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ArbeitsrechtWas bedeutet ein Betriebsrat für meine Apotheke?
| Auch in kleineren Betrieben und nicht zuletzt in Apotheken ist die Situation in der Praxis nicht selten: Ein Teil der Belegschaft will, oft wegen aktueller oder zurückliegender Differenzen mit dem Apothekeninhaber, einen Betriebsrat gründen, weil Kollegen aus Industrie und Handel berichten, dass sie damit seit Jahrzehnten recht gut fahren. Abgesehen davon, dass die Ausgangssituation nicht vergleichbar ist, stellen Sie sich nun die Frage, was das für Ihre Apotheke und Ihre Position als Inhaber bedeutet. AH klärt die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Wahl eines neuen Betriebsrats. |
Inhaltsverzeichnis
- Ist meine Apotheke überhaupt betriebsratsfähig?
- Welche Größe hat der neu zu wählende Betriebsrat?
- Ein Betriebsrat für die Hauptapotheke und Filialapotheke(n)?
- In welchem Wahlverfahren findet die Betriebsratswahl statt?
- Wie läuft das vereinfachte Wahlverfahren ab?
- Sind Leiharbeitnehmer aktiv und passiv wahlberechtigt?
- Was gilt bei Verstößen gegen wesentliche Wahlvorschriften?
- Welche Rechte und Pflichten hat der Betriebsrat?
- Wie sieht der Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder aus?
- Wann endet die Amtszeit des Betriebsrats?
Ist meine Apotheke überhaupt betriebsratsfähig?
§ 1 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bestimmt, dass in Betrieben mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt werden. Wahlberechtigt sind dabei nach § 7 BetrVG alle Arbeitnehmer, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar sind Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und mindestens sechs Monate dem Betrieb angehören (§ 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG).
Beachten Sie | In der Praxis sind außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) – also in Betrieben, die unter anteiliger Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigten nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen (§ 23 Abs. 1 KSchG) – höchst selten Betriebsräte anzutreffen. Die zwingende Anmutung des § 1 Abs. 1 BetrVG bleibt ohnehin sanktionslos, wenn die Belegschaft, aus welchem Grund auch immer, keinen Betriebsrat wählt.
Welche Größe hat der neu zu wählende Betriebsrat?
Dies richtet sich nach § 9 BetrVG nach der Größe des Betriebs und damit nach der Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb – also in Ihrer Apotheke.
Zahl der Betriebsratsmitglieder | |
5 bis 10 wahlberechtigte Arbeitnehmer | = 1 Betriebsratsmitglied |
21 bis 50 wahlberechtigte Arbeitnehmer | = 3 Mitglieder |
51 bis 100 wahlberechtigte Arbeitnehmer | = 5 Mitglieder |
101 bis 200 wahlberechtigte Arbeitnehmer | = 7 Mitglieder |
Ein Betriebsrat für die Hauptapotheke und Filialapotheke(n)?
Hier ist der sogenannte Betriebsbegriff entscheidend. Der Betrieb ist nach der einschlägigen Definition des Bundesarbeitsgerichts die „organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, wobei die in der Betriebsstätte vorhandenen Betriebsmittel von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden müssen.“ In der Praxis ist davon auszugehen, dass eine Hauptapotheke und ihre Filialapotheke(n) unselbstständige Niederlassungen eines einheitlichen betriebsratsfähigen Betriebs sind. Die Zahl der Beschäftigten ist daher zu addieren.
In welchem Wahlverfahren findet die Betriebsratswahl statt?
Da die meisten auch größeren Apotheken zwischen 5 und 100 Arbeitnehmer haben dürften, ist dort das sogenannte vereinfachte Wahlverfahren nach § 14a BetrVG verpflichtend. Auch etwas größere Betriebseinheiten mit bis zu 200 Arbeitnehmern können durch Absprache zwischen Arbeitgeber und Wahlvorstand das vereinfachte Wahlverfahren mit Personenwahl, verkürzten Fristen und Vereinfachungen in formeller Hinsicht, z. B. bei der Bestellung des Wahlvorstands oder der Formulierung des Wahlausschreibens, vereinbaren.
Wie läuft das vereinfachte Wahlverfahren ab?
