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ApothekenentwicklungSo gelingt die Implementierung neuer Leistungen in der Apotheke: „Let‘s go – packen wir es an!“
| Stillstand und Rückschritt darf es in einer Apotheke, die sich zukunftsorientiert aufstellt, nicht geben. Trotz der vielfältigen Herausforderungen, die es derzeit für die öffentlichen Vor-Ort-Apotheken gibt, z. B. die verpflichtende Einführung des E-Rezepts im gesamten Bundesgebiet zum 01.01.2024, gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und den eigenen Betrieb auch aus sich selbst heraus weiterzuentwickeln. Nur so ist es möglich, sich gegenüber der Konkurrenz abzugrenzen und Alleinstellungsmerkmale zu positionieren, etwa durch Impfungen oder das Angebot von pharmazeutischen Dienstleistungen. |
Innehalten – reflektieren – planen
Am Anfang steht eine Vision, eine Idee oder eine Verpflichtung, etwas Neues in Angriff zu nehmen. Vielfach fehlt den Entscheidungsträgern im üblichen Alltagswahnsinn die Ruhe und Zeit, um neue Angebote zu entwickeln. Apothekenleiter sollten routinemäßig freie Zeitfenster einplanen, sich in Erfa-Gruppen austauschen und externe Berater hinzuziehen, die von außen auf den Betrieb schauen und aus einem anderen Blickwinkel Impulse geben können. Wichtige Fragestellungen im Rahmen der Reflexion sind:
- Welches neue Angebot soll erbracht werden?Diese wichtigen Fragen sind zu beantworten
- Passt das neue Angebot der Apotheke zur Betriebsphilosophie?
- Welchen Benefit soll das neue Angebot für die Apotheke erzielen?
- Gibt es eine besondere Zielgruppe, die von dem neuen Angebot angesprochen wird?
- Wie hoch ist der finanzielle und personelle Aufwand für die Umsetzung des neuen Angebots?
- Welche Kompetenzen werden für das neue Angebot benötigt?
- Wie hoch ist die Bereitschaft des Apothekenteams, das neue Angebot zu etablieren?
Die Entscheidung für die Implementierung eines neuen Angebots, einer neuen Dienstleistung oder neuer Prozesse wird i. d. R. von der Apothekenleitung getroffen. Sie ist dafür verantwortlich, den Istzustand zu reflektieren und zu planen, welche Neuerungen zielführend sind und wie diese dann implementiert werden. Ist die Entscheidung für die Etablierung eines neuen Projekts gefallen, sollte die Apothekenleitung für die weitere Planung verantwortliche Personen aus dem Betrieb hinzuziehen. Das kann eine apothekerliche Führungskraft sein, für kleinere Projekte aber auch eine engagierte PKA oder PTA, wenn sie für die Rolle geeignet ist. Diese Person sollte in dem zu etablierenden Projekt kompetent sein, eigenverantwortlich handeln und sich im Team behaupten können. Ähnlich wie in großen Konzernen bietet es sich dann an, zunächst einen Projektplan zu skizzieren, damit die konkrete Umsetzung strukturiert angegangen wird und das neue Angebot nicht nur eine schöne Idee bleibt.
Der Projektplan
Der Plan sollte folgendermaßen aufgebaut sein:
Beispiel |
Möchte eine Apotheke die Grippeimpfung als Angebot einführen, sollte eine Approbierte für die Implementierung verantwortlich sein. Sie nimmt an der erforderlichen Schulung der Apothekerkammer zur Qualifizierung teil, sorgt für die räumlichen Voraussetzungen und macht sich mit der Leitlinie zur Durchführung, Dokumentation und Abrechnung der Bundesapothekerkammer vertraut. Es werden eine Vorbereitungszeit und ein Starttermin im Herbst vor der Grippesaison definiert. Der Workflow wird mit dem Team besprochen, die Zuständigkeiten (für die Bestellung des Impfstoffs und des Impfzubehörs, Informationsmaterialien, Kundenansprache, Terminvergabe, Dokumentation und Abrechnung) werden verteilt und am besten in einer Teamschulung allen beteiligten Mitarbeitern erläutert. |
- Beschreibung des neuen Angebots: was – warum – für wenGliederung für einen Projektplan
- Verantwortliche Personen für die Etablierung (Projektleiter)
- Timeline für die Implementierung
- Definition des Workflows
- Voraussetzungen (z. B. Qualifizierung) für die Umsetzung des Angebots
- Ressourcenplan
- Kostenplan
- Technische Ausstattung, Materialien zur Umsetzung definieren
- Ausführende Personen benennen
- Teamschulung vor dem Start
Ressourcenplanung
Eine Apotheke ist in erster Linie ein Betrieb, der wirtschaftlich geführt werden muss. Daher sollte die Einführung einer neuen Leistung oder eines neuen Angebots immer auch unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten mit Blick auf die verfügbaren Ressourcen eingeführt werden:
- Wie viel Geld kann in welcher Zeit verdient werden?Wichtig: Kosten- Nutzen-Kalkül; dabei müssen ausreichende finanzielle und ...
