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CBChefärzteBrief

ReligionsfreiheitKopftuchverbot für Beschäftigte in Krankenhäusern – in diesen Fällen ist es rechtmäßig

Abo-Inhalt07.11.20221002 Min. LesedauerVon RA Dr. Matthias Losert, Berlin

| Darf Beschäftigten das Tragen eines Kopftuchs aus religiöser Überzeugung am Arbeitsplatz verboten werden? Mit dieser an sich nicht neuen Frage (vgl. CB 11/2014, Seite 4) hat sich im Oktober 2022 der Europäische Gerichtshof (EuGH) erneut befasst. Anlass genug, die aktuelle Rechtsprechung zusammenzufassen. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Unterschied zwischen nicht konfessionellen und konfessionellen Krankenhäusern. |

EuGH: allgemeines Verbot, religiöse Symbole zu tragen, keine Diskriminierung

Ein Verbot des Tragens religiöser Symbole stellt keine Diskriminierung dar, wenn diese Regelung für alle Arbeitnehmer gilt (EuGH, Urteil vom 13.10.2022, Rs. C-344-20). Eine Muslima, die ein Kopftuch trug, bewarb sich bei einem Immobilienunternehmen um ein Praktikum. Das Unternehmen sah darin einen Verstoß gegen die im Unternehmen geltende Weisung, religiöse Symbole zu tragen und lehnte die Bewerbung ab. Die dagegen gerichtete Klage wies der EuGH ab.

Nach dem Urteil des EuGH kann ein Krankenhaus das Tragen religiöser Symbole verbieten. Wenn sich der Arbeitgeber dazu entscheidet, muss er diese Regelung aber auf alle religiösen Symbole anwenden (Gleichbehandlungsgrundsatz). Neben dem Kopftuch wären dann auch eine Halskette mit einem Kreuz oder eine jüdische Kippa unzulässig. Allerdings ist es fraglich, ob man eine Halskette mit einem kleinen Kreuz einem Kopftuch gleichsetzen kann, welches optisch viel stärker in das Gewicht fällt.

Kriterien aus der Rechtsprechung zum Kopftuchverbot

Die Rechtsprechung hat sich mit einem Kopftuchverbot sowohl für Lehrerinnen als auch für Verkäuferinnen beschäftigt. Es wurden hier Kriterien herausgearbeitet, die auch auf Krankenhäuser angewendet werden können.

Merke | Aus der o. g. Rechtsprechung ergibt sich, dass es durch das Tragen eines Kopftuchs zu nachgewiesenen Störungen des Betriebsablaufs kommen muss. Diese können etwa in Beschwerden von Mitarbeitern und Patienten bestehen. Wenn diese konkreten Störungen bestehen, liegt bei einem Kopftuchverbot kein Verstoß gegen den vom EuGH angemahnten Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Denn der EuGH hatte nur über einen Fall zu entscheiden, bei dem der Arbeitgeber überhaupt nicht auf Störungen des Betriebsablaufs Bezug genommen hat. Der Arbeitgeber hatte hier lediglich eine abstrakte betriebliche Weisung aufgestellt, über deren Rechtmäßigkeit der EuGH zu entscheiden hatte.

  • Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen unzulässig ist (Beschluss vom 27.01.2015, Az. 1 BvR 471/10). Die Zulässigkeit eines Verbots besteht erst dann, „wenn das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität führt oder wesentlich dazu beiträgt. […] Darüber hinaus kann ein verfassungsrechtlich anzuerkennendes Bedürfnis bestehen, äußere religiöse Bekundungen über eine gewisse Zeit auch allgemeiner zu unterbinden, wenn in bestimmten Schulen oder Schulbezirken aufgrund substantieller Konfliktlagen über das richtige religiöse Verhalten die Schwelle zu einer hinreichend konkreten Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität […] erreicht wird.“
  • Schon in den 2000er-Jahren urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) dass das Tragen eines Kopftuchs aus religiöser Überzeugung für sich genommen kein Kündigungsgrund ist und gab der Kündigungsschutzklage einer Verkäuferin statt (Urteil vom 10.10.2002, Az. 2 AZR 472/01). Das Gericht führte dazu aus: „Es sind von der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten [Anm. d. Red.: vom Arbeitgeber] keine Tatsachen vorgetragen worden, auf Grund derer es bei einem weiteren Einsatz der Klägerin als Verkäuferin mit einem – islamischen – Kopftuch zu konkreten betrieblichen Störungen oder wirtschaftlichen Einbußen kommen würde.“

Konfessionelle Krankenhäuser: Kopftuchverbot in evangelischem Krankenhaus rechtmäßig

Ein Sonderfall sind konfessionelle Krankenhäuser. Dort gilt neben dem Arbeitsrecht auch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (Westfalen) wies die Kündigungsschutzklage einer Krankenschwester ab (Urteil vom 25.03.2021, Az. 18 Sa 1197/20).

Die Klägerin – eine Krankenschwester muslimischen Glaubens – war in einem evangelischen Krankenhaus beschäftigt. Sie teilte dem Krankenhaus mit, dass sie künftig während der Arbeitszeit ein Kopftuch tragen werde, was sie auch in die Tat umsetzte. Daraufhin erhielt sie zunächst eine Abmahnung und wurde zum 30.09.2020 gekündigt. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg.

Das LAG führte dazu aus: „Die Klägerin verstieß gegen ihre vertragliche Nebenpflicht, sich neutral gegenüber der Evangelischen Kirche zu verhalten, indem sie sich weigerte, ihre Arbeit als Krankenschwester ohne Kopftuch zu verrichten.“ Nach Ansicht des LAG überwiegt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der Evangelischen Kirche nach Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung das Grundrecht der Krankenschwester auf Religionsfreiheit.

Merke | Es gab keine Regelung des evangelischen Krankenhauses, welche etwa das Tragen eines christlichen Symbols verbietet. Dennoch liegt – trotz des o. g. EuGH-Urteils – keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor. Da das kirchliche Selbstbestimmungsrecht überwiegt, gilt weiterhin die Rechtsauffassung des LAG Hamm. Der EuGH musste in seinem Urteil kein kirchliches Selbstbestimmungsrecht beachten.

AUSGABE: CB 1/2023, S. 11 · ID: 48707646

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