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Kommunikation„Alte Hasen“ und „Youngster“ – so klappt die Zusammenarbeit in der Kanzlei
| Altersgemischte Teams bringen zahlreiche Vorteile für die Kanzlei mit sich: Viele Mandanten fühlen sich bei einem Anwalt der eigenen Generation am besten aufgehoben oder sind konkret auf der Suche nach einem lebenserfahrenen „Elder Statesman“. Wieder andere legen Wert auf die Vertretung durch einen dynamischen „High-Potential“. Mit einem altersdiversen Team können Sie all diesen Mandantenbedürfnissen entgegenkommen. Indem Sie dem Nachwuchs reelle Chancen und Teamarbeit auf Augenhöhe ermöglichen, wirken Sie zudem einer Überalterung Ihrer Kanzlei entgegen. Voraussetzung für den Erfolg altersgemischter Teams ist, dass typische Konflikte zwischen Jung und Alt vermieden werden. Grund genug, das Augenmerk gezielt auf das Generationenmanagement zu richten. |
1. Basis guter Zusammenarbeit: Schubladendenken verlassen
Das Stereotyp lautet: Babyboomer sind erfahren, leistungsorientiert und eher unflexibel, Digital Natives sind IT-affin, unbeständig und freizeitorientiert. Auch darüber hinaus werden verschiedenen „Generationen“ ganz bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen nachgesagt. Und tatsächlich gibt es gewisse Eigenschaften, in denen sich Jung und Alt oft unterscheiden.
Doch solche „typischen“ Haltungen sind in Wirklichkeit nicht mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Jahrgangsspannen zu erklären, zumal diese meist willkürlich festgelegt sind. Das belegte kürzlich eine groß angelegte Studie an der Universität des Saarlands, für die knapp 600.000 Datensätze aus 40 Jahren untersucht wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Ära und der Lebensverlauf eines Individuums seine Arbeitsmotivation und -einstellung viel besser erklären als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten „Generation“.
Der „Periodeneffekt“ ist die bessere Erklärung Praxistipp | Weg mit der Kategorisierung in „Natives“, „Immigrants“ etc., weg mit diskriminierendem „Generationismus“! Hilfreich im (Kanzlei-)Alltag ist vielmehr die Akzeptanz des sog. Periodeneffekts: Jüngere hatten schon immer weniger Lust, viel und hart zu arbeiten, als Menschen im mittleren Alter – auch die Babyboomer hatten als Twens nachgewiesenermaßen niedrigere Motivationswerte als heute 50 und 60 Jahre alte Personen. Zudem denken wir alle – ob alt, ob jung – heute insgesamt anders als noch vor 30 Jahren. Wer sich das bewusst macht, hat automatisch mehr Verständnis für seine jüngeren oder älteren Kollegen. |
2. Mit richtiger Grundhaltung Zusammenarbeit aktiv fördern
Damit alle Altersstufen erfolgreich und gut zusammenarbeiten können, ist eine offene, klare Kommunikationskultur als Grundhaltung in der Kanzlei unumgänglich. Regelmäßige Feedbackgespräche, Entscheidungskompetenz für alle und Akzeptanz sind wichtige Bestandteile. Indem aktiv auf Respekt und gegenseitige Wertschätzung geachtet wird, wird einer Spaltung zwischen „Alt“ und „Jung“ vorgebeugt.
Praxistipp | Gegenseitiger Respekt beinhaltet, auf herablassende Belehrungen, Konkurrenzdenken und Ausgrenzung zu verzichten. Die Entscheidungen jedes einzelnen Teammitglieds sollten nicht nur innerhalb der Kanzlei, sondern vor allem auch nach außen akzeptiert und gewürdigt werden. |
3. Konkrete Tipps zum Generationenmanagement
Folgende Tipps können dabei helfen, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Altersgruppen zu fördern, deren Stärken gezielt einzusetzen, Arbeitsprozesse zu optimieren und das Wissen der verschiedenen Generationen effektiv zu nutzen.
a) Neue Mitarbeiter planvoll einführen
„Neue“ – egal, ob jung oder alt – sollen sich willkommen, wertgeschätzt und wahrgenommen fühlen und gleich von Anfang an die Kanzleiphilosophie des Austauschs und der gegenseitigen Wertschätzung erleben. Machen Sie bei Eintritt eines neuen Mitarbeiters in die Kanzlei deutlich, welche konkreten individuellen Kompetenzen er mitbringt. So kommen gar nicht erst Vorurteile auf und man kann mit realistischen Erwartungen aufeinander zugehen.
