datenübermittlung.

Kein Ausschluss des Erstattungsanspruchs gemäß § 814 BGB

Der Erstattungsanspruch sei nicht durch § 814 BGB (Zahlung auf eine Nichtschuld) in entsprechender Anwendung ausgeschlossen. Es gebe im vorliedenden Fall keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei Zahlung positive Kenntnis davon hatte, dass die Schuld – d. h. ein kraft Gesetzes entstandener Vergütungsanspruch der Beklagten – nicht bestanden habe. Der beklagte Krankenhausträger habe – auch nach eigenem Vortrag – vor der Zahlung nicht darauf hingewiesen, dass kein Versorgungsvertrag mit der Klägerin bestehe und auch keine vorherige Kostenübernahmeerklärung in diesem speziellen Einzelfall vorgelegen habe.

Datenübermittlung gemäß § 301 SGB V hat den Eindruck eines bestehenden Versorgungsvertrags erweckt

Weiterhin habe die Beklagte mit der Datenübermittlung gemäß § 301 SGB V einen Weg gewählt, der das Bestehen eines Versorgungsvertrages gerade voraussetzt. Damit habe die Beklagte selbst den Anschein gesetzt, der geeignet sei, einen Irrtum beim Leistenden, der Krankenkasse, hervorzurufen.

Kein Vertrauens-/Bestandsschutz aufgrund jahrelanger unberechtigter Abrechnung

Der Rückerstattungsanspruch der Krankenkasse sei auch nicht aus Treu und Glauben ausgeschlossen. Allein aus einer jahrelangen faktischen unberechtigten Abrechnung von Krankenhausleistungen ergibt sich weder Vertrauens- noch Bestandsschutz.

Praxistipp | Um Rückforderungen der Krankenkassen wie im vorliegenden Fall und damit Umsatzverluste für Ihre Abteilung zu vermeiden, weisen Sie Ihre Abrechnungskräfte darauf hin, im Zweifel vor Beginn der Behandlung eine Kostenzusage von der Krankenkasse einzuholen.

AUSGABE: CB 5/2023, S. 7 · ID: 49325523

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