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Aktuelle UmfrageAPOkix „Apothekenreform unter Lauterbach“ – quo vadis Apothekenmarkt?
| Im Rahmen des APOkix Juli 2024 hat das durchführende IFH Köln Apothekenleiter zur geplanten Apothekenreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach befragt. Dieser Beitrag stellt ausgewählte Ergebnisse vor und untersucht, welche wirtschaftlichen Auswirkungen eine Umsetzung der diskutierten Änderungen im Rahmen der Apothekenreform haben könnte. |
Inhaltsverzeichnis
Drei Themen stehen im Vordergrund
Zwei Drittel der befragten Apotheker finden, dass die Reform an den richtigen Stellen ansetzt, aber in ihrer Ausgestaltung noch viele Verbesserungspotenziale bzw. -notwendigkeiten offenbart. Als wichtigste Themen werden die Verhandlungen zur Anpassung des Fixums ab 2027 zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV genannt, gefolgt von der Absenkung des variablen Anteils der Apothekenvergütung und der Erhöhung der Notdienstfinanzierung.
Schaut man sich die drei Spitzenpositionen genauer an, zeigt sich, welcher Sprengstoff sich hier für die Apotheken verbirgt.
Anpassungen des Fixums werden ab 2027 ausgehandelt
Wenn ab 2027 der DAV mit dem GKV-Spitzenverband das Fixum der Vergütung von Apotheken aushandeln soll, wird es mit der Planungssicherheit wohl vorbei sein. Bereits jetzt kann aufgrund der Entscheidungen des Bundesgesundheitsministeriums (Erhöhung des Kassenabschlags trotz deutlich gestiegener Kosten etc.) nicht mehr von einer nachhaltig sicheren Apothekenführung gesprochen werden. Zu groß ist die Unsicherheit geworden, dass kurzfristig weitere Vergütungsbestandteile gekürzt oder ganz gestrichen werden.
Betrachtet man die aktuellen Verhandlungen des GKV-Spitzenverbandes mit dem DAV zu den Pflegehilfsmittelpauschalen, so wird deutlich, wie langwierig diese Hängepartie ist. Bei diesen Verhandlungen sollten die Vertragspreise für die im Rahmen der Pflegehilfsmittelpauschalen abgegebenen Produkte nach Jahren der Stagnation neu festgelegt werden. Gerade die Coronapandemie sowie der Ukrainekrieg und die damit verbundene Inflation haben gezeigt, dass die Vertragspreise von vor einigen Jahren wirklich nicht mehr kostendeckend sind. Eigentlich läuft der Vertrag nun Ende September 2024 aus. Leider konnten sich die Vertragspartner nicht auf einen Konsens einigen. Jetzt soll eine Schiedsstelle entscheiden. Wenn man bedenkt, welchen Umsatzanteil dieser Problemfall in einer durchschnittlichen Apotheke ausmacht, kann einem nur angst und bange werden, wenn die Verhandlungspartner demnächst das Herzstück der Wirtschaftlichkeit von Apotheken verhandeln.
Anpassung des Kombimodells
Aktuell schlägt Minister Lauterbach vor, die Vergütung von Medikamenten im Rahmen des Kombimodells auf 9 Euro absolut und dafür nur 2 Prozent relativ zu ändern. Was bedeutet diese Umverteilung? Die folgende Tabelle zeigt, welcher Ertrag je Packung (ohne Berücksichtigung möglicher Rabatte) sich bei einer geplanten Anpassung des Kombimodells ergibt. Liegt der Rohertrag je Packung bei einem APU der Packung von 10 Euro noch um 54 Cent höher als im aktuellen Kombimodell, so dreht sich das Gewinnverhältnis bei einer Änderung bereits bei einem APU über 62,30 Euro zuungunsten der Apotheker.
Sind Hochpreiser (Arzneimittel ab einem AEK von 1.238 Euro) bereits heute ungeliebte Patientenwünsche, da der Verlust bei Ausfall/Retaxation hoch und die Kompensationsmöglichkeiten gering sind und zudem die Vorfinanzierungskosten den Ertrag der Packung schnell übersteigen, werden diese in naher Zukunft (zumindest aus betriebswirtschaftlicher Sicht) zum „Produkt non grata“. Dass dies zu einer deutlich schlechteren Versorgungsqualität in den bereits bestehenden Apothekenstrukturen führen wird, sehen die Schöpfer der Apothekenreform nicht.
