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TeamarbeitWeniger Reibung, mehr Ergebnis: So führen Sie effizient mit dem DISG-Modell

Abo-Inhalt22.09.202571 Min. LesedauerVon RA Maximilian Krämer LL.M., FA StR, DNK Rechtsanwälte PartGmbB, München

| Jeden Tag scheitern gute Inhalte an der Kommunikation. Nicht das Recht bremst, sondern das Verhalten. Führungskräfte kennen oft weder die eigene Persönlichkeit noch die der Mitarbeiter. Das DISG-Modell macht Unterschiede sichtbar und übersetzt sie in einfache Regeln für Führung und Zusammenarbeit. Was den einen Mitarbeiter motiviert und zu effektiven Leistungen führt, kann bei einem anderen das Gegenteil bewirken. Sind Stärken klar, sinken Rückfragen und Korrekturschleifen – Entscheidungen fallen schneller. Dieser Beitrag zeigt die wichtigsten Schritte für Einstieg, Umsetzung und Messung im Kanzleialltag. |

Warum Persönlichkeit zählt – gerade in der Kanzlei

Juristische Arbeit bedeutet Teamarbeit unter Druck. Sie stellt daher hohe Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit der Personen in einem engen räumlichen und zeitlichen Umfeld. Druck führt dazu, dass Menschen sich anders verhalten und reagieren. Wer jedoch sein Verhalten und seine Wirkung sowohl in entspannter Umgebung als auch unter Druck kennt, steuert die Kommunikation bewusster – gegenüber Kollegen, den Assistenzen, den Mandanten und den Gerichten. Wenn Sie Ihre Persönlichkeit kennen, schaffen Sie ein Bewusstsein für Ihre Wirkung. Dann ist Ihnen bewusst, dass andere Menschen mit einem anderen Verhaltenstyp dieselben Dinge und Aussagen anders wahrnehmen und interpretieren können. Dies bedeutet auch, dass unterschiedliche Mitarbeiter unterschiedliches Führungsverhalten benötigen. In der Kommunikation im Team kann dies dazu beitragen, dass das Format, der Ton und der Stil bewusst an das Gegenüber und die Situation angepasst werden können, um Missverständnisse zu vermeiden und Eskalationen zu verhindern. Die Kollegen sind motivierter und effizienter. Für Ihren Kanzleialltag bedeutet das:

  • Unterschiede akzeptieren: Jeder Mensch hat einen individuellen Persönlichkeitstyp, der vom Eigenen abweichen kann.
  • Stärken sichtbar machen: Jeder Mensch hat unterschiedliche Stärken und Schwächen. Es bringt meist deutlich mehr, wenn Sie Stärken gezielt erkennen und einsetzen, als sich auf Schwächen zu fokussieren.
  • Rollen passend zuschneiden: Richten Sie Prozesse, Abläufe, Meetings und Verantwortlichkeiten an den Stärken des jeweiligen Mitarbeiters aus.

Was ist das DISG-Modell?

Die Ursprünge des Modells finden sich vor ca. 100 Jahren. Die Idee ist eine Verhaltensanalyse, um das menschliche Verhalten zu beschreiben und zu verstehen. Es geht nicht darum, den Charakter zu beurteilen. Wir haben natürliche Widerstände und Vorbehalte Menschen zu typisieren. Das kann dazu führen, dass Sie nicht herausfinden, wo Ihre eigenen Tendenzen liegen. Damit nehmen Sie sich die Möglichkeit, sich und andere besser zu verstehen.

Die vier Grundtypen des DISG-Modells (englisch: DISC) mit dem grundlegenden Verhaltenstyp werden in der vertikalen Achse von Extrovertiert zu Introvertiert und auf der horizontalen Achse von Aufgabenorientiert zu Menschenorientiert eingeordnet:

Dominant (Dominance): „D“

  • Aufgabenorientiertes und extrovertiertes Verhalten.
  • Drang, die Kontrolle zu übernehmen und Ergebnisse zu erzielen.
  • Will Herausforderungen annehmen und siegen.
  • Stellt den Status quo in Frage.
  • Bevorzugt direkte Antworten, vielfältige Tätigkeiten und Unabhängigkeit.