b) Individuelle Merkmale verstehen
Menschen sind unterschiedlich geprägt und haben zudem in verschiedenen Lebensphasen unterschiedliche Bedürfnisse. Indem die individuellen Vorstellungen und Wünsche wahrgenommen und als „normal“ anerkannt werden, kann man Konflikten effektiv vorbauen. Dazu ist es hilfreich, sich klarzumachen, wodurch jeder Einzelne im Team vermutlich geprägt wurde und was ihn als Persönlichkeit ausmacht. Diese Sichtweise sollte aktiv allen Mitarbeitern vermittelt werden.
c) Ausgleich und Fairness im Team pflegen
Wer sich der Unterschiede bewusst ist, kann bei Bedarf für den nötigen Ausgleich sorgen. Liegt z. B. in einer Teamsitzung der Schwerpunkt auf Legal-Tech-Lösungen, können nicht so digitalaffine Mitarbeiter gezielt gebeten werden, mit ihren „analogen“ Erfahrungen zum Thema beizutragen. Sind Ältere bereit, bei berechtigter Kritik das eigene Handeln zu modifizieren, sollte ihnen vor allen die gebührende Anerkennung gezollt werden.
Praxistipp | Die Aufgaben- bzw. Mandatsverteilung darf nicht vom Alter abhängen. Wer Nachwuchskräften nur die uninteressanten Fälle und unangenehmen Mandanten überlässt oder den Älteren nur noch rein strategische Aufgaben überantwortet, ebnet Generationenproblemen den Weg. |
d) Unterschiedliche Kompetenzen kombinieren
Stellen Sie Teams so zusammen, dass sich unterschiedliche Kompetenzen ergänzen und Menschen verschiedener Altersgruppen zusammenarbeiten („Tandem-Teams“). Es kann empfehlenswert sein, die Zusammensetzung der Teams zu begründen und zu erwähnen, wer welche besonderen Stärken einbringt. Dabei darf aber die Flexibilität der Teams nicht eingeschränkt werden und es sollten schon gar keine Vorurteile gefestigt werden!
e) Wissenstransfer und Kreativität fördern
Fördern Sie den Austausch auf Augenhöhe, indem Sie für gezielten Wissensaustausch zwischen den verschiedenen Altersgruppen sorgen. Kanzleiinterne Weiterbildungen sind eine Möglichkeit, dass sich Ältere und Jüngere gleichermaßen geschätzt und gefördert fühlen. Hier sollte abwechselnd jeder einmal zu Wort kommen und allen sein persönliches Know-how zugänglich machen. So wird Mentoring (= erfahrene Person gibt Wissen/Erfahrungen an weniger erfahrene Person ab) mit Reverse Mentoring (= umgekehrt gibt jüngere/weniger erfahrene Person Wissen an erfahrenere Person ab) kombiniert. Auch externe Fortbildungen müssen allen zugänglich gemacht werden. Denn es ist keineswegs so, dass Menschen ab einem bestimmten Alter nicht mehr daran interessiert sind, Neues zu lernen oder sich weiterzuentwickeln.
Merke | Zusammenkünfte sind hilfreich, um hierarchie-, generationen- und bereichsübergreifend neue Ideen zu entwickeln. Wenn dabei niemand für außergewöhnliche Vorschläge, überraschende Assoziationen oder „dumme“ Fragen seltsam angeschaut wird, lösen sich Denkblockaden, Problemstellungen werden aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und man kann gemeinsam zu guten Lösungen kommen. Keineswegs denken die Älteren stets in eingefahrenen Bahnen und keineswegs sind es vor allem die Jüngeren, die Innovationen anstoßen. |
f) Unterstützung für den Fall der Fälle bieten
Was aber ist zu tun, wenn ein lang gedienter Mitarbeiter wirklich altersmüde oder ausgebrannt ist? Dann ist es wichtig, zu zeigen, dass man auch für diesen Mitarbeiter da ist. Zum einen gebietet das eine generationengerechte Grundhaltung, zum anderen fördert das die Bindung der Jüngeren an die Kanzlei. Denn wenn ein Junger erlebt, wie ein verdienter Älterer „abserviert“ wird, dürfte er seine Zukunft wohl eher bei einem anderen Arbeitgeber sehen.
g) Auf den Kanzlei-Grundwerten beharren
Bei aller Akzeptanz und Würdigung individueller Prägungen und Haltungen: Die wesentlichen Werte der Kanzlei müssen für Jung und Alt gleichermaßen gelten und von allen gepflegt werden. Das sollte von vornherein allgemein vermittelt werden. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit sind essenziell für den Erfolg jeder Kanzlei. Kanzleispezifische Werte kommen hinzu. Stecken Sie deshalb einen Rahmen fest, der in Ihrer Kanzlei nicht verlassen werden darf!
- Im Jahr 2022 waren nicht einmal 20 % der Anwälte unter 40 Jahre alt, dafür aber mehr als 8 % über 70 Jahre (iww.de/s11593).
AUSGABE: AK 11/2024, S. 192 · ID: 50159180