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CBChefärzteBrief

KonfliktmanagementSo gelingt die Konfliktbearbeitung innerhalb von oder zwischen Krankenhausabteilungen

Abo-Inhalt21.01.20221225 Min. LesedauerVon Ludger Dabrock, Dabrock-Consulting GmbH

| Konflikte am Arbeitsplatz sind normal – auch in Kliniken. Je „höher“ die Führungsposition, je zahlreicher die zu steuernden Prozesse und Schnittstellen und je größer die Zahl der Mitarbeitenden, desto größer wird für Chefärzte häufig der Anteil der Konfliktarbeit im Verhältnis zur Arbeitszeit. Die schlechte Nachricht: Konflikte am Arbeitsplatz Klinik „verschwinden“ in der Regel nicht von selbst, Aussitzen funktioniert in der Praxis selten. Die gute Nachricht: Fast alle Konflikte lassen sich – Bereitschaft der involvierten Personen vorausgesetzt – klären oder zumindest so bearbeiten, dass die Arbeitsfähigkeit von Bereichen erhalten bleibt oder wieder hergestellt wird. |

Selten geht es nur um die Sache ...

Im klinischen Arbeitsalltag werden Konflikte oft auch dann als „reine“ Sachkonflikte wahrgenommen, wenn es eigentlich um Interessen, Beziehungen, Werte oder auch Strukturen geht.

Zwei Beispiele aus dem Klinikalltag

Beispiel 1: Konflikt zwischen zwei Abteilungen um die Patienten

Dr. Maja (alle Namen von der Redaktion geändert), Chefarzt der Gastroenterologie, und Prof. Dr. Müller, Chefarzt der Geriatrie tragen seit längerer Zeit offen ihre Konflikte aus. Zwischen ihnen ist u. a. nicht geklärt, in welcher Abteilung multimorbide Patienten im Alter über 75 Jahre, die keine geriatrische Komplexbehandlung erhalten, primär behandelt werden. Mittlerweile strahlt der Konflikt auch auf nachgeordnete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus. Ein erster Klärungsversuch der Geschäftsführung ist gescheitert.

Beispiel 2: Konflikt zwischen neuem Chefarzt und „Nachfolger der Herzen“

Priv.-Doz. Dr. Schmidt hat als Chefarzt die Nachfolge von Dr. Strauss angetreten. Strauss war 18 Jahre Chefarzt der Chirurgie und hat alle vier Oberärzte persönlich eingestellt. Ltd. OA Dr. Talk ist 63 und Vorsitzender des Personalrates. Er sieht sich in der eigentlichen Nachfolge von Dr. Strauss und möchte das Erbe bewahren. Sein Draht zu Strauss ist weiterhin eng. Schmidt hat von der Geschäftsführung den Auftrag, die Abteilung neu auszurichten und die Behandlungsqualität zu verbessern. Es habe in der Vergangenheit deutliche Beschwerden aus dem ambulanten Bereich zur Behandlungsqualität in der Abteilung gegeben, so die Auffassung der Geschäftsführung. Schmidt und Talk tragen ihre Konflikte nicht nur intern aus, sondern auch vor Kollegen und bei gemeinsamen Visiten für Patienten. Die Positionen und Fronten sind zunehmend verhärtet. Es kommt zu Solidarisierungen, insbesondere mit Talk. Schmidt ist zunehmend isoliert, hofft auf Unterstützung des ÄD und der GF, die aber ausbleibt. Nach sieben Monaten kündigt Schmidt entnervt: „Mit denen kann ich nicht arbeiten“. Kommissarischer CA wird Talk.

Klärung auf der Sachebene löst Konflikt nicht

Die Folge: Findet eine „Klärung“ ausschließlich auf der „Sachebene“ statt, ohne die anderen Dimensionen zu berücksichtigen, bleibt der Konflikt bestehen und taucht bei nächstbester Gelegenheit wieder auf. Das sind dann die „Waffenstillstandsvereinbarungen“, die Konflikte scheinbar „unter der Decke“ halten, aber selten zur Klärung führen.

Gefahrenpotenzial und Folgen ungelöster Konflikte

Gefahrenpotenzial ungelöster Konflikte

Die Folgen: Ungelöste Konflikte ...

  • Je höher die Komplexität in Klinikunternehmen, je größer die Zahl der Schnittstellen, desto mehr mögliche potenzielle Reibungsflächen und Konfliktfallen gibt es.
  • Konflikte sind immer ein Zeichen für Energie – es kommt darauf an, wie wir damit umgehen.
  • Aussitzen von Konflikten funktioniert in der Führungspraxis selten.
  • „Waffenstillstände“ halten Konflikte nur „unter der Decke“, führen aber nicht zur Klärung.
  • Im Führungsalltag wachsen die Konflikte proportional mit der Größe der Aufgabe oder der Verantwortung.
  • Überproportional viele Konflikte in einem Bereich oder einer Klinik sind immer ein Alarmsignal.
  • verdecken Probleme.
  • erschweren oder verhindern Kommunikation.
  • lösen Resignation und Motivationsverlust aus.
  • bewirken Ignoranz und erschweren Beziehungen.
  • blockieren (Lern-)Prozesse und binden Energie.
  • führen zu Verletzungen.
  • verhindern Lösungen.
  • führen zu Reputationsverlust.
  • gefährden (Behandlungs-)Ergebnisse.
  • führen zu Kündigungen.

