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ArbeitszeugnisIn diesen Fällen darf ein laufendes Ermittlungsverfahren im Zeugnis genannt werden
| Bei einem ArbN, der mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, darf trotz der Unschuldsvermutung ein laufendes Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften im Zeugnis erwähnt werden. |
Sachverhalt
Der ArbN war seit über vier Jahren als Sozialarbeiter im Jugendamt beschäftigt und unter anderem für Kinderschutzmaßnahmen zuständig. Gegen ihn wurde wegen des Verdachts ermittelt, kinderpornografisches Material zu besitzen. Die Kripo durchsuchte sein Dienstzimmer und beschlagnahmte das Diensthandy. Im Polizeibericht wurde empfohlen, dem ArbN jeglichen Zugriff auf Kinder und Jugendliche zu verweigern. Das Arbeitsverhältnis wurde während des laufenden Ermittlungsverfahrens gekündigt. Ihm wurde ein Zeugnis erteilt, in dem das Ermittlungsverfahren und der Vorwurf erwähnt wurden. Mit der Klage macht der ArbN die Streichung dieser Aussagen in seinem Arbeitszeugnis geltend, da es sich nur um einen Verdacht handele und das Zeugnis ihm bei der Suche nach einer neuen Stelle schade.
Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht Siegburg (23.1.25, 5 Ca 1465/24, Abruf-Nr. 247735) wies die Klage insoweit ab. Arbeitszeugnisse müssten zwar wohlwollend formuliert sein. Daher dürften noch nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen der Unschuldsvermutung grundsätzlich nicht ins Zeugnis aufgenommen werden. In strengen Ausnahmefällen – wie etwa beim Schutz von Kindern – bestehe allerdings die Pflicht des ArbG, ein Ermittlungsverfahren im Zeugnis zu erwähnen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen gehe vor, zumal der ArbN im Prozess den Besitz der kinderpornografischen Fotos auf dem Diensthandy nicht bestritten habe. Nur dann entspreche das Zeugnis dem Gebot der Zeugniswahrheit.
Relevanz für die Praxis
Ist eine Kündigung wegen eines Ermittlungsverfahrens rechtlich zulässig? Das ist eine häufige Frage in der anwaltlichen Beratung. Grundsätzlich gilt auch im Ermittlungsverfahren die Unschuldsvermutung. Die Existenz eines Ermittlungsverfahrens allein ist deshalb kein Kündigungsgrund. Entscheidend ist der inhaltliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der begangenen oder mutmaßlichen Straftat oder Ordnungswidrigkeit.
Liegt eine Straftat vor und muss der ArbN dafür zum Beispiel eine längere Freiheitsstrafe verbüßen, kann der ArbG eine Kündigung aussprechen. Muss jedoch nur eine Geldstrafe gezahlt werden und die Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit hat nichts mit der Tätigkeit beim ArbG zu tun, ist eine Kündigung in vielen Fällen nicht gerechtfertigt. Der ArbN ist auch nicht verpflichtet, den ArbG über ein laufendes Ermittlungsverfahren, verhängte Bußgelder oder Strafen zu informieren, sofern diese in keinem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen.
AUSGABE: AA 5/2025, S. 85 · ID: 50395575