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ArbeitszeitbetrugArbN muss Detektivkosten seiner Beobachtung von über 21.000 EUR zahlen

Abo-Inhalt30.04.20255493 Min. Lesedauer

| Bei erheblichen vorsätzlichen Verstößen gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Dokumentation der Arbeitszeit ist eine Kündigung gerechtfertigt, ebenso eine Observation durch eine Detektei. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Tat- und hilfsweisen Verdachtskündigung sowie über die Erstattung von Detektivkosten. Der 55-jährige ArbN ist seit 2009 bei einem Verkehrsunternehmen als Fahrausweisprüfer angestellt. Er ist Ersatzmitglied des Betriebsrats, zuletzt wurde er Ende 2022 für den Betriebsrat tätig. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung werden die Arbeits- und Pausenzeiten der Mitarbeiter mittels des Zeiterfassungssystems A erfasst. Die Fahrausweisprüfer nutzen das Zeiterfassungssystem über eine mobile App.

Bei Gesprächen mit dem beim ArbG tätigen Sicherheitsunternehmen sei zufällig aufgefallen, dass es Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Arbeitszeiterfassung sowie die tatsächlich geleistete Arbeitszeit des ArbN gegeben habe. So sei von Mitarbeitern des Sicherheitsunternehmens unter anderem berichtet worden, dass der ArbN während der Arbeitszeit das Fitness-Studio, die Moschee und den Friseur besucht habe. Auch seien private Fotoshootings erwähnt worden, die vom ArbN während seiner Arbeitszeiten am Ruhrufer abgehalten worden seien. Um diese Vorwürfe zu überprüfen, habe der ArbG eine Detektei beauftragt, den ArbN unregelmäßig an einzelnen Tagen zu observieren. Aufgrund der hier erfolgten Treffer sei die Detektei beauftragt worden, den ArbN nochmals über einen festen Zeitraum von 14 Tagen zu überwachen.

Hierbei sei insbesondere festgestellt worden, dass der ArbN sich während seiner Arbeitszeit mehrfach – ohne Pauseneintrag im Arbeitszeiterfassungssystem A – an der Adresse seiner Freundin oder in Bäckereien/Cafés aufgehalten habe. Mehrfach habe er längere Pausen gemacht als in A von ihm eingetragen worden sei. Nachweise oder Berichte über etwaige Fahrausweiskontrollen in diesen Zeiträumen lägen nicht vor. Im Rahmen seiner Anhörung habe er für die genannten Zeiten lediglich pauschale Schutzbehauptungen vorgebracht und die ihm vorgehaltenen Sachverhalte insgesamt nicht erklären können. Die Detektei habe für die Observierung des ArbN insgesamt 21.608,90 EUR netto in Rechnung gestellt.

Am 20.12.22 wurde er zum Vorwurf des fortgesetzten Arbeitszeitbetrugs im Beisein von Arbeitgebervertretern und dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden angehört. Mit Schreiben vom 2.1.23 kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Er hält die Kündigung als außerordentliche Tatkündigung und hilfsweise als außerordentliche Verdachtskündigung wegen fortgesetzten Arbeitszeitbetrugs über insgesamt fast 26 Stunden durch den ArbN für gerechtfertigt. Angesichts des besonders flagranten Ausmaßes der Arbeitszeitverstöße sei die Kündigung das mildeste Mittel gewesen. Der ArbN habe keine Einsicht gezeigt. Er habe vielmehr versucht, seine schuldhaften Pflichtverletzungen mit zum Teil offenkundig falschen Behauptungen zu rechtfertigen. Sein fortgesetztes Fehlverhalten habe er zu keinem Zeitpunkt bedauert oder Reue gezeigt.

Nach einer Beweisaufnahme durch die Vernehmung mehrerer Zeugen wies das Arbeitsgericht Köln die Klage bis auf den Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses ab und gab der Widerklage statt. Der ArbN habe zumindest an vier Tagen erhebliche von ihm gemachte Pausen nicht erfasst. Die Observation durch die Detektei sei berechtigt gewesen, Beweisverwertungsverbote bestünden nicht und der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Zudem schulde er dem ArbG die Erstattung der Detektivkosten als Schadenersatz.

Der ArbN meint, es sei keine konkrete Arbeitszeit vereinbart. Daher könne es schon keinen Pflichtenverstoß geben. Auch die Überwachung durch die Detektive sei rechtswidrig gewesen. Ein Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten bestehe nicht, weil eine verschuldensunabhängige Haftung des ArbN gegenüber einem ArbG nicht existiere.

