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TherapiesicherheitMDS-Jahresstatistik 2020: Die meisten Behandlungsfehlervorwürfe betreffen operative Eingriffe
| Zwei Drittel der von Patientenseite erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe betreffen Behandlungen in der stationären Versorgung. Das geht aus der Begutachtungsstatistik 2020 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) hervor (siehe weiterführenden Hinweis). Von den Fachgebieten lagen wie in den Vorjahren Orthopädie und Unfallchirurgie deutlich vorn. Das muss aber nicht heißen, dass dort auch die meisten Kunstfehler passieren. |
Inhaltsverzeichnis
Etwa 14.000 Gutachten erstellt der MD pro Jahr
Die Gesamtzahl der vom MD vorgenommenen ärztlichen Begutachtungen zu Behandlungsfehlervorwürfen liegt seit Jahren auf einem gleichbleibenden Niveau bei etwa 14.000 Fällen pro Jahr bundesweit. Im Jahr 2020 wurden 14.042 Gutachten zu von Patienten vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. Aber nur in jedem vierten Fall wurde ein Fehler bestätigt und ein Schaden festgestellt, in jedem fünften Fall war der Fehler ursächlich für den Schaden. Eine grafische Aufschlüsselung der gutachterlichen Ergebnisse finden Sie online unter iww.de/s5878 sowie auf Seite 9 der Begutachtungsstatistik.
Welche Fehler passieren am häufigsten?
Knapp zwei Fünftel der 4.099 festgestellten Fehler (38,6 Prozent) beruhen darauf, dass eine indizierte diagnostische oder therapeutische Maßnahme nicht vorgenommen wurde. Weitere knapp zwei Fünftel (39,3 Prozent) bestehen darin, dass eine Maßnahme fehlerhaft durchgeführt wurde. In deutlich weniger Fällen bestand der Kunstfehler darin, die falsche Behandlungsmaßnahme einzuleiten (9,4 Prozent) oder die Maßnahme zu spät durchzuführen (12,1 Prozent). Grafik über die Fehlerarten auf Seite 26 der Begutachtungsstatistik.
Forderung: Never events sollen reduziert werden
Bei der Vorstellung seiner Jahresstatistik forderte der MDS – unter Bezugnahme auf die WHO –, systematische Anstrengungen zu unternehmen zur Reduzierung vermeidbarer unerwünschter Ereignisse, die schwere Schädigungen verursachen. Diese sog. Never Events seien für das Erkennen, Umsetzen und Bewerten von Sicherheitsmaßnahmen von großer Bedeutung. Dazu gehörten z. B. Patienten- und Seitenverwechslungen, Medikationsfehler oder zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen.
Die Folgen: Zwei Drittel der Schäden sind vorübergehend
In zwei Dritteln der begutachteten Fälle waren die Gesundheitsschäden der Patienten vorübergehend. D. h., dass eine Intervention oder ein Krankenhausaufenthalt notwendig war oder verlängert werden musste. In rund einem Drittel der Fälle wurde hingegen ein Dauerschaden verursacht. In knapp drei Prozent der Fälle (n = 82) hat ein Fehler gemäß MD-Begutachtung zum Versterben des Patienten geführt oder wesentlich dazu beigetragen.
Krankenhäuser weit mehr im Fokus als niedergelassene Ärzte
Auch weiterhin gilt: Nach Krankenhausbehandlungen erheben Patienten wesentlich häufiger Behandlungsfehlervorwürfe als nach Behandlungen durch niedergelassene Ärzte im ambulanten Bereich. Zwei Drittel der Vorwürfe bezogen sich auf Behandlungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (9.293 Fälle). Dagegen richtete sich nur ein Drittel der von Patienten erhobenen Vorwürfe gegen Arztpraxen (4.723 Fälle).
Merke | Daraus kann aber nicht geschlussfolgert werden, dass in Krankenhäusern „schlampiger“ gearbeitet würde als in Praxen. Vielmehr könne als Hintergrund dieser Verteilung angesehen werden, dass sich die meisten Behandlungsfehlervorwürfe auf operative Eingriffe bezögen – und diese erfolgten zumeist in der stationären Versorgung, so die Deutung des MDS. |
Welche Fachgebiete sind am häufigsten betroffen?
Die von den MD-Gutachtern festgestellten Fehler reichen von Knie- und Hüftgelenksimplantationen über Zahnentfernungen bis hin zu Knochenbrüchen, Gallensteinbehandlungen oder Operationen am Grauen Star. Mit knapp 31 Prozent aller Vorwürfe lagen Orthopädie und Unfallchirurgie wiederum klar vorn. Mit deutlichem Abstand folgen auf den Plätzen die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (11,6 Prozent), Allgemein- und Viszeralchirurgie (9,2 Prozent), Zahnmedizin (8,5 Prozent), Frauenheilkunde und Geburtshilfe (8,0 Prozent) sowie Pflege (6,4 Prozent). Eine grafische Aufschlüsselung nach Fachgebieten finden Sie online unter iww.de/s5879 sowie auf Seite 14 der Begutachtungsstatistik.
Hieraus lasse sich jedoch nichts über die tatsächliche Fehlerquote oder die Patientensicherheit auf dem jeweiligen Fachgebiet ableiten, so der MDS bei der Veröffentlichung der Statistik. Betroffene könnten Fehler bei chirurgischen Eingriffen meist leichter erkennen als z. B. Medikationsfehler auf der Intensivstation. In konservativen Fachgebieten oder etwa in der Intensivmedizin sei es für Patienten oftmals schwieriger, Fehler zu erkennen. Daher würden Vorwürfe in diesen Bereichen vermutlich seltener erhoben.
Fazit | Die Zahlen zeigen lediglich die Begutachtungsergebnisse des MD. Sie sind daher genauso wenig repräsentativ für tatsächlich auftretende Fehler in der Versorgung wie Daten anderer Institutionen. Gleichwohl lassen sich schon Tendenzen und Häufungen feststellen, etwa was Fehlerarten oder die betroffenen Fachgebiete angeht. Die „neuralgischen“ Punkte im Behandlungsmanagement sollte der Chefarzt kennen, um die nachgeordneten Ärzte seiner Abteilung entsprechend sensibilisieren zu können. |
- MDS (Hg.): Behandlungsfehler-Begutachtung der Gemeinschaft der Medizinischen Dienste. Jahresstatistik 2020. Essen 2021. Online unter iww.de/s5880
AUSGABE: CB 2/2022, S. 12 · ID: 47918277