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StandesrechtBerufsrechtlicher Verstoß wird nur bei klarer Rechtslage geahndet
| Eine angebliche berufsrechtliche Pflichtverletzung kann nur geahndet werden, wenn die Obliegenheit selbst überhaupt bzw. hinreichend klar normiert ist. Nur so ist das verfassungsrechtlich verankerte Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) gewahrt. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass ein Anwalt für ein Verhalten zur Rechenschaft gezogen wird, das für ihn weder durch berufsrechtliche Normen noch durch konkrete Normen außerhalb des Berufsrechts als pflichtwidriges Verhalten eindeutig erkennbar ist (AGH Bayern 15.7.24, BayAGH II – 3 -1/23, Abruf-Nr. 243660). |
Im vorliegenden Fall soll ein Anwalt einem mit einem Vertretungsverbot belasteten Berufskollegen ermöglicht haben, als „interner Bevollmächtigter“ verbotswidrig vor dem LG in der mündlichen Verhandlung eines Zivilrechtsstreits aufzutreten. Zwar geht insofern auch der AGH davon aus, dass der Betroffene dem Kollegen bewusst helfen wollte, das bestehende Vertretungsverbot zu umgehen. Diesbezügliche Verstöße werden aber nur beim betreffenden Anwalt selbst sanktioniert, nicht jedoch bei unterstützenden anwaltlichen Dritten. Solange der Gesetzgeber in § 113 Abs. 1, § 114a BRAO oder in einer auf § 59a BRAO gestützten Satzung keine entsprechenden ergänzenden Beteiligungsregelungen trifft, ist ein derartiges Verhalten berufsrechtlich irrelevant.
Auch einen Rückgriff auf die Generalklausel des § 43 BRAO lehnt der AGH ab. Es bestehen Zweifel, ob diese Norm bestimmt genug ist, um spezielle Rechte und Pflichten aus ihr abzuleiten. Jedenfalls darf sie nicht als Auffangtatbestand herangezogen werden, wenn der Gesetz- oder Satzungsgeber bewusst auf eine Statuierung einer Berufspflicht verzichtet hat.
AUSGABE: AK 11/2024, S. 183 · ID: 50140896