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EntgeltabrechnungDie elektronische Entgeltabrechnung im cloudbasierten Online-Mitarbeiterpostfach

Abo-Inhalt26.02.20257 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

| Das BAG entschied ganz aktuell zur Zulässigkeit einer elektronischen Entgeltabrechnung in einem Online-Mitarbeiterportal und hat diese für zulässig erklärt. Welche Anforderungen müssen ArbG hierbei beachten? |

1. Hintergrund und Problemstellung

Die wesentlichen Bedingungen im Arbeitsverhältnis regeln ArbG und ArbN im Arbeitsvertrag, insbesondere welches Entgelt der Mitarbeiter vom ArbG für geleistete Arbeit erhält. Möglich sind auch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, die die arbeitsvertraglichen Entgeltregeln ergänzen.

a) Anforderungen der Entgeltbescheinigungsverordnung (EBV)

ArbG müssen Mitarbeitern nach § 108 Abs. 1 S. 1 GewO und nach der Entgeltbescheinigungsverordnung – EBV (vom 19.12.12, BGBl. I S. 2712, zuletzt geändert durch Verordnung v. 1.10.24, BGBl. 2024 I Nr. 297) in Textform (§ 126b BGB) eine genaue Aufstellung darüber geben, wie sich das Entgelt am Monatsende zusammensetzt (§ 2 EBV). Der ArbN hat einen Anspruch auf eine Entgeltabrechnung.

Praxistipp | Textform (§ 126b BGB) bedeutet, dass eine rein mündliche Bekanntgabe des monatlichen Entgelts nicht ausreicht; „schriftlich“ in Papierform ist aber auch nicht mehr notwendig, d. h. grundsätzlich genügt auch eine digitale Entgeltabrechnung. Weder § 108 GewO noch die EBV enthalten bislang eine Regelung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Entgeltabrechnung auch elektronisch, z. B. durch E-Mail oder auf einem entsprechenden Online-Portal, übermittelt werden kann.

Wichtig ist, dass der ArbG im Nachhinein, gerade bei digitalen Dokumenten, nichts mehr an der Abrechnung verändern kann – weder zu seinem Vorteil noch zu seinem Nachteil –, sobald die Abrechnung dem Mitarbeiter zugegangen ist (§ 130 BGB). Der Zweck dieser Regelung leuchtet ein: Mitarbeiter sollen im Einzelnen nachvollziehen können, wofür sie in welcher Höhe für welchen Zeitraum bezahlt werden, ferner soll mit dem Zugang der Abrechnung Klarheit für alle Beteiligten herrschen (BAG 16.12.15, 5 AZR 567/14, Abruf-Nr. 184254).

b) Abruf über ein cloudbasiertes Online-ArbN-Portal?

Wenn eine digitale Entgeltabrechnung der Textform (§ 126b BGB) genügen kann, ist fraglich, ob es auch möglich ist, ArbN die persönliche Abrechnung über ein cloudbasiertes Mitarbeiterportal zur Verfügung zu stellen. Die digitale Technik im Arbeitsleben erlaubt dies jedenfalls, da digitale HR-Tools von ArbG, in denen ArbN auch andere Dinge wie z. B. Urlaubsanträge oder Verwaltung ihrer Arbeitszeitkonten erledigen können, technisch auch eine cloudbasierte Bereitstellung von Gehaltsabrechnungen in Mitarbeiterportalen ermöglichen. Der ArbG könne solche Portale ohne Weiteres nutzen, um Anträge, wie eben z. B. Urlaubsanträge von ArbN, entgegenzunehmen. Umgekehrt ist aber die Frage, ob ArbG ihren ArbN auch rechtswirksam (Entgelt-)Abrechnungen oder Erklärungen über einen bloßen Abruf im Portal zugehen lassen können, ohne dass der ArbN ausdrücklich zustimmt.

Praxistipp | Ein Online-Portal ist ein digitales Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine in dem Portal befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist. Das Medium ist als dauerhafter Datenträger auch geeignet, die Erklärung unverändert wiederzugeben (BGH 29.4.10, I ZR 66/08).

