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CBChefärzteBrief

DRG-AbrechnungDer impfunwillige Krankenhausarzt, § 20a IfSG und die DRG-Abrechnung – was tun?

Abo-Inhalt27.06.20226869 Min. LesedauerVon RA, FA MedR Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover

| Gemäß § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) können die Gesundheitsämter für Beschäftigte in Krankenhäusern, die sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen wollen, in bestimmten Fällen Beschäftigungsverbote verhängen – mit Folgen für die DRG-Abrechnung: Denn ein Beschäftigungsverbot gefährdet die Erfüllung der abrechnungsrelevanten Strukturmerkmale und damit den Umsatz (CB 03/2022, Seite 6 ff.). Nachdem es um die Vorschrift des §20a IfSG relativ ruhig geworden war, mehren sich seit Mitte Juni 2022 in Nordrhein-Westfalen die Anzeichen, dass die Gesundheitsämter härter durchgreifen. Was Krankenhausträger tun können, fasst der CB zusammen. |

Szenario: Impfunwilliger Arzt gefährdet den Umsatz

Das folgende Fallbeispiel ist zwar fiktiv, aber nicht unrealistisch. Es zeigt, wie die Impfunwilligkeit eines Arztes die DRG-Abrechnung gefährden kann.

Beispiel: Stellvertretender Teamleiter lehnt COVID-19-Impfung ab, Beschäftigungsverbot droht

Ein Facharzt für Neurochirurgie arbeitet in einem Krankenhaus einer norddeutschen Großstadt als stellvertretender Behandlungsleiter des Frührehateams. Der Krankenhausträger benötigt dieses Team, um den OPS-Code 8-552 (neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation) nach dem OPS-Katalog 2021 abrechnen zu können. Grundlage dafür ist eine Positivbescheinigung des Medizinischen Dienstes (MD) im Rahmen der Strukturprüfungen nach § 275d Sozialgesetzbuch (SGB) V (vgl. CB 07/2021, Seite 14 ff.). Im Jahr 2022 rechnet das Krankenhaus für den OPS-Code 8-552 mit einem Umsatzvolumen von 1,35 Mio. Euro. Auch für das Jahr 2023 will der Krankenhausträger eine Positivbescheinigung beantragen. Aus persönlichen Gründen lehnt der Neurochirurg die COVID-19-Impfung ab. Es droht ein Beschäftigungsverbot durch das Gesundheitsamt. Für den impfunwilligen Arzt gibt es keinen Ersatz als stellvertretenden Behandlungsleiter des Frührehateams. Die Geschäftsführung des Krankenhauses hat mit dem Arzt intensive Gespräche geführt, um ihn von einer Impfung vor dem 15.03.2022 zu überzeugen. Der Arzt hat sich jedoch geweigert. Der Krankenhausträger hat inzwischen das zuständige Gesundheitsamt unterrichtet und diesem die personenbezogenen Daten des Arztes übermittelt (§ 20a Abs. 2 IfSG). Nun fürchtet die Geschäftsführung, dass das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot gegen den Arzt verhängt. Die Folge wäre, dass, mehr als einen Monat nachdem das Beschäftigungsverbots verhängt wurde, die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie der zuständige MD informiert werden müssen. Danach könnte der OPS-Code 8-552 nicht mehr abgerechnet werden (§ 275d Abs. 3 S. 3 SGB V). Auch die Voraussetzungen für die Beantragung der Positivbescheinigung für das Jahr 2023 würden wegfallen.

§ 20a IfSG in der praktischen Anwendung

Unmittelbar nach Inkrafttreten der Vorschrift des § 20a IfSG hatten die Gesundheitsämter heftige Kritik geäußert, dass sie gar nicht in der Lage seien, die Vorschrift in der Praxis umzusetzen. Danach ist es um die Regelung in der Praxis relativ ruhig geworden. Eine Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen, da die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt worden sei (BVerfG, Beschluss vom 02.05.2022, Az. 1 BvR 625/22).