Initiativ (Influence): „I“

  • Menschenorientiertes und extrovertiertes Verhalten.
  • Drang, andere zu motivieren und sich auszudrücken.
  • Will andere überzeugen und beeinflussen.
  • Ist offen und drückt seine Gedanken und Gefühle in Worten aus.
  • Arbeitet am liebsten mit anderen zusammen.

Stetig (Supportiveness): „S“

  • Menschenorientiertes und introvertiertes Verhalten.
  • Drang nach Stabilität und Harmonie.
  • Will andere unterstützen und ist hilfsbereit.
  • Ist geduldig und setzt Harmonie und Loyalität in den Fokus.
  • Ist lieber Teammitglied als Teamleiter und hört lieber zu, als selbst zu reden.

Gewissenhaft (Conscientiousness): „G“

  • Aufgabenorientiertes und introvertiertes Verhalten.
  • Drang, das Richtige „richtig“ zu tun.
  • Will Ärger vermeiden und achtet auf Präzision, Genauigkeit und hohe Standards.
  • Ist eher diplomatisch und wägt das Pro und Contra ab.
  • Bevorzugt ein Umfeld, das klar definierte Erwartungen hat.

Wichtig | Was für einen eine Stärke darstellt, kann für den Anderen eine Schwäche sein. Jede Person zeigt Tendenzen aus jedem der vier Verhaltenstypen. Jedoch zeigt jeder je nach beruflichem und privatem Umfeld sowie unter Stress oder im Wohlfühlmodus einen dieser Typen ausgeprägter. Menschen sind daher sehr häufig Mischtypen aus zwei bis drei Persönlichkeitstypen, wobei meistens ein Persönlichkeitstyp überwiegt. Die diagonalen Typen haben die meisten Probleme in der Kommunikation, also D – S und I – G, denn sie sind maximal unterschiedlich.

Ganz stereotypisch gesprochen: Der kommunikative Associate (I) kündigt beim Mandanten ein neues Projekt an, obwohl der Partner (G) die Vertragsunterlagen noch nicht erstellt hat. Der Managing Partner (D) beschließt im Alleingang eine neue Akquisestrategie, während das Sekretariat (S) lieber vorher die Abläufe und die Belastung für das Team abgestimmt hätte.

Welche Tools gibt es?

Die bekanntesten Tools am deutschen Markt, die auf dem DISG-Modell basieren, sind persolog® und AECdisc®. Sie stellen einen Online-Fragebogen zur Verfügung und werten ihn für Einzelpersonen und Teams aus: Verhaltenspräferenzen, Zusammenarbeit, Hinweise für Kommunikation und Stressmuster.

AECdisc® liefert Erläuterungen für den angepassten (an Rolle/Umfeld angepasst) und den natürlichen (spontanes, bevorzugtes Verhalten) Typ:

  • Die spezifischen Eigenschaften des natürlichen Typs sowie die Fremdwahrnehmung durch andere,
  • die Talente und Beiträge für das Unternehmen,
  • Kommunikationsleitfäden: Was Gesprächspartner beachten bzw. vermeiden sollten,
  • das optimale Umfeld (in dem die Person aufblüht),
  • Komplementärtyp, also die weniger entwickelten oder gar unbekannten Eigenschaften,
  • der Schlüssel zur Motivation, um Erfolge und Schwierigkeiten besser zu verstehen,
  • welche Aspekte der Führung benötigt werden sowie
  • die verbesserungsfähigen Bereiche.

Bei persolog® geht es um die diagnostischen Möglichkeiten, wie die verschiedenen Typen ihre Umfeld wahrnehmen und wie sie auf das Umfeld reagieren. Der Verhaltenstyp wird anhand von 3 Diagrammen dargestellt:

  • Äußeres Selbstbild: Spiegelt das Verhalten wider, von dem die Person denkt, dass es andere in ihrem Umfeld erwarten.
  • Inneres Selbstbild: Reflektiert das Verhalten, das von inneren Überzeugungen geprägt ist und dass die Person unter Druck oder spontan zeigt.
  • Integratives Selbstbild: Gesamtbild des Verhaltens, das andere im gewählten Umfeld am stärksten wahrnehmen.

Das Tool erläutert,

  • welches Verhalten hinter den drei Diagrammen steckt und wie sich das Verhalten auszeichnet,
  • wie der Verhaltenstyp Aufgaben bewältigt,
  • welche Strategien er einsetzt, um Probleme zu lösen,
  • woraus er seine Motivation zieht,
  • welche Überzeugungsstrategien er einsetzt sowie
  • wie er sich gegenüber anderen als auch im Team verhält.

