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ComplianceNachhaltigkeit im Autohaus: So gehen Sie die CSRD-Berichtspflicht strategisch am besten an
| CSRD, ESRS, Berichtspflicht & Co. – spätestens ab 2025 werden das keine Fremdwörter mehr für schätzungsweise knapp 600 Kfz-Händler sein. Ab da müssen sie nämlich beweisen, dass sie nachhaltig wirtschaften. Und zwar in einem Nachhaltigkeitsbericht. Zeit also, sich mit dem Thema „Nachhaltigkeit im Autohaus“ auseinanderzusetzen. Was es mit der Berichtspflicht auf sich hat, wer berichtspflichtig ist und was zu berichten ist, erfahren Sie in Teil 1 der ASR-Beitragsserie. |
Was es mit der CSRD-Berichtspflicht auf sich hat
Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in aller Munde: Aus Sicht von europäischer und nationaler Gesetzgebung sollen Berichtspflichten zu nicht-finanziellen Kennzahlen der Schlüssel zu mehr Umwelt-, Arten- und Klimaschutz sowie zu einer Verbesserung der sozialen Aspekte der Wertschöpfung und guter Unternehmensführung sein.
Berichtspflichten bezogen auf nicht-finanzielle Aspekte der Unternehmens- tätigkeit sind prinzipiell nichts Neues. Bereits heute müssen große kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Gesellschaften sowie Genossenschaften bei Erfüllung gewisser Kriterien ihren Lagebericht im Jahresabschluss um Aspekte zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, Menschenrechten und Korruption ergänzen. Das legt die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) fest.
Gewissermaßen in die Fußstapfen der NFRD tritt nun die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Diese EU-Verordnung ist am 05.01.2023 in Kraft getreten. Sie erweitert und ersetzt die aktuell geltende NFRD. Das Ziel: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf eine Stufe mit der Finanzberichtserstattung stellen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Deutschland und alle anderen EU-Mitgliedstaaten die CSRD bis zum 06.07.2024 in nationales Recht umsetzen (Art. 5 Abs. 1 S. 1 CSRD).
Fakt ist: Die Anforderungen werden sich deutlich ändern. Mehr Unternehmen werden rechtlich verpflichtend anhand verbindlicher EU-Standards umfassend über Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung Bericht erstatten müssen.
Wer wann von der Berichtspflicht betroffen ist
Die CSRD gilt für alle großen Unternehmen. Groß ist, wer mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt:
- Umsatz von 50 Mio. Euro oder mehr.Erfüllt Ihr Autohaus zwei der drei Kriterien ...
- Bilanzsumme von 25 Mio. Euro oder mehr.
- Mitarbeiterzahl von 250 Beschäftigten oder mehr.
Materiell gilt die Berichtspflicht für haftungsbeschränkte und ihnen gleichgestellte Unternehmensformen. Konkret sind das Autohäuser in den Rechtsformen GmbH, GmbH& Co KG, AG, SE. Ausnahmeregelungen bestehen für Autohäuser in Konzernverbünden. Als Daumenregel lässt sich sagen: Berichtspflichtig ist in aller Regel nur die Muttergesellschaft bzw. die Holding.
In Deutschland werden von der CSRD rund 15.000 Unternehmen betroffen sein; darunter unserer Ansicht nach – direkt oder indirekt – sechs bis acht Prozent der etwa 7.500 unabhängigen unternehmerischen Einheiten, die es derzeit im deutschen Kfz-Gewerbe gibt. Insbesondere die Kriterien „Umsatz“ und „Bilanzsumme“ werden speziell im Markenhandel ohne Agenturanteil und bei Gebrauchtwagenhändlern relativ schnell erreicht sein. Grob geschätzt fallen Autohäuser mit einem Bestand ab 500 Fahrzeugen unter die neue Richtlinie.
Wer mit seinem Autohaus – basierend auf der Größenprüfung – der CSRD unterfällt, wird schon für das Geschäftsjahr, das nach dem 31.12.2024 beginnt, erstmals berichtspflichtig.
Wichtig | Kleinere Autohäuser können indirekt von der CSRD betroffen sein, z. B. weil Banken oder große Unternehmen künftig Nachhaltigkeitsinformationen ihrer Kreditnehmer bzw. Partner und Lieferanten benötigen. Hinzu kommt, dass eine absehbare Branchenkonsolidierung durch Übernahmen in den nächsten Jahren dazu fürend werden, dass noch mehr Autohäuser die Schwellenwerte überschreiten.
Was CSRD-Betroffene berichten müssen
Die Frage danach, was der Nachhaltigkeitsbericht beinhalten muss, lässt sich nicht ohne das „Prinzip der doppelten Wesentlichkeit“ beantworten. Demnach ist all das Teil des Nachhaltigkeitsberichts, was
- als externer Faktor einen Einfluss auf die Lage und Entwicklung des Unternehmens haben könnte (Outside-in-Perspektive) oder
- als dem Unternehmen zurechenbare Folge seiner Tätigkeit einen Einfluss auf das Umfeld haben könnte (Inside-out-Perspektive).
