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CBChefärzteBrief

PersonalausstattungPersonalmangel in der Rufbereitschaft: Genügen studentische Hilfskräfte als OP-Assistenz?

Abo-Inhalt16.12.20221466 Min. LesedauerVon RA, FA ArbR und MedR Marc Rumpenhorst, Bochum

| Der Personalmangel im ärztlichen Dienst der Krankenhäuser dauert an. Gleichzeitig hat der Marburger Bund eine Reduzierung der Dienste außerhalb der regulären Arbeitszeiten (Bereitschafts-/Rufbereitschaftsdienste) ausgehandelt. Das führt vielerorts dazu, dass am Monatsende noch viele Dienste unbesetzt sind: Für Notfalloperationen wird der Fach-/Oberarzt aus der Rufbereitschaft gerufen. Oft folgt ein weiterer Arzt, um bei dem Eingriff zu assistieren, während der Bereitschaftsarzt bzw. diensthabende Arzt weiterhin die Notfallambulanz und/oder Station betreut. Genügt haftungsrechtlich für die OP-Assistenz eine studentische Hilfskraft? |

Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste

Wenngleich gesetzlich nicht vorgeschrieben, wird die Patientenversorgung außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeiten ganz überwiegend durch einen assistenzärztlichen Bereitschaftsdienst und einen fachärztlichen Rufbereitschaftsdienst sichergestellt. Dadurch wird gewährleistet, dass die Behandlung eines Patienten nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards erfolgt, also der von der Rechtsprechung entwickelte und mittlerweile in § 630a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gesetzlich aufgenommene Facharztstandard eingehalten wird. Der Arzt schuldet dem Patienten also eine Behandlung, die dem Standard eines sorgfältig arbeitenden Facharztes – des jeweiligen Gebiets – in der Situation des behandelnden Arztes entspricht (Bundesgerichtshof [BGH), Urteil vom 10.03.1992, Az. VI ZR 64/91).

Auch der Krankenhausträger schuldet einen Mindeststandard

Doch nicht nur der Arzt bzw. Facharzt schuldet die Einhaltung eines Mindeststandards, sondern auch der Krankenhausträger, der nicht nur das zur Patientenversorgung rund um die Uhr erforderliche ärztliche sowie nicht ärztliche Personal, sondern auch eine sachliche und technische Mindestausstattung bieten muss. Allerdings hat sich hier kein formell messbarer Standard gleich dem Facharztstandard herausgebildet. Der Gesetzgeber spricht von „allgemein anerkannten fachlichen Standards“, sodass es offensichtlich nicht den einen einzigen universell gültigen Standard gibt (vgl. Kudlich/Neelmeier: Organisationsverschulden im Arztrecht, Neue Juristische Wochenschrift 2021, 1185 f.). Schließlich kann auch nicht derselbe Standard an Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungsstufen – also an Häuser der Grund- und Regelversorgung wie an Universitätskliniken – angelegt werden.

Zudem gilt zumindest für den Facharztstandard, dass dieser zeitbezogen, also dynamisch, ist und sich an die Weiterentwicklung medizinischer Erkenntnisse und technischer Fortschritte anpasst.

Wenngleich sogar der Gesetzgeber in seiner Begründung zum Patientenrechtegesetz die Leitlinien wissenschaftlicher Fachgesellschaften als maßgeblich ansieht, hat der BGH in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass diese nicht unbesehen mit dem zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers maßgeblichen medizinischen Standard gleichgesetzt werden können, sondern dass die Leitlinien reinen Empfehlungscharakter besitzen.

Etwas anderes gilt für die Mindeststrukturanforderungen nach OPS oder die Vorgaben der Richtlinien des G-BA, die den Maßstab für den Standard bilden und nicht unterschritten werden dürfen.

Nicht ärztliches Hilfspersonal

Schon in den 1970er-Jahren hat der BGH erkannt, dass die Verwendung nicht ärztlicher Hilfspersonen aus der modernen Medizin und insbesondere aus dem heutigen Klinikwesen nicht wegzudenken ist.

BGH, Urteil vom 24.06.1975, Az. VI ZR 72/74 (Auszug)

„Es ist auch unvermeidlich, dass diesen Hilfspersonen im Einzelfall ein hohes Maß von Verantwortung zufällt (…) In all diesen Bereichen ist dem Arzt ein persönliches Tätigwerden im Einzelfall teils aus Gründen der wirtschaftlichen Arbeitsteilung nicht zumutbar, teils auch wegen der Grenzen seiner fachlichen Kenntnisse gar nicht möglich. Damit kann sich eine Pflicht des Arztes, solche Tätigkeiten im Einzelfall persönlich auszuüben, nicht schon aus der Schwere der Gefahren ergeben, die eine unsachgemäße Ausführung mit sich bringen kann. Ein persönliches Eingreifen des Arztes ist vielmehr grundsätzlich nur zu fordern, wo die betreffende Tätigkeit gerade dem Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt.“

Anästhesietechnischer und operationstechnischer Assistent

Ende 2019 sind die Berufsbezeichnungen „Anästhesietechnischer Assistent“ (ATA) und „Operationstechnischer Assistent“ (OTA) gesetzlich eingeführt worden. Die Ausbildung vermittelt die für die Berufsausübung erforderlichen fachlichen und methodischen Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung und zur Mitwirkung, insbesondere in den operativen oder anästhesiologischen Bereichen der stationären und ambulanten Versorgung; im Rahmen der Mitwirkung gehört dazu u. a. auch das fach- und situationsgerechte Assistieren bei anästhesiologischen Maßnahmen und operativen Eingriffen. Mit Einführung dieses Ausbildungsberufs als ATA oder OTA ist die anästhesietechnische bzw. operationstechnische Assistenz der (neue) fachliche Standard i. S. d. § 630a Abs. 2 BGB.

