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BerufsrechtArbeiten im Nachbarland? Ärztliches Disziplinarrecht in Österreich und Deutschland im Vergleich
| Wer als Humanmediziner und Facharzt in Deutschland oder Österreich einen ordentlichen Studienabschluss in einem dieser Länder hat, darf seinen Beruf auch im jeweils anderen Land ausüben. Sehr viele Ärzte nutzen diese Möglichkeit, ordinieren in beiden Ländern oder wechseln zumindest wiederholt den Berufssitz. Hinsichtlich des in beiden Ländern doch sehr unterschiedlichen ärztlichen Standes- und Berufsrechts machen sich die betreffenden Ärzte jedoch oft nur sehr wenig bis keine Gedanken im Falle einer Verlegung. Dieser Beitrag bietet einen kurzen Überblick über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, insbesondere in der Spruchpraxis der Berufsgerichte – respektive der Standesbehörden. |
Inhaltsverzeichnis
Rechtslage in Deutschland
Bei der Ausübung des ärztlichen Berufs in Deutschland ist jeder Arzt an die Berufsordnung gebunden. Diese Berufsordnung ist in jedem Bundesland unterschiedlich (im Folgenden exemplarisch für Berlin), orientiert sich aber an der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä). Diese Berufsordnung gilt für alle Ärzte, auch wenn sich diese etwa in einem Beamtenverhältnis befinden.
Die Rüge
Wenn ein Arzt eine berufsrechtliche Verfehlung begeht, hat die zuständige Ärztekammer zwei Möglichkeiten, diese zu ahnden. Bei geringen Verletzungen der Berufspflicht kann sie nach § 65 Berliner Heilberufekammergesetz (BlnHKG) eine Rüge erteilen.
§ 65 Abs. 2 BlnHKG |
Die Rüge kann mit Auflagen und Weisungen verbunden werden. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
Auflagen und Weisungen nach Satz 1 Nummer 1 und 2 können nebeneinander verhängt werden. Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Kammer dem Kammermitglied eine angemessene Frist. |
Das berufsgerichtliche Verfahren
Bei schwerwiegenderen Verfehlungen erhebt der Vorstand der Kammer Klage zum Berufsgericht. Das Berufsgericht ist beim Verwaltungsgericht eingerichtet und besteht aus zwei Richtern und drei Ärzten als ehrenamtliche Richter.
§ 76 Abs. 1 BlnHKG |
Im berufsgerichtlichen Verfahren kann erkannt werden auf
|
Die einzelnen Entscheidungen
Im Folgenden werden exemplarisch einzelne berufsrechtliche Entscheidungen dargelegt. Hierbei ist anzumerken, dass insgesamt das ärztliche Berufsrecht in Deutschland viel restriktiver als etwa das Berufsrecht für Rechtsanwälte ausgelegt wird.
- a) Die unberechtigte Verwendung des Schildes „Arzt Notfall“
- Das Bezirksberufsgericht für Ärzte in Freiburg hat in seinem Urteil vom 09.11.2010, Az. BG 15/10 eine Geldbuße von 400 Euro für das unberechtigte Verwenden des Schildes „Arzt Notfall“ festgesetzt. Hier war eine Ärztin zu ihrem Ehemann gerufen worden, der eine akute Gastroenteritis hatte. Als die Ärztin bei ihrem Ehemann eintraf, befand sich dieser aber wieder in einem stabilen Zustand. Da die Ärztin nach Eintritt des stabilen Zustands ihr Auto aber nicht wegfuhr, erfolgte die Festsetzung der Geldbuße. Diese Verfehlungen werden also von den Berufsgerichten ernst genommen und nicht mit einer bloßen Rüge bedacht.400 Euro Geldbuße
- b) Gleichsetzung der Zahlungsverweigerung einer Patientin mit Zechprellerei
