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FallbeispielDen richtigen finanziellen Hebel finden, wenn das Geld knapp wird
| Dr. Dent übernahm seine Praxis im Jahr 2017 von einem Kollegen. Die letzten drei Jahre waren gekennzeichnet von stabilen Gewinnen von etwas über 180 TEuro pro Jahr, Tendenz steigend. Im Schnitt benötigt Dr. Dent für private Ausgaben, wie z. B. für seine allgemeine Lebenshaltung, Urlaub, Krankenversicherung und Versorgungswerk, 10 TEuro im Monat, also jährlich etwas mehr als 120 TEuro. An Einkommensteuer hatte er im letzten Jahr insgesamt 40 TEuro zu zahlen. Trotzdem rutscht seit einiger Zeit der Kontostand immer weiter ins Minus. Wo sind die Ursachen für dieses Phänomen zu finden und vor allem, wie lässt sich das Problem lösen? Der nachfolgende Beispielfall gibt Antworten. |
Warum reicht der Gewinn nicht?
Dr. Dent hat seiner Ansicht nach richtig gerechnet. Er versteht aber nicht, warum dann der Stand seines Bankkontos kontinuierlich sinkt. Er fragt sich, wie es überhaupt sein kann, dass trotz überdurchschnittlicher Gewinne und wesentlich darunter liegender Entnahmen für den Privatbereich sein Konto so ins Minus geraten kann. Auch seine Hausbank hat ihn schon auf die besorgniserregende Entwicklung aufmerksam gemacht und Fragen gestellt.
Praxisgewinn ist nur eine steuerliche Größe
Zunächst zur Klarstellung: Bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) werden die zugeflossenen Praxiseinnahmen und die abgeflossenen Praxisausgaben gegenübergestellt. Der in der Betriebswirtschaftlichen Standardauswertung (BWA) ausgewiesene Praxisgewinn ist eine Bemessungsgröße für die zu zahlende Einkommensteuer. Was Dr. Dent im Beispiel von seinen 182 TEuro Jahresgewinn tatsächlich privat verwenden kann, erfordert eine weiterführende Berechnung.
Dr. Dent rechnet mit seinen Zahlen. Dem Gewinn lt. Buchhaltung von 182 Euro sind zunächst einmal Abschreibungen von 8 TEuro hinzuzurechnen. Das kann er nachvollziehen. Er hat z. B. letztes Jahr u. a. eine neue Behandlungseinheit für 40 TEuro erworben. Der Kauf dieser Einheit hat zunächst seinen Gewinn nicht beeinflusst. Statt 40 TEuro auf dem Konto hatte er eine neue Einheit im Wert von 40 TEuro.
Eine Behandlungseinheit hat eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 10 Jahren, d. h., in jedem Jahr verringert sich ihr steuerlicher Wert um 4 TEuro. Diese Wertminderung der Behandlungseinheit ist in seinen Abschreibungen (hier insgesamt 8 TEuro) enthalten. Sie mindert seinen Gewinn, aber nicht mehr seinen Kontostand. Denn die Einheit wurde im Vorjahr bezahlt. So ist es auch mit der Abschreibung anderer Einrichtungsgegenstände. Aus diesem Grund sind Abschreibungen dem Praxisgewinn lt. BWA hinzuzurechnen.
Andererseits senken Darlehenstilgungen für Kredite, die er zur Finanzierung der Praxis aufgenommen hat, seinen Kontostand. Die Praxis hat er 2017 für 500 TEuro von seinem Vorgänger übernommen und den Kaufpreis voll finanziert. Diesen Praxiskredit tilgt er jedes Jahr mit 50 TEuro. Dazu kommt noch die Tilgung des Kredits für die Behandlungseinheit.
Zusätzlich hat er im Jahr 2020 eine Eigentumswohnung erworben und den Kaufpreis voll finanziert. Die Mieteinnahmen decken allerdings nicht die Kosten und die Tilgung des für die Finanzierung aufgenommenen Kredits. Es ergibt sich eine jährliche Unterdeckung von 12 TEuro. Alles in allem bleiben ihm für die private Verwendung 150 TEuro. Jetzt wird ihm klar, dass er in seiner Eingangsrechnung den falschen Wert angesetzt hat, nämlich die noch nicht bereinigten 182 TEuro lt. BWA, die real nur 150 TEuro sind. Zieht er hiervon seine jährlichen Ausgaben ab, tut sich eine Lücke von 16 TEuro auf.