Um zu ermitteln, welche Themen aus Sicht Ihres Autohauses konkret im Sinne der doppelten Wesentlichkeit relevant sind, können Sie die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zugrundelegen. Die ESRS sind Teil der CSRD-Berichtspflicht und bestehen aus zehn Hauptstandards und weiteren 1.000 einzelnen Substandards und Datenpunkten. Sie sind wie folgt aufgeteilt:
Das Vorgehen können Sie sich analog der Methodik im Ihnen bekannten finanziellen Risikomanagement vorstellen: Einzelne, teilweise sehr kleingranular vorgegebene Sachverhalte werden mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit und einem Schaden bzw. Nutzen bewertet. Wird eine Mindestschwelle in der Multiplikation der Erwartungswerte von Wahrscheinlichkeit und Schaden bzw. Nutzen unterschritten, ist sie als „nicht relevant“ einzustufen; nichtsdestotrotz müssen Sie dieses Verfahren immer nachvollziehbar dokumentieren. Dabei können Sie teils kennzahlenbasiert, teils narrativ vorgehen. Für manche Standards (z. B. Emissionen, Wasserverbrauch) sind Messgrößen und quantifizierte Indikatoren vorgeschrieben. Aufgrund der expliziten Lieferkettenaspekte in manchen Standards müssen Sie je nach Einschätzung zur Wesentlichkeit auch Konformitätsprüfungen bei Kreditoren vornehmen.
Wichtig | Bislang gibt es keinen Branchenstandard für den Kfz-Handel. Unserer Einschätzung nach dürften für das typische Geschäftsfeld eines Vollfunktionshändlers in etwa 400 Berichtspunkte relevant sein. Diese dürften wiederum zu etwa 80 bis 100 regelmäßig zu erfassenden Kennzahlen und einem Berichtsumfang von etwa 60 bis 80 Seiten als Teil des Lageberichts im Jahresabschluss führen.
Wird der Nachhaltigkeitsbericht geprüft?
Der Nachhaltigkeitsbericht ist nach der CSRD künftig zwingend Bestandteil des Lageberichts des Unternehmens und somit Teil des Jahresabschlusses. Daran knüpft die Prüfpflicht an. Wer die inhaltliche Prüfung vornimmt, kann jeder EU-Mitgliedsstaat mittels Mitgliedstaatenwahlrecht im Zuge der Umsetzung der CSRD in nationales Recht festlegen. Zur Wahl stehen die Prüfung durch
- den Abschlussprüfer des Unternehmens,
- einen anderen Abschlussprüfer oder
- einen sog. unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen.
Für Deutschland ist nach aktuellem Stand der Debatte die Prüfung durch den Abschlussprüfer des Unternehmens am wahrscheinlichsten.
Wichtig | Fest steht bereits jetzt: Es wird auch künftig nur ein Testat geben. Versagt Ihr Autohaus also bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung, gibt es letztlich einen Versagensvermerk für den gesamten Jahresabschluss – mit allen damit verbundenen Haftungsfragen für die Geschäftsführung.
Wie Sie jetzt vorgehen sollten
Das Wichtigste vorweg: Überstürzen Sie nichts und verfallen Sie angesichts der vielen CSRD-Einzelregelungen und ESRS-Substandards nicht in blinden Aktionismus. Prüfen Sie stattdessen in einem ersten Schritt, ob Ihr Autohaus nach der CSRD berichtspflichtig ist. Dazu bieten – zumindest für Autohäuser mit einem HGB-Einzelabschluss – die Abschlussdaten des Jahres 2023 bzw. die Plandaten für das Jahr 2024 meist schon ausreichend Sicherheit.
Praxistipp | Im Fall von Konzernen, Holding-Formaten, Betriebsaufspaltungen oder anderen komplexen gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen, ziehen Sie am besten zeitnah Ihren Abschlussprüfer für die Beurteilung hinzu. |
Ist die Berichtspflicht für Ihr Autohaus zu bejahen, sollten Sie zügig, aber auch systematisch an das Projekt herangehen. Das gelingt, indem Sie – quasi als Trockenübung – einen Musterbericht für das laufende Jahr 2024 erstellen. Dabei können Sie sich an folgender Roadmap „entlanghangeln“. Für das Durchlaufen der sechs Phasen, sollten Sie sechs Monate veranschlagen.
- Wie der Stand in Sachen Nachhaltigkeit in der Kfz-Branche aktuell ist, wo die Stellschrauben im Autohaus sind und welche Handlungsnotwendigkeiten bestehen, erfahren Sie von Werner Koller, Geschäftsführer der TCJG (www.tcjg.de) in ASR 5/2024.Beitragsserie wird in ASR 5 | 2024 fortgesetzt
AUSGABE: ASR 4/2024, S. 21 · ID: 49966106