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CBChefärzteBrief

KrankenhausmanagementVon der Rotkreuzschwester zur Klinikdirektorin: „Ich war ja nicht plötzlich die Frau Vogt!“

Abo-Inhalt25.05.20235905 Min. Lesedauer

| Was ändert sich, wenn Führungskräfte aus den Reihen des Pflegepersonals die Klinikleitung übernehmen? Kann das überhaupt funktionieren? Sehr gut sogar, wie das Beispiel der Schwesternschaft München vom Bayerischen Roten Kreuz e. V. nahelegt, bei der inzwischen drei Krankenhausdirektorinnen ehemalige Rotkreuzschwestern sind. Eine der Direktorinnen ist seit 2019 Caroline Vogt aus Lindenberg im Allgäu. Mit ihr sprach Wirtschaftsjournalistin Alexandra Buba (medientext.com). |

Frage: Frau Vogt, welchen Unterschied macht es, dass Sie als Krankenhausdirektorin nicht nur ein Betriebswirtschaftsstudium absolviert haben, sondern als gelernte Rotkreuzschwester aus der pflegerischen Praxis kommen?

Antwort: Ich komme aus der Praxis und kenne gerade den Bereich Pflege natürlich von Grund auf. Ich denke, dass ich damit oft praktischer nachvollziehen kann, was hinter bestimmte Prozessen und Abläufen steht, als ich es mit einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung tun würde. Denn die reinen Zahlen sind ja das eine, oftmals sind die Dinge aber im Krankenhausalltag nicht so einfach umsetzbar, wie sie sich am Schreibtisch ausrechnen lassen. Aber ich habe natürlich viele Aufgaben: Hierzu gehören Personalplanung- und Patientenauslastung, ich muss die wirtschaftlichen Belange im Auge behalten und mich mit den Ärzteteams abstimmen. Die genaue Kenntnis der interprofessionellen Abläufe macht es viel einfacher, wirklich effiziente Prozesse zu gestalten, die zu den Gegebenheiten vor Ort passen.

Frage: Sie haben ja in dem Krankenhaus, das Sie heute leiten, bereits Ihre Ausbildung zur Krankenschwester absolviert. Was bedeutet das für Sie persönlich und im Umgang mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Antwort: Mein Herz schlägt schon immer für Lindenberg, auch wenn ich zwischenzeitlich zwei andere berufliche Stationen absolviert habe. Ich kenne das Haus wirklich gut und auch viele, die hier arbeiten, schon sehr lange. Das bedeutet zwangsläufig, dass ich mit einer ganzen Reihe von Kolleginnen und Kollegen auf der Du-Ebene war, als ich hier erst Pflegedirektorin und schließlich Krankenhausdirektorin wurde. Und das blieb selbstverständlich auch so – ich war ja nicht plötzlich die Frau Vogt. Generell ist mir wichtig, dass es in unserem Krankenhaus kein Hierarchiedenken gibt, wir unterhalten uns auf Augenhöhe. Das ist allerdings nicht gleichbedeutend damit, dass man es immer allen Recht machen sollte.

Frage: Was halten Sie für den wichtigsten Grundsatz in Ihrer Rolle als Klinikdirektorin?

Antwort: Eine gute Führungskraft lässt auch andere neben sich groß werden. So funktionierte letztlich ja auch meine eigene Karriere innerhalb der Schwesternschaft: Ich wurde immer in allem unterstützt und ermutigt, mir wurde das Vertrauen geschenkt, Verantwortung übertragen. In der Zukunft wird dies, so glaube ich, noch wichtiger werden. Die junge Generation akzeptiert keine diktatorische Führung mehr, will mitgestalten, manchmal sogar in einem Maße, bei dem ich denke, ein bisschen Berufserfahrung ist da aber schon noch notwendig (vgl. CB 12/2020, Seite 17 ff.). Doch genau darum geht es: Die Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken, dann Vertrauen zu haben und auch das Abgeben zu lernen. Neues übernehmen, das kann und möchte der eine Mitarbeiter vielleicht etwas mehr, der andere etwas weniger, aber grundsätzlich wächst die eigene Verantwortung der Mitarbeitenden.

Frage: Wo sehen Sie die besondere Herausforderung in der Führung von Chefärzten?

Antwort: Chefärzte sind Leistungsträger, die permanent Überdurchschnittliches schaffen, eine 60-Stunden-Woche ist häufig ganz normal; man arbeitet schlicht, bis man fertig ist. Vor diesem Hintergrund ist es für mich dann auch keine Frage, dass ich den Verwaltungsbereich anpasse und zum Beispiel Abteilungsbesprechungen in die Abendstunden ab 18 Uhr lege, weil tagsüber einfach die Arbeit mit den Patienten Priorität hat. Das gilt aber für das gesamte Pflege- und Ärzteteam, nicht nur für die Chefärzte.

Frage: Es geht doch aber bei der Führung von Chefärzten um mehr als nur um die kappen zeitlichen Ressourcen, oder?

Antwort: Wichtig ist mir, die fachliche Expertise der Chefärzte immer miteinzubeziehen. Wenn ich als Direktorin zum Beispiel überlege, ob es nicht sinnvoll wäre, für die zukünftige Gesundheitsversorgung der Region zum Beispiel auch Herzkatheteruntersuchungen mit anzubieten, dann sagen mir die Chefärzte vielleicht, ja, das ist zwar gut, aber noch notwendiger wäre vielleicht die Etablierung einer Neurologie. Hier stimmen wir uns konstant eng ab und erweitern so unser Leistungsspektrum sehr strukturiert. Und dann kommt noch die persönliche Vernetzung zu den Hausärzten in der Region hinzu. Diese ist hier stark ausgeprägt, sodass es in vielen Fällen viel sinnvoller ist, dass einer der Ärzte direkt mit seinem niedergelassenen Kollegen spricht, als wenn ich als Krankenhausdirektorin das übernehme.

Frau Vogt, vielen Dank für das Gespräch!

Zum Verband | Im Verband der Schwesternschaften vom DRK e. V. sind rund 21.000 Rotkreuzschwestern und Angehörige der Pflegeberufe organisiert. Als Fachverband für professionelle Pflege setzt er sich mit eigenen Schulen vor allem für eine Professionalisierung der Pflegeberufe durch hochqualifizierte Aus-, Fort- und Weiterbildung und das Vorantreiben der Akademisierung des Pflegeberufs ein (Näheres online unter rotkreuzschwestern.de).

Weiterführende Hinweise
  • Junge Ärzte treffen auf alte Strukturen – chefärztliches Denken ist der Königsweg (CB 12/2020, Seite 17 ff.)
  • „Mit starren Hierarchien kommen Sie bei der Digitalisierung nicht weiter!“ (CB 07/2020, Seite 19)
  • CB-Themenspezial: Teamführung und Kommunikation als Schlüssel zum Abteilungserfolg (CB 01/2022, Seite 19)

AUSGABE: CB 6/2023, S. 19 · ID: 49484878

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