Was bleibt vom Gewinn für die private Verwendung? (in TEuro) | ||
2022 | ||
Gewinn lt. BWA | 182 | |
+ | Abschreibung | 8 |
= | Geldzufluss vor Tilgung („Cashflow“) | 190 |
./. | Kaufpreis Behandlungseinheit | -40 |
+ | Kredit für Behandlungseinheit | 40 |
./. | Tilgung Kredit für neue Behandlungseinheit | -4 |
./. | Tilgung des Gründungskredits | -50 |
= | Entnahmefähige Liquidität aus der Praxis | 136 |
+ | Andere Einnahmenquellen | |
| -12 | |
| 1 | |
| 25 | |
= | Liquidität vor privater Verwendung | 150 |
Private Ausgaben im Jahr (in TEuro) | |
2022 | |
Miete Wohnung | 24 |
Krankenversicherung, Versorgungswerk | 26 |
Sonstige private Versicherungen | 7 |
Steuern (Vorauszahlungen, Nachzahlungen) | 40 |
Lebensunterhalt, Urlaub etc. | 69 |
Summe | 166 |
Wie lässt sich die finanzielle Situation optimieren?
Die naheliegendste Lösung zum Füllen der Lücke von 16 TEuro sieht Dr. Dent in der Erhöhung seiner Praxiseinnahmen bei gleichzeitig stabilen – oder noch besser sinkenden – Praxisausgaben. Das würde Mehrarbeit bedeuten und gleichzeitig Honorarerhöhungen sowie weitere Maßnahmen der Kostensenkung erfordern. Da er in der Vergangenheit bereits sehr intensiv an der Optimierung gearbeitet hat und hier keinen echten Spielraum mehr sieht, verwirft er diese Idee schnell wieder.
Er könnte auch seine privaten Ausgaben reduzieren und damit seinen Lebensstandard senken. Um hier ein finanzielles Gleichgewicht zu erreichen, müsste er seine jährlichen Ausgaben im Privatbereich um 16 TEuro reduzieren. Dies ist allerdings bei der Miete, der Krankenversicherung und bei den Zahlungen an das Versorgungswerk nicht möglich. Unklug wäre auch die Kündigung privater Versicherungen.
Seine Steuerlast könnte er beispielsweise durch einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) absenken. Da aber keine Investitionen anstehen, scheidet auch diese Möglichkeit aus. Bei der Inanspruchnahme eines IAB müsste er deutlich mehr an zusätzlichen Steuern für das Jahr 2024 oder 2025 bezahlen als er jetzt an Steuern einsparen könnte. Auch keine gute Idee (Details zum Investitionsabzugsbetrag lesen Sie in ZP 03/2023, Seite 6).
Den Lebensunterhalt von 69 TEuro auf 53 TEuro zu reduzieren, wäre möglich, würde aber familiär zu starken Belastungen führen. Und: Der Kontostand bliebe weiterhin in der Überziehung.
Die wirkliche Ursache zeigt gleichzeitig die Lösung
Weil Dr. Dent so nicht weiterkommt, denkt er mit Blick auf die Zahlen noch einmal etwas gründlicher nach. Seine Gründungsfinanzierung belastet ihn zurzeit mit 50 TEuro pro Jahr. Anfangs fiel ihm das leichter, weil den Tilgungen hohe Abschreibungen des Praxiskaufpreises gegenüberstanden. Jetzt aber muss er die Tilgungen weitgehend aus versteuerten Gewinnen erwirtschaften. Daher bleibt eben für die private Verwendung nicht mehr das, was benötigt wird.
Er muss folglich seine Finanzierung den Gegebenheiten anpassen, um das Problem zu lösen. Er wird versuchen, seinen Restkredit aus der Praxisgründung umzufinanzieren und bei dieser Gelegenheit gleich seinen Kontokorrent mit in die Umfinanzierung einbauen. Die Laufzeit kann er mit seiner Bank sicher so abstimmen, dass er den Kapitaldienst bei der heutigen Gewinnsituation gut tragen kann. Durch diese Umfinanzierung spart Dr. Dent auch die hohen Kontokorrent- und Überziehungszinsen. Vor allem aber kann seine Familie so weiterleben wie bisher.
- Liquiditätsengpässe rechtzeitig erkennen, beziffern und gegensteuern (ZP 10/2020, Seite 7)
- Die Praxiswirtschaftlichkeit auf dem Prüfstand – das richtige Werkzeug! (ZP 05/2021, Seite 21)
- In Krisenzeiten Finanzen ordnen und Liquidität erhöhen (ZP 07/2021, Seite 19)
- Steuererklärung fast fertig, aber Gewinn zu hoch? (ZP 03/2023, Seite 6)
- Angespannte Liquiditätssituation trotz hoher Umsätze – was tun? (ZP 10/2015, Seite 10)
AUSGABE: ZP 8/2023, S. 12 · ID: 49582193