Praxisnutzen für Kanzleien

  • Bewusste Kommunikation: Wenn Sie auf den Persönlichkeitstyp des Anderen eingehen, sinken Rückfragen und Freigaben erfolgen schneller.
  • Klare Führung: Führen Sie typgerecht nach den Bedürfnissen. Das verkürzt Entscheidungszeiten und steigert die Zielerreichung.
  • Stärkere Teams zusammenstellen: Definieren Sie Rollen und Aufgaben und weisen Sie Rollen zu, die zu dem Typ passen. Es gibt weniger Korrekturschleifen bis zur Freigabe und Fristen werden einfacher eingehalten.
  • Weniger Konflikte: Sie können Stresssituationen und -muster früh erkennen und die Gegenstrategie wählen, sodass Sie Eskalationen vermeiden und die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter erhöhen.

Beachten Sie | D fällt es leichter Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet aber nicht, dass diese gut oder besser sind. I ist eine Ideenschleuder, neigt jedoch dazu, sich zu verzetteln. S und G können wichtige Ideen einbringen, werden aber aufgrund der Introvertiertheit häufig übersehen.

Checkliste / DISG im Kanzleialltag

  • Ziel klären: Was soll besser werden? (Kommunikation, Führung, Team)
  • Team grob einordnen: Kurzen Typ-Check machen oder beobachtete Tendenzen notieren.
  • Stärken der Typen bei der Verteilung von Aufgaben berücksichtigen: D führt/entscheidet, I kommuniziert/pitcht, S stabilisiert/übergibt, G prüft/Fristen.
  • Stärken der Typen bei der Besprechungsgestaltung berücksichtigen: Agenda + Zeitfenster (D), Ideenteil (I), Protokoll/Ritual (S), Machbarkeit/Unterlagen überprüfen (G).
  • Mandantenkommunikation anpassen: D = kurz mit Entscheidung; I = Story und Nutzen; S = Plan und Sicherheit; G = Belege und Logik.
  • Konflikte führen: D direkt, I Tempo raus mit Vereinbarung, S eins zu eins in Ruhe, G sachlich mit Kriterien.
  • Erfolg monatlich messen: Rückfragen, Review-Runden, Zeit bis zur Entscheidung.
  • Nachsteuern: Auswerten, was funktioniert und anpassen.

Was DISG nicht kann – Differenzierung und Ergänzung

DISG ist keine Diagnose. Es misst Verhaltenstendenzen, nicht die Persönlichkeit, Gesundheit oder Eignung. Nutzen Sie DISG als Arbeitssprache, nicht als Etikett – dann steigen Tempo, Qualität und Zufriedenheit.

Treffen Sie keine Personalentscheidungen allein mit DISG. Einstellungen, Beförderungen oder Vergütung brauchen Fachkriterien, Arbeitsproben und Referenzen. Vermeiden Sie Verallgemeinerungen wie „Du bist halt D“, „Da kommt das I wieder raus“. Führung bleibt Verantwortung, nicht Typkunde. Lesen Sie Profile im Kontext: Alltag vs. Verhandlung, Pitch vs. Schriftsatz, Teamphase, Mandatssituation.

Erklären Sie vorher mit dem gesamten Team den Zweck und Umfang. Legen Sie fest, wer Einsicht bekommt. Speichern Sie nur, was Sie für die Zusammenarbeit brauchen, und löschen Sie dies fristgerecht. Teilen Sie Ergebnisse nur mit Einwilligung. Aus einer Ablehnung dürfen keine Nachteile entstehen.

Geben Sie jedem Mitarbeiter einen geschützten Raum mit einem vertraulichen Auswertungsgespräch (extern) und danach ein kurzes Gespräch mit der Führungskraft. Führen Sie einen kurzen Team-Workshop durch. Übersetzen Sie die Erkenntnisse in Regeln: Meeting-Format, Feedback, Übergaben, Qualitätskontrolle. Achten Sie auf eine wertschätzende Sprache („tendiert zu“, „bevorzugt“, „kann so wirken“) statt Abwertung.

AUSGABE: AK 10/2025, S. 172 · ID: 50525538

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