Der Konfliktforscher Friedrich Glasl macht darauf aufmerksam, dass Konflikte häufig in Stufen verlaufen und die im Alltag immer wieder erfahrbare unangenehme Eigenschaft haben, zu eskalieren, wenn sie nicht frühzeitig bearbeitet und gelöst werden.

CB_Grafik_Konflikt.eps (© IWW Institut)
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© IWW Institut

Lösungsansätze: Worum geht es hier wirklich?

Bei jedem Konflikt sollten Sie kritisch fragen: Worum geht es hier wirklich? Für Sie als Führungskraft ist wichtig, dass überproportional viele Konflikte in einem Bereich oder in einer Klinik immer ein Alarmsignal darstellen und daher die Führungs- und Managementprozesse dringend überprüft werden müssen. In manchen Fällen sollten Sie nicht davor zurückscheuen, die eigene Haltung und das eigene Verhalten zu Führungs- und Konfliktfragen kritisch zu hinterfragen.

Methoden zur Konfliktlösung sind das Verhandeln nach dem Harvard-Modell oder die Konfliktlösung per Mediation. Gerade Letztere werden Sie ohne Moderator bzw. Mediator kaum umsetzen können. Die untere Liste können Sie aber unabhängig davon schon zur Vorbereitung nutzen.

Die vier Kernpunkte des Harvard-Modells

  • 1. Trennen Sie Menschen und Probleme. (Gehen Sie das Problem und nicht die Person an.)
  • 2. Konzentrieren Sie sich auf die Interessen und nicht auf die Positionen (Warum ...? Warum nicht ...?)
  • 3. Suchen Sie Entscheidungsalternativen. (Je mehr Lösungsoptionen, desto besser! Es geht um die bestmögliche Lösung, nicht um die schnellste. Es gibt i. d. R. nicht nur die „eine“ Lösung!)
  • 4. Entscheiden Sie auf der Basis von gemeinsam vereinbarten neutralen Beurteilungskriterien.

Mediation zur Konfliktlösung

  • 1. Sammeln Sie gemeinsam Themen und gewichten Sie diese. (Was ist passiert? Was sind Ihre Themen?)
  • 2. Klären Sie Interessen und Bedürfnisse. (Was ist Ihnen wichtig daran? Was wollen Sie sicherstellen? Welche Bedeutung hat das für Sie?)
  • 3. Entwickeln Sie Lösungsoptionen. (Wie könnte eine tragfähige Lösung aussehen? Wie müsste eine Lösung aussehen, damit sie garantiert keinen Bestand hat?)
  • 4. Legen Sie Bewertungskriterien fest. (In welchen Optionen finden Sie Ihre Interessen wieder und wann wäre eine Lösung für Sie fair? Welche Maßstäbe von Gerechtigkeit müssten erfüllt sein?)
  • 5. Verhandeln Sie zukunfts- und (!) lösungsorientiert. (Sehen Sie sich die Optionen an, zu welchen möchten Sie ein Angebot machen? Habe ich Sie richtig verstanden, dass...? Darf ich das als vorläufiges Ergebnis festhalten?)
  • 6. Treffen Sie konkrete (!) Vereinbarungen (Welche Form: schriftlich oder mündlich? Was möchten Sie für den Fall vereinbaren, dass Probleme in der Umsetzung auftreten? Wie geht es Ihnen mit der Lösung?)

Hier gilt der Grundsatz: Je größer der Eskalationsgrad, desto schwieriger die Lösung. Suchen Sie sich in eskalierten Konflikten einen externen neutralen (!) Verhandlungsprofi oder Mediator, wenn Sie Interesse an einer Lösung haben. Diese Investition ist immer sinnvoller und meistens wirtschaftlicher als langwierige lähmende Konflikte oder gar gerichtliche Streitverfahren.

Zum Autor | Ludger Dabrock ist auf das Gesundheitswesen spezialisierter Berater, Führungscoach, Experte für Konfliktlösungen und Geschäftsführer der Dabrock Consulting GmbH, dabrock-consulting.de sowie der Chefvisite, Hamm, chefvisite.de

Weiterführende Hinweise
  • Fehlerkommunikation: So vermeiden Sie Gerichtsverfahren und Reputationsverluste (CB 06/2018, Seite 12)
  • Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte und Berater. 12. Auflage 2020.
  • Fisher/Ury/Patton: Das Harvard-Konzept: Die unschlagbare Methode für beste Verhandlungsergebnisse. 6. Auflage 2018
  • Karl Kreuser, Thomas Robrecht: Wo liegt das Problem? So machen Sie Ihr Team in 3 Stunden wieder arbeitsfähig. 2016
  • Knapp, Peter (Hg.): Konfliktlösungs-Tools. 7. Auflage 2021
  • Montada, Leo und Kals, Elisabeth: Mediation. 3 Auflage 2013
  • Malik, Fredmund: Führen-Leisten-Leben. 2019

AUSGABE: CB 2/2022, S. 18 · ID: 47887543

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