Beispiel / Vergleich bisheriges Kombimodell und „Erhöhungs“-Vorschlag | |||||||||
APU | 5,00 | 10,00 | 30,00 | 62,30 | 80,00 | 100,00 | 200,00 | 500,00 | 4.000,00 |
GH-Zuschlag (3,15 % + 0,73 Euro) | 0,89 | 1,05 | 1,68 | 2,69 | 3,25 | 3,88 | 7,03 | 16,48 | 126,73 |
AEK | 5,89 | 11,05 | 31,68 | 64,99 | 83,25 | 103,88 | 207,03 | 516,48 | 4.126,73 |
Bisheriges Kombimodell (Angaben in Euro) | |||||||||
Apothekenzuschlag (3 %) + 8,35 Euro | 8,53 | 8,68 | 9,30 | 10,30 | 10,85 | 11,47 | 14,56 | 23,84 | 132,15 |
Notdienstzuschlag | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 |
pDL-Zuschlag | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 |
Netto-AVP | 14,82 | 20,14 | 41,39 | 75,70 | 94,51 | 115,76 | 222,00 | 540,73 | 4.259,29 |
Brutto-VK | 17,64 | 23,96 | 49,25 | 90,09 | 112,46 | 137,75 | 264,18 | 643,47 | 5.068,56 |
Gewinn | 8,94 | 9,09 | 9,71 | 10,71 | 11,26 | 11,88 | 14,97 | 24,25 | 132,56 |
+ | + | + | + | – | – | – | – | – | |
„Erhöhungs“-Vorschlag (Angaben in Euro) | |||||||||
Apothekenzuschlag (2 %) + 9 Euro | 9,12 | 9,22 | 9,63 | 10,30 | 10,67 | 11,08 | 13,14 | 19,33 | 91,53 |
Notdienstzuschlag | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 | 0,21 |
pDL-Zuschlag | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 |
Netto-AVP | 15,42 | 20,68 | 41,72 | 75,70 | 94,33 | 115,37 | 220,58 | 536,22 | 4.218,67 |
Brutto-VK | 18,34 | 24,60 | 49,65 | 90,09 | 112,25 | 137,29 | 262,49 | 638,10 | 5.020,22 |
Gewinn | 9,53 | 9,63 | 10,04 | 10,71 | 11,08 | 11,49 | 13,55 | 19,74 | 91,94 |
Änderung der Notdienstvergütung
Drei Viertel der befragten Apotheker halten die Notdienstvergütung für ein wichtiges, aber nicht gut umgesetztes Thema. Der Notdienst soll durch eine Umwandlung von Geldern aus dem Topf der pDL mit einer erhöhten Pauschale vergütet werden. Damit stünde für die pDL, die eigentlich als zukünftige Basisaufgabe der Apotheker vorgesehen sind, demnächst weniger Geld zur Verfügung. Dies liegt vor allem daran, dass bislang die zur Verfügung gestellten Töpfe nicht ausgeschöpft wurden. Bei Betrachtung der wirtschaftlichen Seite soll vor allem auf die Personalkosten je Notdienst abgezielt werden. Im Notdienst muss immer ein Approbierter rund um die Uhr vor Ort sein. Somit fallen für einen Wochennotdienst allein für die Vergütung des Apothekers mindestens 216 bis 265 Euro (je nach Berufsjahren) an. Diese Werte sind noch um die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung etc. zu erhöhen. Die Ungewissheit, ob die Patienten die Apotheke im Notdienst aufsuchen, zeigt, dass in der gegenwärtigen Situation die meisten durchgeführten Notdienste unrentabel sind. Eine annähernde Verdoppelung wäre trotzdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein, da davon ausgegangen werden kann, dass bei der derzeitigen Personalknappheit kaum eine Apotheke für diese Beträge noch Personal finden wird, das bereit ist, den Notdienst durchzuführen. Die Apotheken müssen erhebliche Aufschläge zahlen. Ein Aufschlag von 30 Prozent führt dazu, dass selbst ein Betrag von 500 Euro, wie er derzeit im Gespräch ist, bald schon nicht mehr kostendeckend sein wird.
Fazit: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?
Die folgende Abbildung zeigt erneut die Unzufriedenheit mit den Vorschlägen, die mit einer Ablehnung einhergeht. Das offenkundige Ziel der Reform, das Apothekensterben zu verhindern, indem die Finanzierung der Apotheken auf eine solide Basis gestellt wird, wird nach Meinung fast aller Befragten nicht nur nicht verhindert, sondern sogar beschleunigt. Auch die Vereinfachungen für die Eröffnung von Zweigapotheken wird von rund 93 Prozent kritisch gesehen. Hierin könnte ein erster Schritt zur Aufhebung des Mehrbesitzverbots gesehen werden. Die Regelung der „Apotheke ohne Apotheker“ wäre ebenfalls ein Fingerzeig für die Öffnung für andere Player im Markt.
Es lässt sich also festhalten, dass im Rahmen der aktuellen Apothekenreform zwar die richtigen Themen aufgegriffen werden, allerdings ist fraglich, ob das Ergebnis im Sinne aller Beteiligten ist. Gerade die Erhöhung der Vergütung für Apotheken ist dringend notwendig. Doch allein das hier dargestellte Rechenbeispiel zeigt schnell, welche Milchmädchenrechnung hinter dieser vermeintlichen „Erhöhung“ steckt: Für viele Apotheken ergibt sich eine absolute Verschlechterung. Und die Liberalisierung der Gründung und des Betriebs von Filialapotheken kann ein erster Schritt zu einer generellen Öffnung des Apothekenmarkts für den Fremdbesitz sein.
AUSGABE: AH 10/2024, S. 2 · ID: 50156273