Chirurgisch-technischer Assistent/MAfA-Konzept

Auch der chirurgisch-technische-Assistent (CTA) ist ein Gesundheitsfachberuf, dessen Ausbildungs- und Prüfungsordnung von der Medical School academia chirurgica GmbH in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie verabschiedet, jedoch nie staatlich als Ausbildungsberuf und Berufsbezeichnung anerkannt worden ist. Ein privater Klinikträger hatte zu Beginn des Jahrtausends nicht ärztliche Assistenten, sog. medizinische Assistenten für Anästhesie (MAfA) in der Anästhesie einbinden wollen. Dagegen hatten sich u. a. der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) mit den Münsteraner Erklärungen I (2004) und II (2007) gewehrt (online unter iww.de/s7316).

Studentische OP-Assistenz

Auch die studentische OP-Assistenz ist keine geschützte Berufsbezeichnung, aber zertifiziert. Das Zertifikat „studentische OP-Assistenz“ gibt die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Jungen Chirurgie (CAJC) der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Visceralchirurgie (DGAV) heraus. Es soll jungen Medizinern bereits im Laufe ihres Studiums erste Erfahrungen im OP-Alltag bescheinigen. Die Anforderungen umfassen einen theoretischen und einen praktischen Teil sowie eine Mindestzahl an OP-Assistenzen: Gefordert sind Assistenzen bei mindestens 15 laparoskopischen und 15 konventionellen Operationen, davon max. 5 aus nicht viszeralchirurgischem Spektrum. (iww.de/s7317). Zz. nehmen 47 Krankenhäuser, davon 17 Universitätskliniken, an der Ausbildung der Studierenden im Rahmen dieses Zertifikats teil.

Die studentische OP-Assistenz ist wohl auch nicht auf die Unterstützung des OP-Teams während der Regelarbeitszeit beschränkt, sondern erfolgt ebenso außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeiten (FAQ online unter iww.de/s7318).

Unterfällt das „Hakenhalten“ dem Arztvorbehalt?

Der Arztvorbehalt ist nur in wenigen Einzelfällen gesetzlich geregelt und bedarf im Übrigen der Auslegung. Andere ärztliche Leistungen dürfen auch auf nicht ärztliches Personal delegiert werden; hierbei wird dann ein nicht ärztlicher Mitarbeiter nicht selbstständig tätig, sondern führt lediglich unwesentliche Teilleistungen unter Verantwortung des anordnenden Arztes aus. Allerdings gibt es keine eindeutige Abgrenzung zwischen dem ärztlichen Handeln vorbehaltenen und delegationsfähigen Tätigkeiten.

Die erste OP-Assistenz ist nach allgemeiner Ansicht keine an nicht ärztliches Personal (Ausnahme: OTA) delegationsfähige Tätigkeit. Sie ist also ausschließlich Ärzten vorbehalten (Kirschner/Heberer 2013, online unter iww.de/s7319), weil sie nicht selten über das bloße Hakenhalten hinausgeht. Zudem können etwaige unvorhersehbare Komplikationen während des Eingriffs ein operatives Mitwirken, d. h. eine originär ärztliche Tätigkeit, erfordern. Das gilt insbesondere bei Notfällen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeiten,

Jedenfalls ist die Delegation von Tätigkeiten an nicht ärztliche Hilfskräfte als organisatorische Maßnahme im Rahmen der Patientenversorgung ein sog. voll beherrschbares Risiko. Im Schadensfall muss die Behandlerseite darlegen und beweisen können, dass die Qualität der Behandlung genauso hoch wie bei ärztlicher Assistenz gewesen ist und sich das Risiko des Patienten durch den Einsatz studentischer OP-Assistenz nicht erhöht hat.

Fazit | Die Ersetzung ärztlicher Mitarbeiter in der OP-Assistenz durch Studierende mit nur wenigen Tagen Praxisanleitung könnte im Haftungsfalle ein zusätzliches Risiko darstellen. Denn es wird die Kausalität vermutet, dass der entstandene Schaden hierauf zurückzuführen ist. Im Rahmen der Arbeitsteilung dürfte der Operateur grundsätzlich darauf vertrauen, dass ein vom Chefarzt gebilligter Einsatz studentischer Hilfskräfte sachgerecht ist, sofern ihm nicht Mängel und unzureichende Kenntnisse und Fähigkeiten der Hilfskraft offensichtlich auffallen. Der verantwortliche Chefarzt sollte bei Bedenken gegen den Einsatz entsprechender Hilfskräfte protestieren, um dann auch den Geschäftsführer im Rahmen eines Organisationsverschuldens „mit ins Boot zu holen“. Allerdings können sich die beteiligten Ärzte hierdurch nicht ohne Weiteres in strafrechtlicher Hinsicht exkulpieren.

AUSGABE: CB 1/2023, S. 4 · ID: 48798944

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