- Werden Lückenzeiten genutzt oder müssen andere Tätigkeiten entsprechend eingeschränkt werden?
- Wie viel kostet die Arbeitskraft, die diese Tätigkeit ausführt, und wie viel wird erwirtschaftet?
- Wie hoch sind der Wareneinsatz, die Lagerhaltungs- und die Fixkosten rund um die neue Leistung?
- Geht es bei der Erbringung nur rein um betriebswirtschaftliche Ergebnisse oder verschafft sie der Apotheke auch andere Vorteile, wie z. B. die erhöhte Kundenbindung von Patienten mit Polymedikation oder die Gewinnung von Neukunden, die aufgrund des Angebots der Grippeimpfung die Apotheke unkompliziert und schnell positiv kennenlernen?
Daher muss vor Beginn des Projekts klar sein, dass ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Es kann z. B. nicht sein, dass den Kunden ein großes Impfangebot gemacht wird, aber nur ein Apotheker zwei Stunden pro Woche Zeit zum Impfen hat und die erzeugte Nachfrage nicht befriedigt werden kann. Wenn die Ressourcen nicht ausreichen, können solche „freiwilligen“ Leistungen vorerst gestrichen oder verschoben werden.
Frühzeitige Planung mit Unterstützung des Teams ist vorteilhaft Merke | Bei der Einführung von verpflichtenden Prozessen (wie z. B. dem elektronischen Rezept) bleibt der Apothekenleitung nichts anderes übrig, als die Umsetzung voranzutreiben und zum geforderten Zeitpunkt startklar zu sein. Dennoch ist auch hier eine frühzeitige Planung mit Unterstützung des Teams von Vorteil, um die Prozesse ohne Druck und möglichst fehlerfrei umsetzen und die gesetzlichen Fristen entspannt einhalten zu können. Ggf. müssen die Arbeitsprioritäten geändert werden, um zeitliche und personelle Ressourcen zur Verfügung zu haben. |
Einer hat den Hut auf – und das ist der Projektleiter
Für die konkrete Eingliederung in den Apothekenalltag fehlt den Apothekenleitern häufig die Zeit. Daher ist es notwendig, eine verantwortliche Person zu benennen, die in enger Abstimmung mit der Apothekenleitung die Einführung vorantreibt. Dieser Projektleiter sollte im Team akzeptiert werden, motivieren können und einen guten Draht zur Apothekenleitung haben. Darüber hinaus sind Führungsqualitäten und die Fähigkeit, Projekte strukturiert zu planen und umzusetzen, erforderlich. Der Projektleiter plant unter Einbeziehung der Apothekenleitung und des Teams z. B., welche pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) zuerst angeboten werden. Oftmals ist es sinnvoll, zunächst klein zu beginnen, um das Team nicht zu überfordern und die Abläufe zu üben:
Bei den pDL können z. B. zunächst die beiden „kleinen“ Dienstleistungen (Standardisierte Blutdruckmessung, Schulung der Inhalativa) implementiert werden, bevor die Dienstleistungen rund um die erweiterte Medikationsberatung etabliert werden. Dabei würde der Projektleiter die notwendigen Dokumente vorbereiten und das Blutdruckmessgerät sowie die Inhalationsgeräte bereitstellen. Er spricht außerdem die Kollegen an, die die Dienstleistungen erbringen können, und weist sie in die Abläufe ein.
Beachten Sie | Falls die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation angeboten werden soll, ist zu klären, ob bereits ein Approbierter mit Qualifikation im Team ist oder ob die Apothekenleitung die Schulungen unterstützt. Sollen dazu auch digitale AMTS-Programme genutzt werden und wenn ja, welche und welche finanzielle Investition ist eingeplant?
