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Internationaler Kfz-HandelWie Kriminelle den Kfz-Export nach Russland trotz Verbot steuern und worauf Händler achten müssen

Top-BeitragAbo-Inhalt01.10.2024737 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Andreas Glotz, Rechtsanwalt, Geschäftsführer Deutsche Gesellschaft für Geldwäscheprävention mbH Köln und Tetiana Yurkiv, Köln

| Der Handel mit deutschen Luxusfahrzeugen in Russland floriert – trotz EU-Sanktionen inkl. Exportverbot. Verkauft werden sie von zwielichtigen Zwischenhändlern, die die komplexen und teils widersprüchlichen Sanktionsregelungen geschickt für ihre kriminelle „Umgehungsstrategien“ ausnutzen. Wie deutsche Händler oft unwissentlich Teil dieser illegalen Geschäfte werden, erfahren Sie in einer zweiteiligen ASR-Serie. Teil 1 zeigt, worauf Händler achten können, um nicht in die Falle krimineller Machenschaften zu geraten, und gibt Tipps zur Prävention. |

Russische Käufer zahlen für unkomplizierte Kfz-Beschaffung

Auf russischen Internetseiten finden sich zuhauf neue und gebrauchte Fahrzeuge. Meist handelt es sich um höherwertige Marken; besonders beliebt scheinen hochmotorisierte SUV zu sein. Zu sehen sind Angebote mit teilweise noch deutscher Preisangabe. Die Fotos stammen aus den Showrooms deutscher Händler; daneben gibt es Fahrzeug- und Ausstattungsbeschreibungen.

Bei Neufahrzeugen oder sehr jungen Gebrauchtwagen werden regelmäßig Preisaufschläge von 100 bis 150 Prozent auf die deutschen Händlerpreise verlangt. Bei jungen hochwertigen Gebrauchtfahrzeugen mit niedriger Laufleistung dient als „Orientierungspunkt“ für den russischen Käufer häufig der deutsche Angebotspreis des Händlers. Der tatsächliche Verkaufspreis in Russland inkl. Transportkosten und Zollgebühren lässt sich oft nicht klar ermitteln. Es gibt aber Anhaltspunkte dafür, dass die „Vermittlungsprovision“ zwischen 50 und 75 Prozent des Fahrzeugpreises liegt.

Der Klassiker ist aber die „schlüsselfertige Lieferung“ zum Festpreis. Das bedeutet: Der zahlungskräftige Käufer wählt nur das gewünschte Modell aus, zahlt und wartet auf die Auslieferung. Der Transportfahrer erhält ein Honorar von 300 Euro bis 400 Euro nebst Spesen; die Zollgebühren werden mit etwa 2.000 Euro angegeben.

In entsprechenden russischen Foren finden sich konkrete Handlungsanweisungen, wie der Zwischenhändler am besten Händler und Zoll täuschen kann. Dazu gehören z. B. Hinweise, wie er sich dem deutschen Händler gegenüber darstellen sollte, welche Informationen er vorgeben soll und welche Details der Fahrer bei der Fahrzeugabholung keinesfalls erwähnen darf. Kurzum: Alles zielt darauf ab, das Exportverbot nach Russland zu verschleiern.

Das sind Indizien für eine Sanktionsumgehung

Händler können anhand von Indizien darauf schließen, dass Export-Sanktionen umgangen werden sollen. Sie sind denen des Geldwäscherechts ähnlich.

Checkliste / Indizien für Sanktionsumgehung (nicht abschließend; klassische Vorgehensweisen)

  • Ist die „Legende“ eines angeblichen Wiederverkäufers stimmig?
  • Beispiel | Der Wiederverkäufer behauptet, das Fahrzeug nach Polen exportieren zu wollen. Das Transportfahrzeug hat aber belarussische Kennzeichen oder taucht dann bei einer baltischen Zollstelle auf.

  • Sind die Angaben des Wiederverkäufers widersprüchlich?

  • Gab es eine Preisverhandlung, oder hat der Wiederverkäufer den Angebotspreis anstandslos akzeptiert? Oder bietet er sogar einen Aufpreis an?
  • Beispiel | Das Fahrzeug wurde für 98.000 Euro angeboten, der Kaufinteressent bot aber von vornherein einen Kaufpreis von 105.000 Euro an. Das könnte ein Hinweis auf eine Auftragsbestellung sein.

  • Stimmen die Angaben des Käufers mit später vorgelegten Exportdokumenten überein?

  • Handelt es sich um einen professionellen Wiederverkäufer mit eigenen Geschäftsräumen, Internetauftritt etc.? Oder lässt bereits ein einfacher Blick in Google Street View daran zweifeln?
  • Beispiel | Ein Friseur aus einem Anrainerstaat kauft mehrere Luxusfahrzeuge. Das lässt eine Strohmanntätigkeit vermuten.

  • Welche Handelsdokumente oder Verbringungsnachweise werden vorgelegt?

  • Gibt es die Anschriften wirklich? Sind sie nachprüfbar? Lassen diese auf einen Strohmann schließen?

  • Kann ein Online-Übersetzungsdienst (z. B. DeepL) weiterhelfen, wenn dort die Dokumente eingelesen werden?

  • Sind Abgleiche in Datenbanken erfolgt?
  • Beispiel | Eine Person, die auf Sanktionslisten geführt wird, erwirbt Fahrzeugersatzteile und Accessoires und lässt diese an eine zypriotische Adresse liefern.

  • Sind Kaufvertragspartner und Kaufpreiszahler identisch?

