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FristenmanagementDürfen Diplomjuristen schwere Fristen notieren?
| Schwere oder besondere Fristen darf ein Anwalt nicht delegieren (AK 23, 74). Dies gilt auch, wenn die Fristen nicht vom klassischen Kanzleipersonal, sondern von Diplomjuristen oder Referendaren bearbeitet werden, sagt der VGH Baden-Württemberg. |
Sachverhalt
Der Anwalt hatte Wiedereinsetzung beantragt, nachdem eine Begründungsfrist für einen Zulassungsantrag im Verfahren vor dem VGH (§ 124a VwGO) versäumt worden war. Die Fristen wurden von einem Referendar notiert, der in den Semesterferien und darüber hinaus gelegentlich in der Kanzlei mitarbeitete und mit der Fristenproblematik vertraut war.
Entscheidungsgründe
Das reichte dem VGH nicht (21.11.24, 9 S 1510/23, Abruf-Nr. 246729). Diese Frist falle in die Kategorie der besonderen bzw. schwierigen Fristen, da sie jeweils zwei oder nur einen Monat betragen kann. Man dürfe sich zwar bei juristisch ausgebildeten Hilfskräften in der Regel mehr als bei dem Laienpersonal darauf verlassen, dass sie Rechtsmittelfristen kennen und gewissenhaft bearbeiten. Allerdings sagt das Wissen nichts darüber aus, wie routiniert die Hilfskraft die Frist berechnet. Dass diese Frist zu einer Routinefrist geworden ist, weil sie häufig vorkommt und regelmäßig berechnet wird, gab der Anwalt nicht an. Nur dann muss ein Anwalt die Frist nicht selbst berechnen, allerdings immer noch (ggf. stichprobenweise) ihren erfolgten Eintrag prüfen.
Relevanz für die Praxis
Anwälten nützt es wenig, dass der VGH Diplomjuristen und Referendare als höher qualifiziert einstuft als „Laienpersonal“. Zwar sinken bei juristisch vorgebildeten Hilfskräften grundsätzlich die Anforderungen an die anwaltlichen Überwachungspflichten. Schwierige Fristen dürfen sie trotzdem nicht eigenverantwortlich bearbeiten. Zudem ist es ein Trugschluss bei ihnen per se von einer besseren Kenntnis prozessualer Fristen auszugehen. Fristen sind ein Schwerpunkt in der Ausbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten, der sie besonders qualifiziert und den sie oft praktisch ausüben. Der Begriff Laienpersonal ist daher verfehlt. Der Beschluss lässt aber auch nicht erkennen, wer mit Laienpersonal (z. B. kaufmännische Angestellte) genau gemeint ist.
Praxistipp | Schwierige Fristen müssen Sie selbst prüfen. Hierzu gehört u. a. die Frist einer Nichtzulassungsbeschwerde nach erstmaliger Beiordnung im PKH-Verfahren (6.7.23, B 7 AS 54/23 B). Organisatorisch müssen Ihnen diese Fristen direkt zufallen (OVG NRW 8.4.25, 1 A 2498/21). Selbst wenn eine „Hilfskraft“ bereits Referendar ist, muss dies das Gericht nicht überzeugen. Tragen Sie vor, dass Sie die gegenständliche Frist konkret erläutert haben. Als weiteres Argument bleibt, dass die Frist aufgrund der Arbeitsschwerpunkte der Kanzlei zu den Alltagsfristen gehört. Dann legen Sie dem Gericht dar, wie viele solcher Mandate (geschätzt) jährlich bearbeitet werden und wie häufig diese schwierige Fristart von Ihrem Personal berechnet werden muss.  | 
AUSGABE: AK 10/2025, S. 167 · ID: 50447264
