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InterviewAuf den Hund gekommen: Wenn Vierbeiner zu Mandanten werden

Abo-Inhalt20.06.2025141 Min. LesedauerVon Christian Noe B. A., Göttingen

| Immer mehr Anwälte entdecken das Tier- und v. a. das Hunderecht als attraktive Nische. Angesichts derzeit rund 10,5 Mio. Vierbeinern in Deutschland ist das eine sinnvolle Überlegung. Was Juristen dabei oft unterschätzen, ist: Wer sich auf diesem hochspezialisierten Rechtsgebiet tummelt, muss sich in eine hohe Dichte an Vorschriften einarbeiten und umfassendes Spezialwissen aneignen. Wir haben mit zwei erfahrenen Anwälten auf diesem Gebiet gesprochen. |

Vielfältiger als gedacht? Routinen im Hunderecht

Schon einige Anwälte haben sich verschätzt, was Anspruch und Wissensdichte des Hunderechts betrifft. Das beobachtet Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, der mit seiner Kanzlei in Klein-Winternheim auf Tierrecht spezialisiert ist. Zwar interessiere das Thema viele Kollegen, aber es sei eben auch ein Gebiet mit einer „immensen Fülle an Rechtsmaterie, die man besser abwickeln kann, wenn man über jahrelange Erfahrung verfügt.“ Tatsächlich: Von Konflikten mit Tierärzten, illegal eingeführten Welpen, verschärften Vorschriften für Hundeschulen und Einstufungen als gefährliche Hunde zeigt sich ein sehr differenziertes Aufgabenfeld.

Susan Beaucamp ist seit 1990 als Rechtsanwältin zugelassen und betreibt mit ihrem Mann eine Kanzlei in Krefeld (kanzlei-sbeaucamp.de/kanzlei-fuer-hunderecht/). Sie hat sich auf Hunde- und Pferderecht spezialisiert. Viele Menschen haben sich gerade auch während der Pandemiezeit ein Tier angeschafft. Hieraus resultieren regelmäßig Konflikte mit anderen Hundehaltern, dem Veterinäramt oder Züchtern. Beaucamp kennt sich mit diesen aus.

FRAGE: Unterscheiden sich Hunde- und Pferderecht erheblich?

ANTWORT: Pferderecht ist in erster Linie Zivilrecht – es geht um gewährleistungsrechtliche Fragen. Ich bin seit ca. 25 Jahren hierauf spezialisiert und betreue Mandate bundesweit. Es gibt aber auch internationale Fälle, wenn beispielsweise Pferde ins Ausland verkauft oder aus dem Ausland gekauft werden. Sich auf Hunderecht zu fokussieren, bedeutet, spezialisierte Kenntnisse der jeweiligen Landeshundegesetze zu haben, also besonderes Verwaltungsrecht. Dazu kommt, dass Anwälte die entsprechende verwaltungsrechtliche Rechtsprechung zu den jeweiligen Landeshundegesetzen kennen.

FRAGE: Ist der Anteil der insoweit spezialisierten Anwälte überschaubar?

ANTWORT: In Deutschland gibt es etwa 20 sehr bekannte sog. Pferderechtler. Untereinander kennt man sich natürlich. Im Pferderecht ist das Spezialwissen noch einmal besonders gefragt: Ich denke, es gibt in den Datenbanken ungefähr 8.000 Urteile zum Pferderecht.

FRAGE: Bleiben wir beim Hunderecht. Bei welchen Problemen sind Anwälte gefragt?

ANTWORT: Probleme können schon beim Erwerb eines Hundes entstehen. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise dürfen Listenhunde unter bestimmten Voraussetzungen gehalten werden. Unter anderem ist zwingend erforderlich, dass der Hundehalter ein öffentliches Interesse nachweisen kann. Dies liegt nur vor, wenn der Hund aus einem nordrhein-westfälischen Tierheim bzw. Tierschutz stammt. Danach erkundigen sich Halter oft nicht. Sie beziehen ihre Hunde über Kleinanzeigen, via Internet, aus anderen Bundesländern usw. Das führt dazu, dass sie von der Behörde eine Abgabeverfügung, also ein Hundehaltungsverbot, erhalten.