  • Ergeben sich Abweichungen, möglicherweise bei Teil- oder Anzahlungen? Und wenn ja, wie plausibel werden diese Abweichungen erklärt?
  • Beispiel | Der Käufer leistet eine Anzahlung, die Restzahlung erfolgt von einem Dritten über ein ausländisches Institut oder über einen Zahlungsverkehrsdienstleister. Dieser Dritte lässt sich allerdings nicht oder nur schwer ermitteln. Die Umsatzsteuerkaution soll auf ein abweichendes Konto geleistet werden.

  • Welche Angaben macht der Fahrer bzw. der Transporteur?

  • Sind die Angaben des Fahrers deckungsgleich mit den Angaben des Käufers?
  • Wichtig | Tritt der Fahrer als Bote auf, ist er geldwäscherechtlich ohnehin zu identifizieren.
  • Praxistipp | Um zumindest nachgelagert Ermittlungen zu ermöglichen, ist es sinnvoll, neben der Ausweiskopie des Fahrers auch das Nummernschild des transportierenden Fahrzeugs zu fotografieren.

Sanktionsinhalte und -ziele sind nicht einheitlich

Anfällig für kriminelle Machenschaften sind die Sanktionsregelungen deswegen, weil sie so unterschiedlich sind – und genau das macht die Situation auch für Händler unübersichtlich. Die Sanktionsregelungen für Russland selbst sind eindeutig und klar; diejenigen für Exporte nach Belarus weichen davon aber stark ab: Während die Russland-Embargo-VO (EU) 833/2014 den Export von Fahrzeugen und Ersatzteilen generell verbietet, legt die Belarus-VO (EG) 765/2006 den Schwerpunkt darauf, den Handel mit sanktionierten Personen oder Unternehmen zu unterbinden. Wieder andere Regelungen gelten für mit Russland „befreundete“ Länder wie Kirgisistan oder Aserbaidschan.

Zudem ist vielen Händlern nicht klar, für welche Fahrzeuge die Exportbeschränkungen nach Russland gelten. Die vielen bekannte Wertgrenze von 50.000 Euro ist inzwischen weggefallen. Nunmehr gilt – aufgrund von Art. 3k i. V. m. Anhang XXIII der Russland-Embargo-VO (EU) 833/2014 – eine Hubraumbegrenzung von > 1.900 cm3 bei Verbrennerfahrzeugen; für Elektrofahrzeuge gilt das Exportverbot generell. Zwischen Gebraucht- und Neufahrzeugen wird nicht unterschieden.

Fakt ist: Das Ziel der EU, durch das Embargo den Handel mit Russland unmöglich zu machen bzw. massiv zu erschweren, hat einen blühenden Schwarzmarkt über unseriöse Zwischenhändler hervorgebracht. Die Krux liegt darin, dass die Sanktionen nur bei einem direkten Export nach Russland anwendbar sind. Sie gelten ausdrücklich nicht bzw. eingeschränkt, wenn das Fahrzeug in einen Anrainerstaat wie Belarus oder Kasachstan exportiert werden soll.

Händlern drohen Bußgelder von bis zu 500.000 Euro

Selbst wenn den deutschen Zollbehörden ein Fahrzeug „durchrutscht“, erzielen Grenzkontrollen in Polen oder in den baltischen Staaten immer wieder Ermittlungserfolge. Über Kontrollmitteilungen können somit auch deutsche Händler in den Ermittlungsfokus geraten. Im Zweifel gilt das altbekannte Sprichwort „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, sprich dokumentieren Sie durchgeführte Recherchen, Datenbankabfragen, Ausweispapiere sowie Transport- und Verbringungsdokumente gründlich. So haben Sie etwas in der Hand, wenn Sie ins Visier der Behörden geraten sollten.

Wichtig | Dokumentieren Sie ebenfalls, warum Sie von einer Verdachtsmeldung abgesehen haben. Denn letztlich kann eine nicht abgegebene Verdachtsmeldung teuer werden: Es drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 500.000 Euro.

Praxistipp | Eine gute Orientierung bieten Ihnen an dieser Stelle auch die Vorgaben des Geldwäschegesetzes. Die Typologiepapiere der FIU und die Abgabe einer Verdachtsmeldung sollten dem Handel bekannt sein. Generell gilt: Datenbanknutzung, gründliche Recherche und abschließende Dokumentation eines Verkaufsvorgangs mindern Ihr Risiko deutlich, in dubiose Exportpraktiken einbezogen zu werden.

Fazit | Echte kriminelle Energie wird für Sie als Händler immer schwer aufzudecken sein. Dem „Wildwuchs“ krimineller Zwischenhändler können Sie aber begegnen, indem Sie die Angaben des Käufers gründlich prüfen und nicht nur nach der Provision schielen. Gut beraten sind Sie, ähnlich den Vorgaben des Geldwäschegesetzes zu agieren und auf Ihr Bauchgefühl zu vertrauen.

Weiterführende Hinweise
  • Lesen Sie in Teil 2 der ASR-Serie, was Sie als Händler immer unternehmen sollten und an wen Sie sich „im Falle des Falles“ wenden können.
  • Checkliste „Indizien für Sanktionsumgehung“ zum Download → Abruf-Nr. 50184315
  • Die FIU hat ein Typologiepapier zur Sanktionsumgehung herausgegeben. Herunterladen können es dort registrierte Geldwäschebeauftragte. Es ist aber nur bedingt hilfreich.

AUSGABE: ASR 10/2024, S. 3 · ID: 50128530

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