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AbmahnungMeinungsäußerung versus Rücksichtnahmegebot

Abo-Inhalt06.03.20252 Min. Lesedauer

| Mit einem Aufruf, in dem der ArbG als mitbestimmungsfeindlich und antidemokratisch bezeichnet wird, verletzt ein ArbN seine Treue- und Loyalitätspflicht. |

Sachverhalt

Der ArbN ist Vorstandsmitglied der ver.di-Betriebsgruppe beim ArbG (Universität) und freigestelltes Personalratsmitglied. Der Vorstand der Betriebsgruppe veröffentlichte auf deren Internetpräsenz einen Aufruf zur Teilnahme an einem Aktionstag unter anderem gegen die AfD. Im Aufruf heißt es über den ArbG, er halte Tarifverträge nicht ein, gliedere Tätigkeiten unterer Lohngruppen mit einem hohen Anteil migrantischer Beschäftigter aus, bekämpfe Mitbestimmung und demokratische Prozesse. Gewerkschaftliche Organisierung sei ihm ein Dorn im Auge. Damit fördere er den Rechtsruck und den Aufstieg der AfD.

Der ArbN erhielt daraufhin eine Abmahnung. Der ArbG führte darin aus, in den zitierten Passagen liege eine ehrverletzende Kritik, die eine Verletzung der Treue- und Loyalitätspflicht im Arbeitsverhältnis darstelle.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Berlin (5.12.24, 58 Ca 4568/24, Abruf-Nr. 246781) wies die Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ab. Im Aufruf werde dem ArbG vorgeworfen, sich tarifwidrig, mitbestimmungsfeindlich und antidemokratisch zu verhalten und dadurch den Rechtsruck und den Aufstieg der AfD zu fördern. Es bestehe ein hinreichender Bezug des Aufrufs zum Arbeitsverhältnis der Parteien. Der ArbN habe seine Nebenpflicht zur Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis durch den Aufruf verletzt. Zwar sei wegen der enthaltenen wertenden Elemente von einer Meinungsäußerung auszugehen. Diese überschreite jedoch nach Anlass, Kontext und Zweck die Grenze auch polemischer oder überspitzter Kritik. Es handele sich vielmehr um eine vom Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht gedeckte Schmähkritik. Für die erhobenen Vorwürfe fehlten Anhaltspunkte in der Realität. So sei etwa die Fremdvergabe von Reinigungsarbeiten im Öffentlichen Dienst üblich.

Relevanz für die Praxis

Das Arbeitsgericht nahm weiter an, die Äußerungen seien auch nicht aufgrund der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit gerechtfertigt. Die Werbung zur Teilnahme an dem Aktionstag sei ebenso wenig Gegenstand des abgemahnten Verhaltens wie die Äußerungen in Bezug auf die Bundesregierung. Allein die Schmähkritik bezogen auf die Universität werde abgemahnt; sie sei auch vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG nicht erfasst.

Weiterführender Hinweis
  • Kann einem Lehrer wegen eines YouTube-Videos mit „IMPFUNG MACHT FREI“ gekündigt werden? LAG Berlin-Brandenburg in AA 23, 137

AUSGABE: AA 3/2025, S. 45 · ID: 50331194

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