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WerkstattrechtKaskoschaden: Darf die Werkstatt die Kosten für einen Kostenvoranschlag in Rechnung stellen?

Abo-Inhalt05.01.202413 Min. Lesedauer

| Ein Fall aus dem Werkstattalltag: Ein Kunde kommt in Ihre Werkstatt, er hat einen Kaskoschaden und will einen Kostenvoranschlag. Den habe nämlich der Versicherer gefordert. Können Sie den Aufwand dafür berechnen? Das fragt sich auch ein ASR-Leser. |

Frage: Kann die Werkstatt den Aufwand für einen Kasko-Kostenvoranschlag berechnen? Falls ja: Muss der Kaskoversicherer dem Versicherungsnehmer die Kosten erstatten? Und wenn auch das mit ja beantwortet wird: Kann die Werkstatt den Betrag behalten, wenn sie anschließend mit der Reparatur beauftragt wird, oder muss sie den Betrag dann mit den Reparaturkosten verrechnen?

Antwort: Für die Beantwortung der Fragen müssen Sie die verschiedenen Rechtsebenen sauber auseinanderhalten.

Rechtsebene 1: Die Werkstatt und der Kunde

Zunächst ist da das Verhältnis zum Kunden. Ein (auch mündlicher) Vertrag über die Erstellung eines Kostenvoranschlags ist ein Werkvertrag. Die Berechnung von Kosten für einen Kostenvoranschlag ist in § 632 Abs. 3 BGB geregelt. Der sagt, dass die Erstellung eines Kostenvoranschlags im Zweifel kostenlos erfolgt. Das ist auch richtig so. Eigentlich hat der Kostenvoranschlag nämlich eine ganz andere Funktion: Drei Handwerker erstellen für Sie einen Kostenvoranschlag für eine neue Heizung. Einer bekommt den Auftrag. Die anderen sind sauer und schicken Ihnen eine Rechnung für die Erstellung des Kostenvoranschlags, weil sie nicht zum Zuge gekommen sind. Was sagt Ihr Rechtsgefühl? Sie liegen richtig, wenn Sie sagen, zu unterliegen sei das ganz normale Risiko des Handwerkers, der Kostenvoranschlag war eine Akquisitions-Vorleistung. Die Kostenvoranschläge müssen nicht bezahlt werden.

Kosten-Vermerk schafft Rechtssicherheit

Doch das heißt nicht, dass ein Kostenvoranschlag nie bezahlt werden muss. Nur „im Zweifel“ muss er nicht bezahlt werden. Also beseitigt die Werkstatt die Zweifel, indem sie einen Auftrag ausdruckt, etwa mit dem Text „Kostenvoranschlag für Beseitigung des Unfallschadens kostenpflichtig erstellen“. Wenn der Kunde das gegenzeichnet, sind alle Zweifel beseitigt.

Wie viel darf der Kostenvoranschlag kosten?

Zehn Prozent des sich aus dem Kostenvoranschlag ergebenden Betrags gehen der Höhe nach in Ordnung (AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 04.04.2016, Az. 4 C 2330/15, Abruf-Nr. 185067). Im dortigen Fall hatte der Kunde den Kostenvoranschlag bei Abholung bezahlt (genauer: bezahlen müssen!), denn die Kostenpflichtigkeit war klar vereinbart. Später hatte er die Kosten – erfolglos – vor Gericht von der Werkstatt zurückgefordert. Bei Kaskoschäden ist leicht vorstellbar, dass er vom Versicherer dazu angestachelt wurde.

Muss die Verrechnung der Kosten bei Auftragserteilung erfolgen?

Nachdem nun klar ist, dass die Werkstatt – wenn sie eine entsprechende Vereinbarung abschließt – die Kosten für den Kostenvoranschlag berechnen darf, folgt die zweite Frage, die immer noch auf der Ebene „Kunde zu Werkstatt“ angesiedelt ist: Muss die Werkstatt den Betrag verrechnen, wenn sie den Auftrag zur Instandsetzung des Kaskoschadens bekommt? Es mag „zum guten Ton“ gehören, dass ein Handwerker die Kosten für einen Kostenvoranschlag verrechnet. Eine Rechtsregel, dass er das tun muss, gibt es aber nicht, auch wenn das von Versicherern immer wieder behauptet wird.

Allerdings muss geprüft werden, ob die Allgemeinen Reparaturbedingungen der Werkstatt eine Verrechnungs-Regelung enthalten. Wenn ja, und wenn die AGB nach dem Text des Auftrags vereinbart sind, kann da der Pferdefuß liegen. Wenn der Werkstatt das nicht gefällt, kann sie die Passage für die Zukunft streichen. Ohne eine solche AGB ist die Rechtslage völlig klar: Die Werkstatt muss nicht verrechnen (AG Stuttgart, Urteil vom 10.06.2011, Az. 18 C 1575/11, Abruf-Nr. 112103; AG Essen, Urteil vom 29.11.2006, Az. 29 C 466/06, Abruf-Nr. 070350).

Rechtsebene 2: Der Versicherer und der Versicherungsnehmer

Schlussendlich ist noch die Frage zu beantworten, ob der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Kosten für den Kostenvoranschlag erstatten muss, wenn er ihn losschickt, einen solchen zu besorgen. Diese Frage ist auf der Rechtsebene zwischen Versicherungsnehmer ( = Werkstattkunde) und Versicherer einzuordnen. Sie ist klar mit ja zu beantworten. Denn mit welchem Recht soll der Versicherer erwarten können, dass der Versicherungsnehmer so lange hausieren geht, bis er eine Werkstatt findet, die den Kostenvoranschlag kostenlos erstellt? Wenn der Kaskoversicherer vom Versicherungsnehmer die Beschaffung eines Kostenvoranschlags verlangt und der diesem Verlangen nachkommt, muss der Versicherer die Kosten für den Kostenvoranschlag erstatten (AG Stuttgart, Urteil vom 10.06.2011, Az. 18 C 1575/11, Abruf-Nr. 112103; AG Essen, Urteil vom 29.11.2006, Az. 29 C 466/06, Abruf-Nr. 070350).

Für die praktische Durchsetzung sollte sich die Werkstatt jedoch nicht in die Schlacht mit dem Versicherer begeben. Vielmehr muss der Kunde zahlen und sich dann selbst gegen den Versicherer durchsetzen.

Will die Werkstatt doch mit dem Versicherer kommunizieren, geht das so:

Musterformulierung / Kostenvoranschlag ist zu bezahlen

Wir haben mit unserem Kunden vereinbart, dass der Kostenvoranschlag kostenpflichtig ist. Damit ist § 632 Abs. 3 BGB Genüge getan. Kostenvoranschläge rund um Blechschäden sind regelmäßig keine Kostenvoranschläge im klassischen, nämlich akquisitorischen Sinne. Regelmäßig sind sie „billige Ersatzgutachten“ zugunsten der Versicherungswirtschaft. Die Erstellung dieser Prognosen belastet unsere Abläufe. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Kosten auch dann nicht zu verrechnen, wenn wir den Reparaturauftrag bekommen. Es gibt keine diesem Entschluss entgegenstehende rechtliche Regel (AG Stuttgart, Urteil vom 10.06.2011, Az. 18 C 1575/11, Abruf-Nr. 112103; AG Böblingen, Urteil vom 28.01.2014, Az. 2 C 2391/13, Abruf-Nr. 140469).

AUSGABE: ASR 1/2024, S. 5 · ID: 49803842

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