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ArbeitszeugnisWeglassen der Abschlussformel wegen Änderungswunsch des ArbN

Abo-Inhalt01.01.202448 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Das Interesse des ArbN, ohne Angst vor einer Maßregelung des ArbG die ihm zustehenden Rechte in zulässiger Weise geltend zu machen, ist unter dem Gesichtspunkt des Maßregelungsverbots grundsätzlich hoch zu bewerten. Es überwiegt das Interesse des ArbG, den Zeugnisinhalt in Reaktion auf ein rechtmäßiges Verhalten des ArbN grundlos nachträglich zu ändern. Ein Festhalten an dem von ihm erstellten Zeugnis ist einem ArbG nur nicht zuzumuten, wenn sachliche Gründe vorliegen. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Abänderung eines Zeugnisses. Der ArbN war rund dreieinhalb Jahre beim ArbG beschäftigt. Mit seinem Ausscheiden hat er ein qualifiziertes Arbeitszeugnis erhalten, das eine Dankes- und Wunschformel enthielt. Auf den Wunsch des ArbN wurde das Arbeitszeugnis geändert. Es enthielt weiterhin die abschließende Dankes- und Wunschformel. Nachdem er weitere Änderungen verlangt hatte, wurde ihm ein Zeugnis erteilt, das keine Dankes- und Wunschformel mehr enthielt.

Der ArbN meint, der ArbG sei verpflichtet, ihm ein Arbeitszeugnis auszustellen, das die in den ersten beiden Zeugnisfassungen erteilte Dankes- und Wunschformel enthalte. Der ArbG habe sich diesbezüglich gebunden und verstoße gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot. Der ArbG ist der Ansicht, das Maßregelungsverbot binde den ArbG lediglich im laufenden Arbeitsverhältnis. Der ArbN habe keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis mit einer Dankes- und Wunschformel, weil darin lediglich subjektive Empfindungen zum Ausdruck kämen.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt (LAG Niedersachsen 12.7.22, 10 Sa 1217/21).

Entscheidungsgründe

Auch die dagegen gerichtete Revision des ArbG blieb erfolglos (BAG 6.6.23, 9 AZR 272/22, Abruf-Nr. 237357). Der ArbG sei gemäß § 612a BGB verpflichtet, dem ArbN das Arbeitszeugnis unter Einschluss der begehrten Schlusssätze zu erteilen. Mit seiner Weigerung, das Zeugnis mit einer sog. Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel zu versehen, verstoße er gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.

Zwar habe ein ArbN keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 109 Abs. 1 S. 3 GewO, der nur auf eine Beurteilung des ArbN hinsichtlich Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis abstelle. Vorliegend verstoße die Weigerung des ArbG jedoch gegen das Verbot der Maßregelung. Danach dürfe der ArbG einen ArbN bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübe. Das Maßregelungsverbot schütze die Willensfreiheit des ArbN. Dieser solle ohne Angst vor einer Maßregelung entscheiden dürfen, ob er die ihm zustehenden Rechte in Anspruch nehme. Das Interesse des ArbN, ohne Angst vor einer Maßregelung seitens des ArbG die ihm zustehenden Rechte geltend zu machen, sei unter dem Gesichtspunkt des Maßregelungsverbots grundsätzlich höher zu bewerten als das Interesse des ArbG, den von ihm zuvor selbst gestalteten Zeugnisinhalt in Reaktion auf ein rechtmäßiges Verhalten des ArbN grundlos nachträglich zu ändern. Ein Festhalten an dem Zeugnisinhalt sei einem ArbG nur dann nicht zuzumuten, wenn sachliche Gründe vorliegen, die ein Abweichen als angemessen erscheinen ließen. Der Anwendungsbereich des Maßregelungsverbots sei nicht auf das laufende Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern auch nach dessen Beendigung eröffnet. Auch nachvertragliches Verhalten sei vom Schutzbereich der Norm umfasst.

Das Verlangen des ArbN nach einer Zeugnisänderung sei eine rechtmäßige Ausübung seiner Rechte. Mit der Änderung der Schlussformel in dem dritten Arbeitszeugnis habe der ArbG dem ArbN einen Nachteil zugefügt, denn eine Dankes- und Wunschformel sei geeignet, die Bewerbungschancen zu erhöhen. Schließlich sei das Weglassen der Abschlussformel vorliegend kausal auf den wiederholten Änderungswunsch der ArbN zurückzuführen und als direkte Maßregelung zu sehen.

Relevanz für die Praxis

Der 9. Senat setzt seine Rechtsprechungslinie zum Zeugnisrecht fort. Nachdem zuletzt klargestellt wurde, dass kein Anspruch auf Dankes- und Wunschformel in einem Abschlusszeugnis besteht (BAG 25.1.22, 9 AZR 146/21, Abruf-Nr. 229365), wird dies nun im Zusammenhang mit dem Maßregelungsverbot betrachtet. Dieses gilt auch nachvertraglich. Es entspricht dem Normzweck des Maßregelungsverbots, dass der ArbN ohne die Sorge um Repressalien haben zu müssen, seine Rechte geltend machen kann. Der ArbN soll keine Nachteile befürchten müssen, wenn er die ihm zustehenden Rechte und Ansprüche benennt. Das gilt auch für den Anspruch auf ein Abschlusszeugnis und dessen Korrektur. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, der naturgemäß erst mit der Vertragsbeendigung entsteht. Als arbeitsrechtlicher Anspruch ist er indes genauso vom Maßregelungsverbot umfasst wie andere Ansprüche auch.

Hat der ArbG ein Zeugnis mit bestimmten Inhalten und Bewertungen abgegeben, darf er diese nicht mehr zum Nachteil des ArbN ändern, wenn dafür kein sachlicher Grund vorhanden ist. ArbG sollten daher bei der Ausfertigung eines Abschlusszeugnisses eher großzügig in der Handhabung sein. Eine Verschlechterung für den ArbN dürfte nur bei Auftreten neuer Erkenntnisse, also nur ausnahmsweise, in Betracht kommen.

Weiterführende Hinweise
  • Dank und Wünsche: Kein integraler Bestandteil, BAG in AA 22, 173
  • Sag zum Abschied leise Servus: Was gilt bei der Abschlussformel im Arbeitszeugnis? Rudolf in AA 21, 208
  • Wenn ArbN und ArbG sich um die Formulierung des Zeugnisses streiten: Eine Gegenüberstellung in AA 22, 114

AUSGABE: AA 1/2024, S. 5 · ID: 49835483

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