Entscheidungsgründe

Das LAG Köln (11.2.25, 7 Sa 635/23, Abruf-Nr. 247581) schloss sich den Ausführungen der vorherigen Instanz an und wies die Klage des ArbN ab.

Der vorsätzliche Verstoß eines ArbN gegen seine Pflicht, die abgeleistete, vom ArbG nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, sei an sich als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dies gelte für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare.

Dabei komme es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der ArbG müsse auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner ArbN vertrauen können. Übertrage er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den ArbN selbst und fülle ein ArbN die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so sei dies in aller Regel ein schwerer Vertrauensmissbrauch. Der ArbN verletze damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem ArbG (BAG 13.12.18, 2 AZR 370/18, Abruf-Nr. 207878).

Gemessen hieran sei ein wichtiger Grund für die Kündigung des ArbN gegeben. Er habe zumindest an vier Tagen erhebliche Pausenzeiten vorsätzlich nicht im Zeiterfassungssystem A dokumentiert. Dazu wäre er aufgrund der Betriebsvereinbarung und einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht jedoch verpflichtet gewesen. Konkrete Probleme bei der Zeiterfassung seien nicht ersichtlich und vom ArbN auch nicht konkret vorgetragen.

Das Arbeitsgericht sei ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass die Observation des ArbN durch die Detektei nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zulässig gewesen sei und kein Beweisverbot bestehe. Die Überwachung des ArbN durch Detektive, die beobachten, fotografieren und dokumentieren, sowie die Anbringung eines GPS-Senders an dem während der Schichtzeiten genutzten Dienstfahrzeug würden zwar einen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen. Dieser Eingriff sei aber von geringer Intensität. Er sei nur während seiner Schichtzeiten im öffentlichen Verkehrsraum über einen Zeitraum von wenigen Tagen erfolgt. Praktisch sei nur das dokumentiert worden, was jeder beliebige Passant ebenfalls hätte wahrnehmen können. Eine vom ArbN angeführte „Orwell‘sche Überwachung“ habe mitnichten vorgelegen. Eine Nichtberücksichtigung der hieraus erlangten Erkenntnisse wäre daher selbst bei der – hier nicht vorliegenden – Rechtswidrigkeit der Überwachung nicht zwingend geboten.

Der ArbG habe gegen den ArbN einen Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten in voller Höhe von 21.608,90 EUR netto aus § 280 Abs. 1, § 249 BGB. Der ArbG sei berechtigt gewesen, eine Detektei mit der Überwachung des ArbN zu beauftragen. Aufgrund der Aussagen der Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens habe und müsse der ArbG den Verdacht gehabt haben, dass der ArbN Arbeitszeitbetrug begehe, indem er während seiner Arbeitszeiten privaten Dingen wie Fotoshootings, Moscheebesuchen und Friseurbesuchen nachgegangen sei. Der ArbN sei einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt worden, die zur Wirksamkeit der fristlosen Kündigung geführt habe. Die Höhe der Detektivkosten und damit des Schadens seien vom ArbN nicht konkret bestritten worden. Dass der ArbG die Detektivkosten letztlich als Auslagenerstattung ihrer Rechtsanwälte getragen habe, sei vom Arbeitsgericht durch die Beweisaufnahme festgestellt worden.

Relevanz für die Praxis

Nach der BAG-Rechtsprechung hat der ArbN wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (§ 280 Abs. 1 BGB) dem ArbG die Detektivkosten zu ersetzen, wenn der ArbG aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des ArbN überträgt und der ArbN einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Insofern handelt es sich um keine Vorsorgekosten, die unabhängig von konkreten schadensstiftenden Ereignissen als ständige Betriebsausgabe vom ArbG zu tragen sind.

Nach § 249 BGB erstreckt sich die Schadenersatzpflicht auf alle Aufwendungen des Geschädigten, soweit diese nach den Umständen des Falls als notwendig anzusehen seien. Dazu gehört auch die Abwehr drohender Nachteile, wenn sich insofern konkrete Verdachtsmomente ergäben. § 254 BGB verlangt von einem Geschädigten allerdings die Rücksichtnahme auf das Interesse des Schädigers an der Geringhaltung des Schadens. Daraus folgt, dass der ArbG nur für die Maßnahmen Erstattungsansprüche hat, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender ArbG nach den Umständen des Einzelfalls zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich ansehen durfte (BAG 26.9.13, 8 AZR 1026/12, Abruf-Nr. 141175).

AUSGABE: AA 5/2025, S. 77 · ID: 50395496

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