2. Sachverhalt im Streitfall

Die Parteien streiten darüber, ob Entgeltabrechnungen nach § 108 GewO dadurch erteilt werden können, dass sie in ein neu eingeführtes digitales Mitarbeiterpostfach eingestellt werden, in dem sie zum Abruf bereitstehen und der ArbN seine Abrechnung digital „abholen“ muss.

Im Streitfall betrieb die ArbG einen Lebensmitteldiscount-Markt, in dem die ArbN als Verkäuferin beschäftigt ist. Im April 2021 schloss die ArbG mit dem Konzernbetriebsrat eine Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs (folgend: KBV). Diese regelte insbesondere, dass alle Personaldokumente zukünftig – nach einer neunmonatigen Übergangsfrist ausschließlich – durch einen externen Anbieter in einem neu geschaffenen digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt würden und dort durch die ArbN eingesehen werden könnten. Gemäß der KBV hat der ArbG es zu ermöglichen, das Postfach auch unabhängig von einem privaten Endgerät einzusehen und gegebenenfalls Unterlagen auszudrucken. Alle Personaldokumente müssen für mindestens zwölf Monate im Postfach abrufbar sein.

Nachdem die ArbN eine Entgeltabrechnung zuletzt für Februar 2022 in Papierform erhalten hatte, forderte sie die ArbG erfolglos auf, Abrechnungen künftig nicht ausschließlich über das digitale Mitarbeiterpostfach zur Verfügung zu stellen. Das lehnte die ArbG ab.

Mit der Klage verfolgte die ArbN dieses Begehren weiter. Sie verlangte die Erteilung monatlicher Entgeltabrechnungen für den Zeitraum März 2022 bis März 2023. Durch das Einstellen der Abrechnungen in das digitale Mitarbeiterpostfach seien diese nach ihrer Auffassung nicht wirksam erteilt. Für einen Zugang über das digitale Mitarbeiterpostfach habe sie ihre Zustimmung nicht erteilt. Die in der KBV getroffenen Regelungen könnten ihr fehlendes Einverständnis nicht ersetzen.

Die ArbG meinte demgegenüber, die Entgeltabrechnungen seien wirksam erteilt worden. Beim digitalen Mitarbeiterpostfach handele es sich um einen Cloud-Dienst, auf dem die Entgeltabrechnung gespeichert werde. Damit sei die entsprechende Datei wie eine E-Mail in dem Moment der Speicherung in der Cloud und der damit einhergehenden Zugriffsmöglichkeit der ArbN in deren Machtbereich gelangt und ihr folglich zugegangen. Maßgeblich sei nicht, ob die ArbN damit einverstanden sei, die Entgeltabrechnung über das digitale Mitarbeiterpostfach zur Kenntnis zu nehmen, sondern ob ihr dies zumutbar sei. Dies sei zweifelsfrei der Fall. Die ArbN habe selbst digital kommuniziert, als sie der Nutzung des Mitarbeiterpostfachs widersprochen habe. Die KBV sei auch eine wirksame Rechtsgrundlage für die Erteilung der Entgeltabrechnung ausschließlich über das Mitarbeiterpostfach.

3. Bisheriger Instanzenzug im Streitfall

Das Arbeitsgericht Braunschweig (26.7.23, 3 Ca 163/23) wies die Klage ab. Auf die Berufung der ArbN änderte das LAG Niedersachsen (16.1.24, 9 Sa 575/23) das Urteil des Arbeitsgerichts ab und gab der Klage vollumfänglich statt.

Das LAG Niedersachsen entschied im Einklang mit der Rechtsprechung des LAG Hamm (23.9.21, 2 Sa 179/21), dass eine Entgeltabrechnung gem. § 108 Abs. 1 S. 1 GewO zwar auch in Textform nach § 126b BGB erteilt werden könne. Der nach § 130 BGB maßgebliche Zugang unter Abwesenden liege aber nur vor, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelange, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann (BGH 6.10.22, VII ZR 895/21, Abruf-Nr. 232130). Nur wenn der ArbN der Form der „Zustellung“ der Entgeltabrechnung durch Bereitstellung in einem digitalen Mitarbeiter-Postfach ausdrücklich zugestimmt habe, könne der ArbG über solche Online-Portale die Entgeltabrechnung wirksam bekannt geben. Außerdem stellte das LAG Niedersachsen fest, dass eine Betriebsvereinbarung, die eine solche Zustellung der Abrechnung als rechtmäßig definiere, eine individuelle Zustimmung nicht ersetzen könne. Die Entgeltabrechnung unterliege nicht der Mitbestimmung.

