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ZRZahnmedizinReport

ZR-Fachgespräch„Die Milliampere-Zahl (mA) kann häufig reduziert werden!“

Abo-Inhalt30.09.20241896 Min. Lesedauer

| Die Methoden und Techniken zur Optimierung und Neuentwicklung zahnärztlicher Röntgenverfahren werden stetig weiterentwickelt. Sie stehen auch im Fokus der Arbeit von Prof. Dr. Ralf Schulze, Leiter der Abteilung Oral Diagnostic Sciences der Zahnmedizinischen Kliniken an der Universität Bern. Er ist als Koordinator und Autor u. a. mit den Leitlinien „Digitale Volumentomographie“ und „Dentale digitale Volumentomographie“ eng verbunden. Nichts liegt deshalb näher, als dass er im Fachgespräch mit Dr. Ulrike Oßwald-Dame über die aktuellen Entwicklungen der dentalen Radiologie spricht und u. a. erläutert, wie die Praxis die Strahlendosis noch deutlich reduzieren kann und trotzdem eine ausreichende diagnostische Bildqualität erreicht. Außerdem lesen Sie, ob Fruchtleder tatsächlich den Schattenfehler des palatoglossalen Raums reduzieren kann und warum 2D-Verfahren der Praxis weiterhin erhalten bleiben. |

Redaktion: Herr Prof. Schulze, das erste dentale MRT wurde jüngst vorgestellt (Anm. d. Red.: siehe „Kurz informiert“). Welche Vorteile bietet ein solches Gerät den niedergelassenen Kollegen und wie lange dauert es Ihrer Einschätzung nach noch, bis es in der dentalen klinischen Praxis eine Bedeutung hat?

Schulze: Laut Aussagen der Firmen sind die Geräte initial für Kliniken und große Zentren gedacht. Da ein MRT – anders als eine Röntgenbildgebung – Protonen visualisiert, ist das Anwendungsspektrum generell sehr breit. Alles, was mit Weichgewebe und (wasserhaltigen) Flüssigkeitsansammlungen zu tun hat, kann von einem MRT visualisiert werden. Dies ist beispielsweise bei entzündlichen Reaktionen der Fall, die im Röntgen ja nur indirekt (über den Abbau von Hartgewebe) visualisiert werden können. Im MRT sind damit entzündliche Veränderungen direkt visualisierbar und können sogar noch sehr gut von anderen Veränderungen differenziert werden. Wie lange es dauern wird, bis in der zahnärztlichen Praxis das MRT eine wesentliche Rolle spielt, hängt maßgeblich von der Verbreitung der dentalen MRT-Geräte und deren zukünftiger Verfügbarkeit ab.

Redaktion: Die American Dental Association hat im Herbst 2023 veröffentlicht, dass Bleischürze und Schilddrüsenmanschette keinen zusätzlichen Nutzen bieten und von ihrer Anwendung abgeraten, da der Kragen der Schürze die Aufnahme behindern kann, sodass eine zweite Aufnahme erforderlich ist und sich die Strahlenbelastung verdoppelt (Anm. d. Red.: siehe „Kurz informiert“). Was empfehlen Sie Ihren niedergelassenen Kollegen in diesem Kontext zu tun? Immerhin liefern die Abschirmungen Zahnarztpatienten ein Gefühl der Sicherheit.

Schulze: Das Wichtigste beim Strahlenschutz ist immer die Rechtfertigung der Aufnahme, d. h. eine korrekte und auf den Benefit des Patienten gerichtete Indikationsstellung. Das ist ja auch gesetzlich so vorgeschrieben. Unnötige Röntgenaufnahmen werden in der Medizin und auch Zahnmedizin in großen Mengen angefertigt, hier wäre wirklich bei korrekter Indikationsstellung eine erhebliche Dosisreduktion möglich. Tatsächlich ist die Wirkung von Patienten-Schutzmitteln hinsichtlich des Strahlenschutzes unvergleichbar geringer im Verhältnis zur Indikationsstellung und anschließender Optimierung gemäß dem ALARA-Prinzip.

Allerdings bin ich auch nicht der Meinung, dass alle Patientenschutzmittel jetzt einfach so weggelassen werden sollten. Z. B. ist der Thyroidea-Schutz bei Zahnaufnahmen und auch Fernröntgenaufnahmen durchaus sinnvoll (siehe hierzu auch das aktuelle Europäische Konsensuspapier [1]).

Redaktion: Stichwort Dosisreduzierung: Ultra-Low-Dose und Low-Dose-Protokolle reduzieren die Strahlendosis deutlich. Ist es aber tatsächlich so, dass mit diesen Protokollen eine hinreichende Bildqualität für die Routinepraxis bestehen bleibt? Und was sollte die Praxis in Bezug auf eine adäquate Bildqualität insgesamt beachten?

Schulze: Es gibt einige Studien [2,3], die die Möglichkeiten einer deutlichen Dosisreduktion bei gleichzeitig ausreichender diagnostischer Bildqualität aufzeigen. Dies bezieht sich wieder auf den Grundsatz der Optimierung, also der Erzeugung der Röntgenaufnahme mit der Bildqualität, die für die Beantwortung der Fragestellung ausreichend ist. Hier ist, wie oben gesagt, das Einsparpotenzial gerade hinsichtlich der DVT groß. Allerdings benötigt man hierfür auch das entsprechende Know-how und damit die adäquate Ausbildung, da die Einstellungen an der Röntgenröhre (kV, mA, Voxelgröße etc.) nicht für jede Fragestellung gleich sind und damit eben auf den entsprechenden Fall hin optimiert sein sollen.