FRAGE: Wie bewirbt man seine Fachkompetenzen und akquiriert Mandate?

ANTWORT: Meine Arbeit wäre ohne Digitalisierung bzw. die Präsentation und Ansprache in den sozialen Medien nicht möglich. Ich investiere viel Zeit in dieses Thema. Neben meinem Internetauftritt publiziere ich regelmäßig in Fachzeitschriften und poste in meinem Blog (https://kanzlei-sbeaucamp.de/blog/). Der Beginn der hunderechtlichen Spezialisierung begann mit dem Aufbau einer Facebook-Seite zum Thema „Tierrecht“, mit der ich mir in kürzester Zeit eine große Klientel aufgebaut hatte. Das Entscheidende ist der Internetauftritt und, sich im Netz mit inhaltsreichen Beiträgen darzustellen. Auch die Vernetzung dient der Akquise. So betreuen wir zum Beispiel Hundetrainer. Die wiederum empfehlen unsere Kanzlei den Hundehaltern. Ein Drittel unserer Mandate kommt auf diese Weise zustande.

FRAGE: Worum geht es dabei?

Antwort: Wurde ein Mensch gebissen, öffnen sich drei Bereiche: Zivilrechtlich werden Schadenersatzansprüche geltend gemacht oder abgewehrt. Die häufigste Konstellation bleibt: Ein Hund hat einen Menschen oder anderen Hund gebissen. Diese Verfahren betreue ich, wenn jemand Schadenersatz gegen einen Hundehalter geltend macht. Strafrechtlich betreue ich Mandanten, die wegen fahrlässiger Körperverletzung angezeigt wurden. Dies macht ungefähr ein Drittel meiner Tätigkeit aus.

Der dritte Bereich ist die Landeshundegesetzgebung. Die Polizei macht üblicherweise eine Kontrollmitteilung an das Ordnungsamt für den Fall, dass ein Hund einen Menschen verletzt. Aber auch wenn kein Mensch verletzt ist, werden Hundehalter, deren Hund einen anderen Hund verletzt hat, beim Ordnungsamt häufig von dem anderen Hundehalter angezeigt. Dann folgt fast immer die Einleitung eines sog. Gefährlichkeitsfeststellungsverfahrens.

FRAGE: Diese Verfahren haben besonders stark zugenommen?

Antwort: Das gehört zum besonderen Verwaltungsrecht, manchmal kommt es zu einem OWi-Verfahren mit Bußgeld. Meine Ziele orientieren sich zwangsläufig an der Gesetzeslage. Idealerweise wird das Verfahren eingestellt. Im zweitbesten Fall kommt es zu Auflagen, wie Leinen- oder Maulkorbpflicht. Im schlechtesten Fall wird der Hund als gefährlich festgestellt. Das versuche ich zu verhindern. Es kommt entsprechend der unterschiedlichen Landeshundegesetzen auch zu amtstierärztlichen Begutachtungen der Hunde. Mandanten in Gefährlichkeitsfeststellungsverfahren zu betreuen, deckt ca. 30 Prozent meiner juristischen Arbeit im Bereich des Hunderechts ab.

FRAGE: Wie häufig haben Sie mit illegal eingeführten Hunden zu tun?

Antwort: Diesen Klassiker gibt es bei Welpen: Wöchentlich rufen mich verzweifelte Menschen an, die Welpen aus dem Ausland eingeführt haben (lassen). Oft haben die Tiere keine Tollwutimpfung bzw. diese ist nicht korrekt im Impfpass erfasst oder der Pass ist gefälscht. Die Welpenkäufer gehen dann zum Tierarzt, der liest den Chip aus und stellt fest, dass der Hund nicht ausreichend tollwutgeimpft ist. Es folgt ein längeres Verfahren: Das Veterinäramt wird informiert, der Hund wird abgeholt und landet für Monate isoliert in Quarantäne, also in dieser extrem wichtigen Prägungs- und Sozialisationsphase der frühen Jugend.

