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CME-Beitrag Implantologie mit automatischer Zahnwurzel-Rekonstruktion?
| Die digitale Volumentomografie (DVT) stellt Zahnwurzeln und Knochen dreidimensional dar. Eine wichtige Grundlage beispielsweise für die Planung vor Implantation. Ein Forscherteam aus Freiburg hat nun untersucht, ob mittels statistischer Formmodellierung (SSM) eine automatisierte Vorhersage von Zahnwurzelachsen möglich ist und ob diese Vorhersage für eine Implantatplanung genutzt werden könnte [1,2]. |
Grundlagen und Methodik
Zu Beginn überprüften die Forschenden in einer Machbarkeitsstudie das Verfahren retrospektiv an 71 Patientendaten, die sowohl ein DVT als auch ein entsprechendes Gipsmodell des Ober- und Unterkiefers umfassten [1].
Merke | Die statistische Formmodellierung (SSM = Statistical Shape Model) nutzt eine große Anzahl individueller Formen einer Struktur, um Durchschnittsformen und Variationsspielräume zu erstellen. Diese Modelle dienen als Vorwissen für einen Algorithmus, der fehlende oder beschädigte Strukturen plausibel rekonstruiert [2]. |
Anwendung von SSM zur Zahnachsenrekonstruktion
In der Machbarkeitsstudie untersuchten die Freiburger Forscher, ob die Zahnwurzelanatomie fehlender Zähne mittels SSM vorhergesagt werden kann. Hierzu wurden die Kronen- und Wurzelmorphologien der Zähne durch anatomische Orientierungspunkte im SSM kodiert. Das SSM ermöglichte die Schätzung fehlender Orientierungspunkte und somit die Vorhersage der Zahnwurzelachsen. Die Forschenden analysierten dann beispielhaft einen klinischen Fall (Lücke von 12 bis 11), um das Potenzial der Methode zu testen. Die mittels SSM rekonstruierten Zahnachsen wurden mit den tatsächlichen Achsen vorhandener Zähne und der geplanten Implantationsachse verglichen. Die durchschnittliche Abweichung der Schätzungen der Wurzelachse betrug weniger als 8 Grad und 1,4 mm Translationsabweichung.
Abweichungen zwischen präoperativer Planung und rekonstruierten Zahnachsen
In einer weiteren Studie analysierte dieselbe Arbeitsgruppe um Leonard S. Brandenburg die Abweichung zwischen den vom Chirurgen während der präoperativen Planung festgelegten klinischen Implantatachsen und den mittels anatomischer SSM berechneten rekonstruierten Zahnachsen fehlender Zähne [3]. Dazu wurden Planungsdatensätze von 35 Einzelimplantat-Fällen analysiert.
Der mittlere Abstand zwischen dem okklusalen Eintrittspunkt der Front- und Seitenzahnimplantate und den rekonstruierten Zahnachsen betrug 0,99 mm ± 0,78 mm bzw. 1,19 mm ± 0,55 mm. Die mittlere Winkelabweichung zwischen den präoperativ vom Chirurgen festgelegten klinischen Implantatachsen der Front- und Seitenzahnimplantate und der rekonstruierten Zahnachse betrug 12,4 Grad ± 3,85 bzw. 5,27 Grad ± 2,97. Die Abweichungen bei FZ-Implantaten waren systematisch (Gaumenneigung) und konnten durch Berechnung einer modifizierten rekonstruierten Achse mit verringerten Abweichungen korrigiert werden. Die Winkelabweichung bei den Seitenzahn-Implantaten folgte einem zufälligen Muster.
Herausforderungen und Ausblick
Ein wesentlicher Nachteil der Methode ist, dass sie nicht die individuellen anatomischen Veränderungen berücksichtigt, die nach Zahnverlust auftreten können, wie Zahnwanderungen und Knochenverlust. Dies kann insbesondere im ästhetisch anspruchsvollen vorderen Kieferbereich zu Abweichungen zwischen der anatomischen Wurzelachse und einer optimalen Implantatachse führen.
Trotz vielversprechender Ergebnisse bei einer automatisierten Schätzung von Zahnachsen in hinteren Kieferbereichen, merkten die Studienautoren an, dass die automatisch generierten Implantatachsen nur als erster Vorschlag hätten verwendet werden können, mit der Notwendigkeit einer manuellen Optimierung. Auch wenn dies zu einer Beschleunigung des Planungsprozesses führen könnte, muss die Zuverlässigkeit der vorgeschlagenen Methode vor ihrer klinischen Anwendung noch weiter validiert werden.
- [1] Brandenburg LS et al. Reconstruction of dental roots for implant planning purposes: a feasibility study. Int J Comput Assist Radiol Surg. 2022 Oct;17(10):1957–1968. doi.org/10.1007/s11548-022-02716-x.
- [2] Cootes, T. F. and C. J. Taylor. Statistical Models of Appearance for Computer Vision (Imaging Science and Biomedical Engineering, University of Manchester, Manchester, UK, 2004). Tech Report. iww.de/s11578.
- [3] Brandenburg et al. Reconstruction of dental roots for implant planning purposes: a retrospective computational and radiographic assessment of single-implant cases. Int J Comput Assist Radiol Surg. 2024 Mar;19(3):591–599. doi.org/10.1007/s11548-023-02996-x.
AUSGABE: ZR 10/2024, S. 11 · ID: 50143939