Inzwischen zeigen erste Medienberichte, dass ungeimpfte Beschäftigte im Gesundheitswesen kein Einzelfall sind und dass die ersten Gesundheitsämter nun reagieren wollen: Wie die RP online vom 28.05.2022 mitteilt (online unter iww.de/s6616, abgerufen am 27.06.2022), sind in Düsseldorf vermutlich 865 Beschäftigte in Gesundheitseinrichtungen i. S. d. § 20a IfSG ungeimpft, im Rhein-Kreis Neuss ca. 457 Beschäftigte und in Duisburg 655 Beschäftigte. Die Gesundheitsämter hätten bereits in einem Fall in Düsseldorf ein Bußgeld von 1.000 Euro verhängt, der Rhein-Kreis Neuss wolle ab dem 15.06.2022 Beschäftigungsverbote aussprechen und das Gesundheitsministerium in Düsseldorf gehe von der Verhängung von Beschäftigungsverboten ab dem 16.06.2022 aus (online unter iww.de/s6617, abgerufen am 27.06.2022).

Diese Möglichkeiten haben Krankenhausträger

Angesichts der o. g. Zahlen sind Szenarien wie das eingangs beschriebene denkbar. Krankenhausträger haben mehrere Optionen zu reagieren.

Erklärung des betreffenden Mitarbeiters für unentbehrlich

Grundsätzlich steht die Entscheidung über ein Beschäftigungsverbot gemäß § 20a IfSG im Ermessen des Gesundheitsamts. Wie die Autoren des o. g. Berichts in RP online richtig feststellen, haben betroffene Gesundheitseinrichtungen die Möglichkeit, den betroffenen Mitarbeiter gegenüber dem Gesundheitsamt für unentbehrlich zu erklären (s. u.). Dies gilt aber nur für Personen, die in der Einrichtung bereits vor dem 16.03.2022 beschäftigt waren. Für Mitarbeiter, die erst ab dem 16.03.2022 in der Einrichtung beschäftigt sind, haben die Gesundheitsämter keinen Ermessensspielraum. Hier muss das Beschäftigungsverbot verhängt werden.

Mitarbeiter für die Einrichtung unentbehrlich – mögliche Begründungen

  • Der Beschäftigte erfüllt in seiner Person das allgemeine Strukturmerkmal eines bestimmten OPS-Komplexcodes, den das Krankenhaus bei Verhängung eines Beschäftigungsverbots nicht mehr abrechnen bzw. für das Folgejahr auch nicht mehr beantragen könnte. Gleiches ist in Fällen denkbar, wo der MD für das Vorhandensein einer bestimmten Therapieform (z. B. Neuropsychologie bei der OPS-Ziffer 8-552) zwei Neuropsychologen verlangt und einer von beiden sich ebenfalls nicht impfen lassen will.
  • In Regionen mit niedriger Impfquote unter den Pflegekräften kommt auch eine Berufung auf die Personaluntergrenzenverordnung (PpUGV) in Betracht.
  • Der ungeimpfte Mitarbeiter ist aus anderen Gründen unentbehrlich (z. B. weil er eine zentrale Funktion im Krankenhaus ausübt und er in dieser Funktion unersetzbar ist, z. B. Strahlenschutzbeauftragter).
  • Wichtig | In allen o. g. Fällen wird das Krankenhaus gegenüber dem Gesundheitsamt zusätzlich belegen müssen,
    • dass man sich vergeblich um Ersatz für die bekennenden Impfgegner im Personal bemüht hat und
    • welche Vorkehrungen bei einem Verbleib des ungeimpften Personals in der Einrichtung getroffen wurden.

Arbeitsrechtliche Maßnahmen

Arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen Krankenhausmitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen, sind in § 20a IfSG nicht geregelt. Denn die Zuständigkeit der Gesundheitsämter beschränkt sich auf den Infektionsschutz. Arbeitsrechtliche Schritte sind dagegen Sache der Krankenhausträger als Arbeitgeber. Sie dürften eher nicht in Betracht kommen, wenn man den Mitarbeiter, der sich nicht impfen lassen will, schon deshalb halten muss, weil er unentbehrlich ist. Hat der Krankenhausträger personellen Ersatz gefunden, sind arbeitsrechtliche Maßnahmen eine Option.