Praxistipp | Der ArbG muss bei Einholung einer Zustimmung dafür Sorge tragen, dass die Zustimmung des ArbN zur Zustellung der Entgeltabrechnung in einem cloudbasierten Online-Postfach auch nachweisbar ist. Dafür sollte der ArbG die Zustimmungserklärung entsprechend dokumentieren.

4. Die Entscheidung des BAG

Mit ihrer Revision verfolgte die ArbG vor dem BAG die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung und war jetzt erfolgreich: Das BAG (28.1.25, 9 AZR 48/24, Abruf-Nr. 246121) hob das LAG-Urteil auf und verwies das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück. Dieses muss jetzt klären, ob im Streitfall die Einführung und der Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen, nachdem § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für Zeit, Ort und Auszahlung der Arbeitsentgelte vorsieht.

Nach der Entscheidung des BAG hat der ArbG dem ArbN gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 GewO in Verbindung mit § 2 EBV bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform (§ 126b BGB) zu erteilen. Diese Verpflichtung kann er aber grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt.

Der Anspruch eines ArbN auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. „Holschuld“. Diese kann der ArbG erfüllen, ohne für den Zugang der Abrechnung beim ArbN verantwortlich zu sein. Es genügt nach Ansicht des BAG, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei muss er den berechtigten Interessen der Beschäftigten Rechnung tragen, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen.

5. Fazit für die Praxis

Mit dem aktuellen Urteil widerspricht das BAG ausdrücklich den bislang zur elektronischen Übermittlung von Entgeltabrechnungen ergangenen Urteilen des LAG Hamm (23.9.21, 2 Sa 179/21, Abruf-Nr. 226192) und des LAG Niedersachsen (16.1.24, 9 Sa 575/23, Abruf-Nr. 240770).

Aus der bisherigen Rechtsprechung der LAG und dem jüngsten Urteil des BAG zur digitalen Entgeltabrechnung in cloudbasierten Online-Mitarbeiter-Postfächern kann das Fazit gezogen werden, dass das BAG sich klar für eine Erleichterung der Entgeltabrechnung in digitalen Zeiten ausgesprochen hat und gegen eine ArbG-Verpflichtung, weiter auf Papier abzurechnen. Das ist vernünftig und im Zeitalter von Homeoffice auch geboten; die Erteilung einer Entgeltabrechnung durch Einstellen eines elektronischen Dokuments in ein dem jeweiligen Mitarbeiter zugängliches Online-Portal muss bei ArbN möglich sein, die über einen Computerarbeitsplatz verfügen und über diesen auf das Portal zugreifen können. ArbG sollten also auf Basis des BAG-Urteils Folgendes beachten:

  • Die Entgeltabrechnung durch den ArbG an seine ArbN ist gesetzliche Pflicht (§ 108 Abs. 1 S. 1 GewO; § 2 EBV).
  • Für die Entgeltabrechnung ist die Textform (§ 126b BGB) vorgeschrieben, was eine digitale Abrechnung grundsätzlich möglich macht.
  • Die „Zustellung“ der Entgeltabrechnung in einem cloudbasierten Online-Mitarbeiterportal über einen passwortgeschützten, individuellen Zugang zum Portal ist auch möglich, wenn der konkrete Mitarbeiter dieser Form der Zustellung nicht zugestimmt hat. Erst recht bestehen keine Bedenken, wenn der ArbG die Entgeltabrechnung an den dienstlichen E-Mail-Account des ArbN übermittelt.
Weiterführende Hinweise
  • Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Papierform der Bewerbungsunterlagen, wenn digital reicht: BAG in AA 24, 81
  • Schriftformreduzierungen im Arbeitsrecht in AA 24, 107
  • Zugriffsmöglichkeit auf E-Mails der Kollegen: LAG Köln in AA 24, 111
  • Diese Maschine bediene ich nicht = beharrliche Arbeitsverweigerung kann zur Kündigung führen: LAG Düsseldorf in AA 24, 169

AUSGABE: AA 3/2025, S. 49 · ID: 50331412

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