Grundsätzlich kann man aber sagen, dass Kinder z. B. in der Regel eine deutlich niedrigere Kilovoltzahl als Erwachsene benötigen, und dass man die Milliampere-Zahl (mA) für sehr viele Fragestellungen im Vergleich zu den Herstellereinstellung deutlich reduzieren kann. Gleichzeitig sollte die Ausbildung der Zahnärztinnen und Zahnärzte für die Geräte gerade hinsichtlich der Optimierung sowohl im Studium selbst als auch in den postgradualen Kursen verbessert werden.

Redaktion: Eine Studie im Journal of Medical Radiation Sciences (s. dazu auch den Beitrag auf Seite 19) berichtet, dass die Anwendung von Fruchtleder den Schattenfehler des palatoglossalen Raums bei der Panoramaaufnahme reduziert. Würden Sie das auch empfehlen bzw. wie vermeidet die Praxis Schattenfehler und Artefakte effizient?

Schulze: Den Artikel kenne ich zwar nicht, allerdings erfüllt das Fruchtleder hier ja lediglich den Zweck, den Luftraum zwischen hartem Gaumen und Zunge möglichst vollständig aufzufüllen. Damit wäre dann die im Vergleich zu den umgebenden recht stark absorbierenden Geweben störende Luftabbildung (kaum Röntgenabsorption) eliminiert oder zumindest deutlich verringert. Das sollte also durchaus funktionieren, allerdings auch mit anderen Materialien (z. B. mit Wasser im Mund oder mit anderen absorbierenden Nahrungsmitteln etc.).

Redaktion: Das Spektrum an dentalen Röntgensystemen und Röntgenlösungen ist groß und während es für Implantologie und KFO schon 3D ist, ist für den Großteil aller Indikationen das 2D-Röntgenverfahren immer noch das klassische Verfahren, oder nicht?

Schulze: Ich gehe nicht konform mit der Aussage, dass für die KFO 3D-Röntgen das Mittel der Wahl ist. Hier werden in aller Regel noch 2D-Analysen basierend auf Fernröntgen-Seitenaufnahmen und der Panoramaschichtaufnahme durchgeführt. Und gerade in der jungen Patientengruppe der Kieferorthopädie steht der Strahlenschutz im Fokus, was bei den für eine KFO-Planung notwendigen großvolumigen DVT-Aufnahmen in diesem Anwendungsbereich eine große Schwierigkeit darstellt.

Für die Implantologie ist eine 3D-Visualisierung implizit sinnvoll, weil die Implantate ja in eine (möglichst vorhandene) dreidimensionale Knochenanatomie möglichst ohne größere augmentative Maßnahmen eingebracht werden sollen. Zudem handelt es sich bei Implantatpatienten in der Regel um eine eher ältere und damit nicht mehr so dosissensitive Patientengruppe.

Auch für viele andere zahnärztliche Indikationen eignen sich DVT-Aufnahmen gut, wie dies auch in der aktualisierten AWMF-Leitlinie aufgeführt ist [4]. Allerdings haben die klassischen 2D-Verfahren (intraorale Tubus-, Panoramaschicht- und Fernröntgenaufnahmen) weiterhin ihren breiten Anwendungsbereich in unserem Fachgebiet. Ich glaube auch nicht, dass diese in absehbarer Zeit durch die DVT abgelöst werden, da sie weiterhin spezielle Vorteile haben und die DVT nicht für jede Anwendung das richtige Bildgebungsverfahren darstellt. Dies gilt auch ganz unabhängig von den Dosisimplikationen.

Beispielsweise haben 2D-Verfahren, hier insbesondere die dentalen Tubusaufnahmen, eine weit höhere Ortsauflösung als eine DVT-Aufnahme, sie zeigen damit viel mehr Details, was für einige klinische Anwendungen (z. B. in der Endodontie) sehr wichtig ist. Zudem macht es beispielsweise wenig Sinn, ein (großvolumiges) DVT zu exponieren, nur um daraus dann lediglich eine Panoramarekonstruktion oder gar eine errechnete Fernröntgen-Projektion zu generieren. Hierbei muss jedoch auch betont werden, dass aus juristischen Gründen vom Anwender ohnehin immer der gesamte akquirierte Datensatz angesehen und befundet werden muss.

Quellen
  • [1] Hilse P et al. European Consensus on patient contact Sieling. Infights Imaging. 2021 Deck 23;12(1):194. doi.org/10.1186/s13244-021-01085-4.
  • [2] Oenning AC, Pauwels R, Stratus A, de Faria Vasconcelos K, Tischens E, de Grauwe A; Dimitra Research group; Jacobs R, Salmon B. Publisher Korrektion: Halve the dose While maintaining image quality in Paediatric Cone Beam CT. Sci Rep. 2020 Feb 7;10(1):2474. doi.org/10.1038/s41598-020-59352-1.
  • [3] Alasani Y, MacDonald DS, Giannakis G, Ford NL. Optimization of cone beam computed tomography image quality in implant dentistry. Clin Exp Dent Res. 2018 Nov 12;4(6):268–278. doi.org/10.1002/cre2.141.
  • [4] S2k-Leitlinie Dentale digitale Volumentomographie. AWMF-Registernummer: 083-005. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF). Dezember 2022. register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-005.

AUSGABE: ZR 10/2024, S. 5 · ID: 50143940

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