FRAGE: Wie groß ist Ihr Netzwerk und welche Expertise holen Sie im Einzelfall ein?

ANTWORT: Mit Fachleuten vernetzt zu sein, ist wichtig. Uns mandatierte in einem Fall beispielsweise ein Hundetrainer. Er war verklagt worden, da ein Hund einen anderen Hundehalter schwer im Gesicht verletzt hatte. Es ging um hohe Summen. Im Rahmen solcher Mandate spreche ich mit anderen Hundetrainern, wie deren Sicht und Erfahrungswerte sind. Ich tausche mich mit Sachverständigen und Tierärzten aus und lasse, wenn nötig, Gutachten erstellen. Im Pferderecht ist es nicht anders: Hier kommuniziere ich regelmäßig mit Pferdetierärzten oder mit Sachverständigen. Ansonsten beobachte ich die aktuelle Forschung und beschäftigte mich mit neuer hunde- und pferdewissenschaftlicher Literatur, was in meine Arbeit einfließt.

FRAGE: Sind auch Ausbilder und Tierschutzvereine potenzielle Mandanten, die sich direkt an Sie wenden?

ANTWORT: Im Jahr 2017 wurde § 11 Tierschutzgesetz neu gefasst. Seitdem ist die Tätigkeit als Hundetrainer genehmigungspflichtig. Der Gesetzgeber wollte die Qualität des Hundetrainings erhöhen und den Bereich professionalisieren. Rund um die Erlaubnispflicht entstand bei vielen Hundetrainern bzw. -schulen deutlicher Beratungsbedarf. Daher haben uns seitdem verstärkt Hundetrainer mandatiert, die wir zu Genehmigungsverfahren beraten.

Tierschutzvereine vermitteln viele Tiere aus dem Ausland. Auch das geht nur mit einer Genehmigung. Diese sind häufig an abstruse Auflagen gebunden, die für Tierschutzvereine v. a. einen erheblichen administrativen Aufwand darstellen. Ich fertige für die Vereine AGB, Tierschutzverträge, Übergabe- oder Pflegeverträge ohne und mit Übernahmeoption an. Es werden auch viel mehr Hunde vermittelt, als es früher der Fall war.

FRAGE: Kluges Agieren scheint hier nicht nur vor Gericht gefragt?

ANTWORT: Bei Auseinandersetzungen mit Veterinärämtern ist viel Verhandlungs- und taktisches Geschick gefordert, wenn z. B. eine tierschutzwidrige Haltung vorgeworfen wird. Wir sind bei diesen Verfahren ambivalent. Wir haben immer auch das Tierwohl im Auge. Über diese Ambivalenz werden unsere Mandanten vor der Aufnahme des Mandats ausführlich aufgeklärt. Es ist nicht immer und um jeden Preis eine Rückführung von Tieren anzustreben. Uns fällt in den Fällen eher eine mediative Aufgabe zu, indem wir z. B. darauf hinwirken, dass die Anzahl der Tiere reduziert wird, um für die verbleibenden Tiere ein optimales, artgerechtes Leben zu schaffen. Es ist ein weiterer interessanter Aspekt in unserer Kanzlei, dass wir den Tierschutz im Auge haben.

Weiterführende Hinweise
  • Von der Kanzlei zum Verband – so agieren Juristen agil und erfolgreich, iww.de/ak, Abruf-Nr. 49012125
  • Die Hürden sind hoch, um Gutachter als befangen abzulehnen, AK 24, 100
  • Wie Detektive für Anwälte Zeugen suchen und Aussagen überprüfen, AK 24, 49
  • „Nachhaltigkeit beginnt bei der Mandatsauswahl“, AK 23, 64
  • Ein Ding drehen: Die Windbranche als Nische für Juristen, AK 21, 146
  • Anwälte sollten auf eine mögliche Prozessfinanzierung hinweisen, AK 21, 149
  • Erfolg hat ... der lokal vernetzte Anwalt, AK 20, 38

AUSGABE: AK 6/2025, S. 105 · ID: 48565732

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