Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Okt. 2025 abgeschlossen.
WissensmanagementTrotz Kündigung können Sie für Ihre Kanzlei Wissen und Erfahrungen sichern
| Selten bleiben Mitarbeiter, Kollegen oder Partner ihr gesamtes Arbeitsleben bei einer Kanzlei. Das kann vielfältige Gründe haben und ist eine Entscheidung, die derjenige nicht zwangsläufig gegen Sie und die Kanzlei, sondern für sich selbst getroffen hat. Geht ein Mitarbeiter, muss sein Wissen nicht mitgehen. Mit den richtigen Strukturen und einem offenen Austausch bleiben Sie bei Personalwechseln stabil und handlungsfähig. Und der Wechsel wird eine Chance für „frischen Wind“ in Ihrer Kanzlei. |
Welche Folgen hat Wissensverlust?
Gerade wenn das Tagesgeschäft auf Erfahrungen, eingespielten Prozessen und Mandantenbeziehungen beruht, kann der Weggang eines Mitarbeiters eine echte Herausforderung darstellen. Das Problem ist weniger der Verlust der Arbeitskraft an sich – denn neue Kollegen können die Aufgaben übernehmen. Der Verlust von „Königswissen“ wiegt allerdings schwer. Denn Informationen, Abläufe und Strategien sind oft nur im Kopf der scheidenden Person gespeichert und ein Personalwechsel bedeutet Verzögerungen oder gar Blockierungen, unter Umständen leidet auch die Qualität bestimmter Arbeiten.
Kann ich Gegenmaßnahmen ergreifen?
Stellen Sie sicher, dass individuelles Wissen Teil des „kollektiven Kanzleiwissens“ wird. Das erfordert eine Arbeitskultur, die Wissensmanagement und -transfer als festen Bestandteil des Tagesgeschäfts begreift. Dabei ist es erforderlich, dass die Mitarbeiter die Weitergabe von Informationen und Erfahrungen als essenziell begreifen. Alle profitieren davon. So können auch (Personal-)Engpässe bei Krankheiten und längeren Urlaubszeiten leichter überbrückt werden. Das stärkt den Zusammenhalt untereinander.
Muss ich dokumentieren?
Wissenstransfer ist nur nachhaltig, wenn es sich im Ergebnis um dokumentiertes, zentral hinterlegtes und jederzeit abrufbares Wissens handelt. Sonst taucht das gleiche Problem beim nächsten Personalwechsel wieder auf. Wissen muss daher schriftlich (am besten: digital) niedergelegt werden, etwa in betriebsinternen Datenbanken, eigens erstellten und zu pflegenden Office-Handbüchern, Dokumentensammlungen, Fehler-Listen usw.
Hier hilft zum einen die Einführung und ständige Fortentwicklung einer gut gepflegten Wissensdokumentation. Das klingt zunächst zwar sehr aufwändig, aber der Nutzen überwiegt den Aufwand bei weitem. Alle wichtigen Prozesse – von der Aktenführung über spezifische Mandantenanforderungen bis hin zu Vorlagen für Schriftsätze – sollten nachvollziehbar und an einem zentralen Ort gespeichert werden, auf den alle Mitarbeiter Zugriff haben. So bleibt das Wissen „griffbereit“ im Team – unabhängig davon, wer gerade an welchem Thema arbeitet. Diese Dokumentation erleichtert zugleich das Onboarding von neuen Mitarbeitern.
Zum anderen sollten auch Mandantenbeziehungen, typische Fragen und Bedürfnisse festgehalten werden. Wer mit wem wie kommuniziert, welche individuellen Anforderungen oder Vorlieben bestehen, auch (runde) Geburtstage von Stammmandanten. All das macht den Umgang mit Mandanten aus und gehört ins „kollektive Gedächtnis“ der Kanzlei. Wer besondere Kenntnisse in bestimmten Bereichen hat, sollte animiert werden, diese weiterzugeben – ob in Teammeetings, Schulungen oder durch die Erstellung von Leitfäden.
Wann sollte ich damit beginnen?
Beginnen Sie rechtzeitig – am besten jetzt sofort. Wenn sich ein Austritt abzeichnet, ist es oft schon zu spät. Zwar kann die Übergabephase genutzt werden, um nicht nur Aufgaben, sondern auch Wissen weiterzugeben. Allerdings hält sich die Motivation des scheidenden Mitarbeiters zu diesem Zeitpunkt meistens in Grenzen. Oder mit Resturlaub ist er (zu) schnell weg.
Wie und womit beginne ich?
Für Anwälte eignet sich ein Dokumentenkoffer. Darin finden Sie schnell Antworten auf regelmäßig wiederkehrende inhaltliche Fragen und Sie vermeiden Mehrfacharbeiten. Unterteilen Sie ihn nach Rechtsgebieten. Benennen Sie die Dokumente passend zum Inhalt. Legen Sie dort auch wichtige Entscheidungen und/oder Literaturfundstellen ab. Um den Überblick zu behalten, können Sie darüber eine Excel-Liste führen.
Für die Fachkräfte bietet sich ein (digitales) Office-Handbuch an: Jeder Mitarbeiter notiert für seinen Bereich seine jeweiligen regelmäßigen Aufgaben. Er sortiert die Aufgaben nach Position und Häufigkeit, dokumentiert sie im Ablauf und legt sie zentral für jeden einsehbar ab.
Schreiben Sie wichtige Erkenntnisse auf, sowohl positive als auch negative. Dies schafft eine offene Fehlerkultur und vermeidet, dass die gleichen Fehler immer wieder passieren. Voraussetzung dafür ist, dass Fehler offen und konstruktiv angesprochen werden, Lösungen gemeinsam abgestimmt werden und Vertrauen und Offenheit existieren. Keinesfalls darf die Aufdeckung von Fehlern durch unzulängliches Verhalten von Vorgesetzten und/oder Kollegen zu Ängsten führen — dies würde letztlich zur Verheimlichung von Fehlern führen.
In kleineren Kanzleien weiß jeder, wem welches Gebiet besonders liegt bzw. wer worauf spezialisiert ist. Benötigen Sie einen Kooperationspartner, können Sie googlen. In größeren Kanzleien ist das schon schwieriger. Hier bietet es sich an, eine Datenbank anzulegen, in der zu bestimmten Themen schnell die richtigen Ansprechpartner oder Spezialisten (auch: Externe) gefunden werden können, um Unterstützung bei nicht alltäglichen Aufgaben zu erhalten. Das gilt im Übrigen auch für andere Dienstleister, z. B. Handwerker.
AUSGABE: AK 10/2025, S. 176 · ID: 50307822