Weitere wichtige Elemente für die Implementierung sind die Planung effizienter Abläufe und die Definition von Zielen: Wie viele pDL sollen in welchem Zeitraum von welchen Mitarbeitern erbracht werden, um die Leistung auch wirtschaftlich anbieten zu können?
Beachten Sie | Diese Ziele sollte der Projektleiter im Austausch mit der Apothekenleitung und dem Team definieren. Häufig gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, was aus Sicht der Apothekenleitung wünschenswert und was aus Sicht der Mitarbeiter machbar ist. Um hier einen Konsens zu finden, sollte der Projektleiter zwischen beiden Parteien vermitteln und am Ende in einer Teambesprechung ein gemeinsames Ziel formulieren.
Fortbildung zum pDL-Manager kann Unterstützung bieten Merke | Für die Implementierung der pDL gibt es das Konzept des pDL-Managers, das Kammern und Verbände als Qualifizierungstool zur Unterstützung anbieten. Die Fortbildung zum pDL-Manager umfasst i. d. R. drei Online-Seminare, die die zukünftigen pDL-Manager fachlich, organisatorisch und didaktisch vorbereiten und einen Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern gewährleisten sollen. Ziel ist es, dass ein Apotheker oder PTA pro Apotheke (oder Filialverbund) dafür fit gemacht wird, die Organisation und Koordination der pDL in der Apotheke zu übernehmen. |
Das Team einbeziehen
Bei der Einführung neuer Abläufe und Dienstleistungen gibt es im Team immer Kollegen, die sich vor dem Neuen fürchten. Sie fühlen sich überfordert, haben Angst vor der Veränderung und wehren sich mit den üblichen Ausreden wie: „Wir haben sowieso keine Zeit dafür! Wer soll das denn machen? Wollen das die Kunden überhaupt? Die Ärzte werden das nicht gutheißen.“ Diese ablehnende Haltung zu durchbrechen, ist die Aufgabe der Apothekenleitung und des Projektleiters. Eine kleine anonyme Umfrage im Team hilft dabei, die Bedenken zu erfahren. Sind einzelne Kollegen eindeutig gegen das neue Projekt, sollte in einem Vieraugengespräch versucht werden, die Bedenken zu hören, zu reflektieren und durch die Technik des „Motivational Interviewing“ (MI) eine Verhaltensänderung zu erzielen. Folgende Fragen helfen dabei:
Merke | Wichtig ist, dass im Team eine offene Kommunikation über das neue Projekt stattfindet und nicht hinter dem Rücken des Projektleiters Stimmung dagegen gemacht wird. |
- Was sind Deine Bedenken?MI kann Ängste abbauen und eine Verhaltensänderung erzielen
- Wie müsste das Projekt umgesetzt werden, damit Du Dir vorstellen könntest, mitzumachen?
- Was brauchst Du noch an Unterstützung, damit Du es versuchen würdest?
- Was denkst Du, welche Vorteile könnte das Projekt für die Apotheke haben?
- Welcher Bereich in dem Projekt könnte Dir am ehesten gefallen?
Teamschulung als Kick-off-Veranstaltung
In einer gemeinsamen Besprechung sollten alle Mitarbeiter über die Inhalte und die Umsetzung informiert werden. Dabei sollten der Projektleiter und die Apothekenleitung gemeinsam in das Projekt einführen. Die Apothekenleitung muss sich klar für das neue Projekt positionieren und erläutern, warum es ein Gewinn für die Apotheke und das Team ist. Das Ziel muss es sein, Freude und Motivation für eine neue, großartige Aufgabe zu wecken. In einer Einstiegsrunde kann abgefragt werden, wie die Kollegen zu dem neuen Leistungsangebot stehen. Sorgen und Bedenken können hier ebenfalls erneut besprochen werden. Die Inhalte, die Umsetzung und der Startpunkt des neuen Angebots werden in der Teamschulung noch einmal für alle zusammengefasst. Die Verantwortlichkeiten und der endgültige Fahrplan für den Start werden vorgestellt. Und am Ende steht die Motivation: „Let‘s go – packen wir es an!“
AUSGABE: AH 4/2024, S. 2 · ID: 49863901