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CBChefärzteBrief

KostenerstattungPrimäre Fehlbelegung? Krankenhäuser können teilstationäre Kosten geltend machen!

Abo-Inhalt17.11.20221093 Min. LesedauerVon RA Malte Brinkmann, armedis Rechtsanwälte, Seesen

| Zwischen Kostenträgern und Krankenhäusern ist häufig streitig, ob eine vollstationäre Behandlung eines Patienten medizinisch zweckmäßig, erforderlich und ausreichend ist. Falls der Medizinische Dienst (MD) dies verneint, zahlen die Kostenträger regelhaft auch nicht für eine hypothetisch notwendige ambulante oder teilstationäre Behandlung. Für den letztgenannten Fall der Notwendigkeit einer teilstationären Behandlung ist dieses Vorgehen der Kostenträger nicht rechtmäßig (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26.04.2022, Az. B 1 KR 5/21 R). |

Sachverhalt

Ein bei der beklagten Krankenkasse versicherter Patient wurde 2015 in der Klinik der Klägerin psychiatrisch vollstationär behandelt. Die Krankenkasse glich die Rechnung zunächst aus und beauftragte den MD mit einer Prüfung, ob eine vollstationäre Behandlung notwendig gewesen ist. Der MD kam zu dem Ergebnis, dass eine ambulante Behandlung ausgereicht hätte. Die Krankenkasse verrechnete daraufhin den gesamten Rechnungsbetrag.

Das Krankenhaus klagte seinen Anspruch vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg ein. Während des Verfahrens wurde der MD erneut beauftragt. Er erkannte nunmehr an, dass eine teilstationäre Behandlung medizinisch erforderlich gewesen sei. Auch ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten bestätigte diese Ansicht. Daraufhin verurteilte das Gericht die Beklagte zur Zahlung der Vergütung, die bei einer teilstationären Behandlung angefallen wäre (Urteil vom 31.07.2019, Az. S 9 KR 1014/16).

Auf die Berufung der Krankenkasse hin hob das Landessozialgericht (LSG) Hamburg diese Entscheidung auf und wies die Klage ab. Die durchgeführte vollstationäre Behandlung sei nicht medizinisch erforderlich gewesen. Die notwendige teilstationäre Behandlung sei kein Minus zur vollstationären Behandlung, sondern folge einem anderen Behandlungskonzept und finde in anderen Bereichen des Krankenhauses statt (Urteil vom 21.01.2021, Az. L 1 KR 106/19).

Nun ging der Krankenhausträger in Revision. Das BSG wiederum hob das Urteil des LSG auf und verwies das Verfahren ans LSG zurück.

Die Entscheidungsgründe des BSG

Das BSG war der Auffassung, dass das LSG insbesondere hätte prüfen sollen, welcher Vergütungsanspruch dem Krankenhaus für die teilstationäre Behandlung zustehe. Dies habe das LSG aber nicht getan. Der Patient habe nur dann einen Anspruch auf vollstationäre Behandlung, wenn das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung erreicht werden könne (Nachrang der vollstationären Behandlung). Zwischen den Parteien sei mittlerweile unstreitig, dass die durchgeführte vollstationäre Behandlung nicht erforderlich gewesen sei, stattdessen habe eine teilstationäre Behandlung ausgereicht. Für eine solche teilstationäre Behandlung habe das Krankenhaus einen Vergütungsanspruch. Denn bei unwirtschaftlicher stationärer Behandlung sei es nicht stets geboten, den Vergütungsanspruch vollständig auszuschließen, wie es sonst bei unwirtschaftlichen Leistungsgegenständen grundsätzlich der Fall sei.

Merke | Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich nicht um gleichermaßen notwendige Behandlungsmöglichkeiten handele. Teilstationäre Behandlung unterscheide sich von der vollstationären im Wesentlichen dadurch, dass sie nicht auf die Aufnahme rund um die Uhr ausgerichtet sei, sondern nur einen Teil des Tages umfasse. Der Nachrang der vollstationären zur teilstationären Behandlung sei eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Dabei ließen sich die Begriffe der Erforderlichkeit und der Wirtschaftlichkeit nicht strikt voneinander trennen, sondern sie überschneiden sich teilweise.

Ein Vergütungsanspruch komme vor dem Hintergrund des in § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V genannten Stufenverhältnisses auch infrage, wenn

  • eine zweckmäßige, medizinisch aber in einer höheren Stufe nicht erforderliche Behandlung erfolgt, aber
  • eine Behandlung in einer niedrigeren Stufe jedoch gleichermaßen zweckmäßig und medizinisch erforderlich gewesen sei.

Die teilstationären Kosten seien unter Berücksichtigung des fiktiven, wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu zahlen. Diese Ansicht entspreche auch der Regelung des § 8 Abs. 3 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG); danach erhalte das Krankenhaus seine Leistungen zumindest als vorstationäre Behandlung vergütet, falls eine vollstationäre Behandlung medizinisch nicht erforderlich sei. Der Gesetzgeber habe damit vermeiden wollen, dass das Krankenhaus trotz erbrachter Leistung gar keine Vergütung erhalte.

Merke | Ähnlich hatte das BSG entschieden, dass für einen nicht notwendigen, stationären Eingriff, der ambulant hätte stattfinden können, zumindest die AOP-Vergütung zu zahlen ist (Urteil vom 18.09.2008, Az. B 3 KR 22/07 R). In einem weiteren vergleichbaren Fall hatte das LSG Nordrhein-Westfalen einem Krankenhaus unter Berücksichtigung des fiktiven, wirtschaftlichen Alternativverhaltens eine ambulante Vergütung zugesprochen (CB 07/2021, Seite 8 f.).

Relevanz für den Chefarzt: Erlöse nicht unkritisch ausbuchen!

Chefärzte werden regelmäßig für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Abteilung verantwortlich gemacht. Das vorliegende BSG-Urteil und der Wille des Gesetzgebers laut § 8 Abs. 3 KHEntgG verdeutlichen, dass die Mitarbeiter der Fachabteilungen in Krankenhäusern nicht unkritisch Erlöse ausbuchen sollten, wenn der Kostenträger eine vollstationäre Behandlung als unnötig ansieht. Vielmehr sollte eruiert werden, ob eine teilstationäre Erbringung im Krankenhaus möglich gewesen wäre bzw. eine vorstationäre oder ambulante Vergütung infrage kommt. Anhand der o. g. Entscheidung des BSG dürften die Krankenhäuser nunmehr deutlich bessere Möglichkeiten haben, dass etwaige Erlöse gesichert werden können.

AUSGABE: CB 1/2023, S. 9 · ID: 48725554

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