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MandatsverhältnisVerteidiger darf über Haftbefehl informieren

Abo-Inhalt07.08.20223132 Min. LesedauerVon OStA a.D. Raimund Weyand, St. Ingbert

| Der Verteidiger darf nach Ansicht des OLG Jena seinen Mandanten über einen von der Staatsanwaltschaft beantragten Haftbefehl unterrichten, wenn er diese Information im Rahmen einer antragsgemäßen Akteneinsicht versehentlich erhält. |

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Staatsanwaltschaft hatte der Pflichtverteidigerin antragsgemäß eine vollständige Kopie der Ermittlungsakte übersandt. Diese enthielt Kopien des Entwurfs eines Haftbefehlsantrags. Die Verteidigerin gab die Akte an den Mandanten weiter. Der Antrag der Ermittlungsbehörde, die Berufsangehörige wegen versuchter Strafvereitelung (§ 258 StGB) als Verteidigerin auszuschließen (§ 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO), blieb erfolglos.

Teilweise wird die Auffassung vertreten, einem Verteidiger sei es schlechthin verboten, seinen Mandanten über drohende Zwangsmaßnahmen zu informieren und ihm entsprechende Aktenteile in Kopie zu überlassen. Das OLG lehnt diese Meinung explizit ab, weil sie in der StPO keinen Niederschlag gefunden hat. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen – wie hier – der Rechtsbeistand über angedachte Maßnahmen unbeabsichtigt informiert wird (OLG Jena 18.1.22, 1 Ws 487/21, Abruf-Nr. 229841).

Der Senat sah außerdem keine Hinweise auf eine mögliche Absicht der Pflichtverteidigerin, ihrem Mandanten drohende Sanktionen zu vereiteln. Denn die Akte wurde von der Staatsanwaltschaft in Form eines Datenträgers zur Verfügung gestellt, woraufhin die Berufsangehörige die Datei an ihren Klienten ohne nähere Durchsicht weitergeleitet hatte. Von dem beabsichtigten Haftbefehl hätte sie aber nur so erfahren können. Sie war nicht gehalten, vor der Informationsweitergabe selbst die Akten zu sichten.

Relevanz für die Praxis

Auch als Organ der Rechtspflege ist der Verteidiger nicht verpflichtet, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht unterlaufene Fehler gegenüber seinem Mandanten geheim zu halten. Ermittlungsbehörden dürfen Akteneinsicht dann verweigern, wenn der Ermittlungszweck gefährdet werden kann (§ 147 Abs. 2 S. 1 StPO). Übersieht der Staatsanwalt diese Möglichkeit oder schätzt er die Lage falsch ein, muss der Verteidiger diese Beurteilung nicht korrigieren.

Prozessual zulässige Handlungen des Verteidigers können nie den Vorwurf der Strafvereitelung rechtfertigen. Er muss seinen Mandanten stets sachgerecht vertreten und diesem daher umfassend mitteilen, was er aus den Akten erfahren hat. Nur, wenn er unlautere Mittel anwendet (z. B. die Ermittlungsbehörden täuscht) und so Informationen erlangt und weitergibt, setzt er sich u. U. dem Vorwurf der versuchten Strafvereitelung aus.

AUSGABE: AK 8/2022, S. 134 · ID: 47999750

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