- Ein Orthopäde behandelte eine Patientin mit IGeL, die nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wurden. Darauf wurde die Patientin in einem Formular hingewiesen. Die Patientin wusste also, dass diese Behandlungen nicht von der Krankenkasse übernommen wurden. Allerdings erfolgte seitens des Arztes keine schriftliche Aufklärung darüber, dass bei jeder der sieben Behandlungen Kosten in Höhe von 100 Euro anfallen würden. In dem darauf folgenden Streit zwischen der Patientin und dem Arzt äußerte diese, dass die Abrechnung des Arztes Abzocke sei. Der Arzt verwies darauf, dass er für die gegenständliche Druckwellenbehandlung viel an Firmen bezahlen müsse und die Zahlungsverweigerung der Patientin für ihn mit Zechprellerei gleichzusetzen wäre. Das Bezirksberufsgericht für Ärzte Stuttgart, Urteil vom 14.03.2012, Az. BGÄS 2/12 sah einen Verstoß des Orthopäden gegen das Gebot der Berufsordnung, bei einer Meinungsverschiedenheit mit Patienten sachlich und korrekt zu bleiben. Es setzte eine Geldbuße von 1.200 Euro fest. Dieses Urteil erscheint im Ergebnis unzutreffend, da der Arzt in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt und die Patientin selbst die Schärfe in diese Auseinandersetzung gebracht hat.1.200 Euro Geldbuße
- c) Vermögensdelikte
- Bei einer Steuerhinterziehung in Höhe von 60.000 Euro wurde einem Zahnarzt die ärztliche Approbation entzogen. In einem anderen Fall hat eine Ärztin unwahre Angaben gegenüber ihrer Krankentagegeldversicherung gemacht und durch diesen Betrug zu Unrecht einen Betrag in Höhe von 65.000 Euro erhalten. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte den Entzug ihrer Approbation (Beschluss vom 31.07.2019, Az. 3 B 7/18).Entzug der Approbation
- d) Strafbare Trunkenheitsfahrt
- Bei einer strafbaren Trunkenheitsfahrt, die ca. die Hälfte aller Verfehlungen auf dem Gebiet des Berufsrechts ausmacht, wird regelmäßig eine Rüge mit Zahlung einer Geldauflage ausgesprochen. Dabei spielt es in der Praxis keine Rolle, wenn diese außerhalb der ärztlichen Tätigkeit erfolgte.Berufsrechtliche Ahndung auch bei Verfehlung in privatem Rahmen
Rechtslage in Österreich
In Österreich gelangt das Ärztegesetz (ÄrzteG 1998) zur Anwendung. Als Interessenvertretung für alle Ärzte in Österreich fungiert die Österreichische Ärztekammer. Diese setzt sich aus den jeweiligen Landesärztekammern zusammen, wobei eine Pflichtmitgliedschaft besteht. Von dieser wird die Aufrechterhaltung und die Wahrung des Standes- und Berufsansehens gewährleistet und die Kontrolle der Einhaltung von Standes- und Berufspflichten aller in Österreich tätigen Ärzte durchgeführt. [1]
Disziplinarvergehen
Der § 136 Abs.1 ÄrzteG 1998 regelt grundsätzlich zwei Tatbestände. Ein Disziplinarvergehen ist erfüllt, wenn Ärzte im In- wie im Ausland entweder
- das Ansehen aller in Österreich tätigen Ärztinnen und Ärzte durch ein Verhalten gegenüber Kolleginnen und Kollegen, Patientinnen und Patienten oder der Öffentlichkeit beeinträchtigen;
- sich entgegen der Verpflichtung zur Einhaltung der Berufspflichten im Zuge der Promotion zum Doctor medicinae universae oder einer Pflichtverletzung nach dem ÄrzteG 1998 oder anderen Vorschriften schuldig machen, wie z. B.:
- Weitergabe von Krankenakten und Informationen über den stationären Aufenthalt eines Patienten in der Psychiatrie ohne Bewilligung dazu [2]Verstöße gegen Datenschutz oder Sorgfaltspflicht
- Häusliche Behandlung und Pflege eines in weiterer Folge verstorbenen Kindes, welches an einem schweren Immundefekt litt, obwohl die Einweisung in eine Krankenanstalt eindringlich indiziert gewesen wäre [3]
- Unerlaubte Überlassung von ärztlichen Tätigkeiten an unqualifziertes Hilfspersonal, z. B. Verabreichung von Injektionen (Anm. d. Red.: in Österreich gelten bzgl. Injektionen strengere Auflagen als in Deutschland) [4]