Inzwischen gibt es zur Kündigung impfunwilliger Beschäftigter in Gesundheitseinrichtungen erste Entscheidungen der Arbeitsgerichte. Diese lassen Rückschlüsse darauf zu, welche Möglichkeiten den Krankenhäusern offenstehen. Die beiden folgenden Entscheidungen lesen sich so, dass fristlose Kündigungen des Arbeitsverhältnisses gegen ungeimpfte Krankenhausmitarbeiter nach Verhängung eines Beschäftigungsverbots Aussicht auf Erfolg haben dürften. Das gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber sich auf Nachteile aus § 275d SGB V oder der PpUGV beim Verbleib der betroffenen Mitarbeiter in der Einrichtung berufen kann und er geimpftes Personal zur Verfügung hätte, das den Platz des ungeimpften Mitarbeiters besetzen könnte.

Impfunwillige Krankenhausmitarbeiter – aktuelle Rechtsprechung

Arbeitsgericht (ArbG) Lübeck, Urteil vom 13.04.2022, Az. 5 Ca 189/82 (vgl. Beitrag online vom 20.04.2022, Abruf-Nr. 48212431)

Das Gericht sah eine hilfsweise erklärte fristlose Kündigung mit sozialer Auslauffrist im Fall einer Krankenschwester als wirksam an. Die Krankenschwester hatte durch Vorlage einer nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhenden Bescheinigung versucht, ihren Arbeitgeber – eine Klinik – über ihre Impfunfähigkeit zu täuschen.

Das Gericht sah hierin einen schwerwiegenden Verstoß vonseiten der Krankenschwester gegen ihre auf § 20a Abs. 2 S. 1 IfSG beruhende arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Arbeitgeber korrekt zu informieren.

ArbG Bonn, Entscheidung vom 07.06.2022, Az. 2 Ca 2082/21

Das Gericht befasste sich mit der fristlosen Kündigung eines Auszubildenden in einem Krankenhaus (zu der Entscheidung gab es bis zum Redaktionsschluss nur eine Pressemitteilung). Danach hatte das Krankenhaus eine einrichtungsbezogene Impfpflicht verhängt. Der Auszubildende hatte sich trotzdem geweigert, sich impfen zu lassen. Die anschließende fristlose Kündigung durch den Krankenhausträger sah das Gericht wegen fehlender Abmahnung als unwirksam an. Das Krankenhaus wurde weiterhin verurteilt, dem Auszubildenden auch über den 15.03.2022 hinaus seinen Lohn zu zahlen.

Zur Begründung verwies das Gericht auf die Regelung des § 20a IfSG. Demnach könne das zuständige Gesundheitsamt für Beschäftigte, die vor dem 15.03 2022 in einer Einrichtung tätig waren, ein Beschäftigungsverbot verhängen. Es sei aber nicht dazu verpflichtet. Ein solches Beschäftigungsverbot hatte die Behörde hinsichtlich des Auszubildenden noch nicht ausgesprochen. Der Krankenhausträger hatte sich stattdessen auf die von ihm selbst verhängte einrichtungsbezogene Impfpflicht berufen. Nachdem – so das Gericht – § 20a IfSG hier nicht zur Anwendung komme, sondern der Krankenhausträger sich für die fristlose Kündigung nur auf die von ihm selbst verhängte einrichtungsbezogene Impfpflicht stützen könne, sei die Kündigung ohne vorherige Abmahnung unwirksam.

Weiterführender Hinweis
  • Impfverweigerer in Krankenhäusern und MVZs: So minimieren Sie das Risiko für die Abrechnung (CB 03/2022, Seite 6 ff.)

AUSGABE: CB 8/2022, S. 8 · ID: 48426866

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