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EinkommensteuerGestaltungsmodell für Mitarbeiter 60 plus: weiterarbeiten und (Früh-)Rente beziehen
| Im Gegensatz zu Ihnen sind die Mitarbeiter Ihrer Praxis i. d. R. in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Wenn der mögliche Renteneintritt näher rückt, stecken diese oft in einer Zwickmühle. Viele würden gerne in den (vorzeitigen) Ruhestand gehen und erfüllen häufig aufgrund ihrer Zahl an Berufsjahren die Voraussetzungen für eine abschlagsfreie Frührente. Andererseits befürchten sie, dass die Rente zu niedrig ausfällt. Dabei gibt es eine attraktive Möglichkeit: weiterarbeiten und gleichzeitig Rente beziehen. Wer als Praxisinhaber seinen Beschäftigten diesen Weg aufzeigt, kann gute Fachkräfte länger halten, und für die Beschäftigten kann diese Lösung zu einer erheblichen Einkommenssteigerung führen. |
Wegfall der Zuverdienstgrenzen eröffnet neue Möglichkeiten
2023 wurden die Zuverdienstgrenzen bei Rentenbezug vollständig aufgehoben. Damit eröffnen sich für langjährig Rentenversicherte interessante Möglichkeiten. Ist der Bezug einer abschlagsfreien Frührente möglich, sollten Beschäftigte diese beziehen, unabhängig davon, ob sie weiter berufstätig sind oder nicht. Als Inhaber einer Zahnarztpraxis mit angestellten Fachkräften sollten Sie Ihren Beschäftigten die bestehenden Möglichkeiten aufzeigen. So können erfahrene Mitarbeiter ihr Einkommen für den Zeitraum zwischen Frührente und endgültiger Berufsaufgabe steigern und länger an die Praxis gebunden werden.
Merke | Dieser Beitrag behandelt einen „Durchschnittsrentner“. Zur Ermittlung individueller Daten nutzen Sie das Informations- und Beratungsangebot der Deutschen Rentenversicherung (DRV) unter deutsche-rentenversicherung.de. |
Abschlagsfreie Frührente: attraktiv für „Babyboomer“
Viele Mitarbeiter erreichen die erforderlichen 45 Versicherungsjahre. Nicht wenige haben mit 16 Jahren die Berufstätigkeit aufgenommen und waren seitdem ununterbrochen beschäftigt. Manche hatten gewisse Ausfallzeiten, insbesondere für Kindererziehung oder Wehrdienst, die jedoch angerechnet werden.
Attraktiv ist der Bezug abschlagsfreier Frührente vor allem für „Babyboomer“: Der Jahrgang 1957 kann mit 65 Jahren und 11 Monaten grundsätzlich in Rente gehen, wobei die Altersgrenze bis zum Jahrgang 1964 stufenweise auf 67 Jahre hochgesetzt wird. Die abschlagsfreie Frührente beginnt jeweils zwei Jahre vor der Regelaltersrente. Damit ist die hier vorgestellte Möglichkeit 2023 für Menschen interessant, die 1960 oder eher geboren wurden und 45 Versicherungsjahre aufweisen. Wurde die Anzahl der Versicherungsjahre nur knapp unterschritten, ist ein späterer Bezug der abschlagsfreien Frührente möglich.
Welche Zeiten fließen in die Zählung der Versicherungsjahre ein? | |
Diese Zeiten zählen zu den Versicherungsjahren ... | ... diese nicht! |
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Wichtig | Entscheidend sind stets die Zeiten, die von der DRV angerechnet werden. Unabhängig vom Bezug einer Frührente sollte mit nahendem Ruhestand eine Prüfung und ggf. Klärung der Angaben erfolgen.
Dass es sich in jedem Fall lohnt, die Frührente zu beziehen, zeigt ein Blick auf die sog. Eckrente, welche Rentenversicherte durchschnittlich beziehen. Diese betrug 2022 in Westdeutschland monatlich 1.538,55 Euro und in Ostdeutschland 1.506,15 Euro. Wenngleich bei zwei zusätzlichen Jahren Bezug auch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge noch abzuziehen sind, lässt sich leicht ermessen, was finanziell möglich ist.