- trotz einer rechtskräftigen Disziplinarstrafe nach § 139 Abs. 1 Z. 3 ÄrzteG 1998, welche die befristete Berufsausübung untersagt, den Beruf der Ärztin oder des Arztes ausüben oder
- bei einer Verurteilung eines in- oder ausländischen Gerichts zu einer mehr als sechs Monaten andauernden Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von mindestens 360 Tagessätzen oder bei Übersteigen von 36.340 Euro aufgrund einer oder mehrerer vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt werden [5]
Beeinträchtigung des Standesansehens
Dieser Tatbestand „schützt“ Ehre und Ansehen des Standes. Folgende Disziplinarentscheidungen sind dahin gehend ergangen. Die Instanzen erkannten in den jeweiligen Verhaltensweisen ein Vergehen:
- Die Verwendung der Tafel „Arzt im Dienst“ wurde nicht für ärztliche Tätigkeiten, sondern für eine missbräuchliche, private Angelegenheit verwendet [6]Missbrauch des Arztberufs,Disziplinlosigkeit, Vorteilsnahme
- Eine körperliche Beeinträchtigung, bedingt durch Alkoholeinfluss, dass der Arzt unmöglich in der Lage war, dem Patienten Blut abzunehmen [7]
- Aufruf pornografischer Internetseiten in der Ordination durch einen Arzt. Dabei macht es aber keinen Unterschied, ob dieses Verhalten an die Öffentlichkeit gelangt und wahrgenommen wird oder nicht. Im konkreten Fall wurde es von einer Ordinationsgehilfin bemerkt. So war dies bereits ausreichend, um den Tatbestand erfüllen zu können. [8]
- Störung einer wissenschaftlichen Tagung, sodass der Arzt durch Exekutivorgane der Polizei aus dem Saal getragen werden musste. [9]
- Der Gebrauch von derart ordinären Begriffen, welche eine Mehrzahl von Personen in der Öffentlichkeit wahrnehmen konnten und die eines Arztes nicht würdig sind. [10]
- Eine Entscheidung im Sinne des Arztes von einem Beamten durch Bestechung schneller zu erhalten [11]
Die Strafen
Die einzelnen Disziplinarstrafen werden im § 139 ÄrzteG 1998 geregelt. Die gelindeste Strafe ist der schriftliche Verweis. Eine weitere Sanktionsmöglichkeit ist die Verhängung einer Geldstrafe bis zu einem Betrag in Höhe von 36.340 Euro. Des Weiteren besteht die befristete Untersagung der ärztlichen Berufsausübung sowie die Verhängung einstweiliger Maßnahmen. Die Ultima Ratio ist die Streichung aus der Ärzteliste und somit nicht nur ein vorübergehendes, sondern ein dauerhaftes Berufsverbot.
Fazit | Wie der vorliegende Artikel aufzeigt, finden sich durchaus Parallelen im ärztlichen Disziplinarrecht in Deutschland und Österreich, insbesondere in der Spruchpraxis der Standesbehörden und Gerichte. Der Abruf pornografischer Internetseiten wird in Deutschland hingegen wohl kein Verstoß gegen das ärztliche Berufsrecht darstellen. Wer als (Chef-)Arzt über einen Wechsel oder eine Zusatzordination im Nachbarland nachdenkt, ist gut beraten, sich vorher bei der jeweiligen Ärztekammer über das dortige Standes- und Berufsrecht zu erkundigen. |
- [1] Wallner, Berufsrecht der Ärzte in Resch/Wallner (Hrsg.), Handbuch Medizinrecht 2 (2015), 689 (790 f.)Juristische Fachliteratur [1, 5)
- [2] Disziplinarsenat 22.04.2013, Ds 3/2013
- [3] VwGH 10.12.2014, Ro 2014/09/0056
- [4] VfGH 26.06.2000, B 872/00
- [5] Zahrl/Hinterbauer, Entwicklungstendenzen im ärztlichen Disziplinarrecht, RdM 2014, 80 (80 f.)
- [6] Disziplinarsenat 28.10.1985, Ds 3/1985Entscheidungen aus Österreich (2–4; 6–11]
- [7] Disziplinarsenat 25.01.1988, Ds 11/1987
- [8] Disziplinarsenat 10.12.2012, Ds 6/2012
- [9] Disziplinarsenat 04.05.1985, Ds 1/1985
- [10] Disziplinarsenat 02.12.1986, Ds 6/1986
- [11] Disziplinarsenat Ds 7/1993 RdM 1994, 62
AUSGABE: CB 5/2023, S. 10 · ID: 49329805