Zunächst wird in betriebsratslosen Betrieben auch außerhalb der regelmäßigen Amtszeit des Betriebsrats ein Wahlvorstand durch die Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer in einer Wahlversammlung bestellt (§ 17 Abs. 2 BetrVG). Zu dieser Versammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen und Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands unterbreiten (§ 17 Abs. 3 BetrVG). Eine geheime Wahl ist nicht erforderlich, es gelten die Grundsätze der Mehrheitswahl. Ist der Wahlvorstand gewählt, hat er unverzüglich die Betriebsratswahl einzuleiten und durchzuführen. Dies bedeutet für den frisch gewählten, aus drei wahlberechtigten Mitgliedern bestehenden Wahlvorstand, dass er die Wählerliste und das Wahlausschreiben zu erstellen sowie Einsprüche gegen die Wählerliste zu prüfen und zu bearbeiten hat. Darüber hinaus sind Wahlvorschläge entgegenzunehmen, Stimmzettel zu fertigen und für die Wahl Räumlichkeiten in Form eines Wahllokals zu finden und auszustatten. Am Wahltag selbst folgt die Stimmauszählung, die Feststellung des Wahlergebnisses und der gewählten Betriebsratsmitglieder, deren Benachrichtigung und die Einladung zur konstituierenden Sitzung des neuen Betriebsrats. Dabei sind – auch im vereinfachten Wahlverfahren – die sich aus dem BetrVG und der Wahlordnung (einer Rechtsverordnung zum BetrVG) ergebenden gesetzlichen Fristen zu beachten.
Sind Leiharbeitnehmer aktiv und passiv wahlberechtigt?
Diese sehr umstrittene Frage hat der Gesetzgeber nun in § 7 S. 2 BetrVG geklärt. Zur Arbeitsleistung überlassene und in Ihrer Apotheke eingesetzte Arbeitnehmer sind aktiv wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate eingesetzt werden. Ein passives Wahlrecht in Form der Wählbarkeit haben sie nicht.
Was gilt bei Verstößen gegen wesentliche Wahlvorschriften?
Solche Verstöße machen die Wahl anfechtbar (§ 19 BetrVG) oder nichtig, wenn durch sie zumindest hypothetisch das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst werden konnte. Eine Nichtigkeit ist aber in der Praxis eher selten und nur anzunehmen, wenn schon der Schein einer ordnungsgemäßen Wahl für jeden objektiven Beobachter erkennbar nicht gewahrt ist (Wahl auf Zuruf). Die Anfechtung als Regelfall der Beseitigung der Rechtsfolgen der Wahl für die Zukunft (ex nunc) muss durch mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder den Arbeitgeber selbst erfolgen.
Anfechtungsgründe können dabei Verstöße gegen wesentliche Wahlgrundsätze wie die Geheimheit oder Unmittelbarkeit der Wahl sein. Aber auch Verstöße in formaler Hinsicht wie bei der Aufstellung der Wählerliste oder der Abfassung und dem Aushang des Wahlausschreibens können zu einer erfolgreichen Anfechtung führen, sofern sie hypothetisch für das Wahlergebnis hätten relevant sein können. Zu beachten ist auch die Anfechtungsfrist von zwei Wochen, gerechnet ab dem Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Innerhalb dieser Frist ist ein Antrag beim zuständigen Arbeitsgericht zu stellen.
Welche Rechte und Pflichten hat der Betriebsrat?
Der Betriebsrat hat Mitbestimmungsrechte (Initiativ- und Vetorechte, die zwingend sind) und Mitwirkungsrechte (Informations- und Teilhaberechte) vor allem in personellen (§ 99 BetrVG) und sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG). Dies bedeutet, dass der Betriebsrat bei Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen ebenso mitzubestimmen hat wie in Fragen der Lage der Arbeitszeit, der Pausen, der Ordnung des Betriebs, des Einsatzes geeigneter technischer Einrichtungen zur Überwachung des Arbeitsverhaltens etc. Diese Rechte sind durch Anträge vor dem Arbeitsgericht oder Anrufung der sogenannten Einigungsstelle auch gegenüber dem Arbeitgeber im Streitfall durchsetzbar. Daneben gibt es Informations- und Beratungsrechte, von denen das Anhörungsrecht vor Ausspruch einer Kündigung hervorzuheben ist. Seine Verletzung oder nicht ordnungsgemäße Durchführung führt automatisch zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Wie sieht der Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder aus?
Das Betriebsratsmitglied genießt für die Dauer seiner Amtszeit und ein Jahr danach den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 KSchG. Das bedeutet, dass diesem Personenkreis nur aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gekündigt werden kann. Solange die aktive Mitgliedschaft im Betriebsrat besteht, ist eine Kündigung zudem nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 1 BetrVG oder deren Ersetzung durch das Arbeitsgericht nach § 103 Abs. 2 BetrVG auf Antrag des Arbeitgebers zulässig.
Wann endet die Amtszeit des Betriebsrats?
Hierzu regelt § 21 BetrVG, dass die regelmäßige Amtszeit des Betriebsrats vier Jahre beträgt und die Wahlen regelmäßig alle vier Jahre durchzuführen sind, das nächste Mal übrigens im Jahr 2026, in dem die Amtszeit des amtierenden Betriebsrats spätestens am 31.5. endet. Dies gilt grundsätzlich auch für außerhalb der regelmäßigen Amtszeit gewählte Betriebsräte, z. B. in bisher betriebsratslosen Betrieben (eine wichtige Ausnahme regelt § 13 Abs. 3 S. 2 BetrVG).
AUSGABE: AH 10/2024, S. 15 · ID: 50156196