Beispielhafte Berechnung
Für jeden potenziellen Bezieher ist die abschlagsfreie Frührente empfehlenswert. Damit muss nicht der Austritt aus der Berufstätigkeit verbunden sein, als vielmehr der Bezug der Frührente bei gleichzeitig weiterer Berufstätigkeit. Da bei weiterer Beschäftigung nach Beginn der Frührente in die Rentenversicherung unverändert eingezahlt wird, verändert sich die spätere Rentenhöhe mit Eintritt des gesetzlichen Ruhestands und der Beendigung der Berufstätigkeit praktisch nicht, da die beiden gegenläufigen Effekte sich ausgleichen: Die fehlenden Renteneinzahlungen zum Zeitpunkt des Eintritts in die Frührente werden durch die weitere Beschäftigung und die damit verbundene Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ausgeglichen.
Bis Juni 2023 sind die Rentenpunkte in Ost- und Westdeutschland noch unterschiedlich hoch ausgefallen. Seit Juli 2023 beträgt der aktuelle Rentenwert in Ost- und Westdeutschland einheitlich 37,60 Euro. Wer in Deutschland das Durchschnittseinkommen von 43.142 Euro jährlich (Stand: Juli 2023) bzw. 3.595 Euro monatlich bezieht (z. B. erfahrene Praxismanagerin/Erstkraft) und darauf Rentenbeiträge abführt, erwirbt einen Rentenpunkt im Wert von 37,60 Euro. Die spätere Rente erhöht sich um diesen Betrag monatlich.
Ein kleiner, zusätzlicher Vorteil des früheren Rentenbezugs liegt darin, dass der einmal festgelegte Steuersatz über die gesamte Bezugsdauer unverändert bleibt, der Anteil der zu versteuernden Rente über die nächsten Jahre aber kontinuierlich steigt. Je früher demnach der Rentenbezug beginnt, desto geringer ist der Anteil der zu versteuernden Rente: Im Jahr 2023 werden 83 Prozent besteuert, 2024 sind es bereits 84 Prozent.
Auf Grundlage einer überschlägigen Berechnung können Arbeitsverhältnisse angepasst und häufig reduziert werden. Mittels einer Änderungskündigung können bspw. Arbeitszeit und -lohn verändert werden. So kann bspw. ein Betroffener Frührente beziehen und gleichzeitig seine Arbeitszeit reduzieren, ohne dass es zu Einkommenseinbußen kommt.
Alternative: Frührente mit 35 Versicherungsjahren
Bei der Frührente nach 35 Versicherungsjahren besteht die Alternative ebenfalls darin, unverändert weiterzuarbeiten und gleichzeitig die Rente zu beziehen. Auch hier ist der Bezug der Frührente erst zwei Jahre vor dem regulären Renteneintrittsalter möglich. Die Zeiten werden etwas anders berechnet als bei der abschlagsfreien Frührente. Hinzu kommen zusätzliche Zeiten zum Ansatz (bspw. für die Ausbildung), was vor allem bei einem absolvierten Studium relevant würde. Der Abschlag auf die Rente beträgt 0,3 Prozent je Monat eines früheren Bezuges, entsprechend 3,6 Prozent pro Jahr.
Wer nach exakt 35 Jahren Beitragszahlung und einem Durchschnittseinkommen die Frührente beantragt, hätte 35 Versicherungspunkte erworben. Wer trotz Rentenbezug weiterarbeitet, zahlt unverändert Beiträge zur Rentenversicherung, welche ab dem regulären Eintrittsalter die Rente steigern. Würde exakt nach 35 Beitragsjahren Frührente bezogen, würde die Rente um 3,6 Prozent gekürzt und es würden 1,26 Beitragspunkte verloren gehen. Wer gleichzeitig weiterarbeitet und damit in die Rentenversicherung einzahlt, würde bei einem Durchschnittseinkommen wiederum einen Rentenpunkt erwerben, womit der Rentenabschlag weitgehend ausgeglichen wird. Zur vollständigen Schließung einer möglichen Lücke können die Rentenbezüge, die während der weiteren Berufstätigkeit bezogen werden, angelegt werden.
Praxistipp | Im Regelfall ist für Mitarbeiter der Bezug einer Teilrente sinnvoll, die bis zu 99 Prozent betragen kann. Damit bleibt der Anspruch auf Kranken- und Kurzarbeitergeld bestehen, bei 100%igem Rentenbezug würde dieser entfallen. |
Steuerliche Betrachtung
Ein höheres Einkommen führt zu höherer Einkommensteuer. Damit lässt sich eine Zunahme der Belastung bei gleichzeitigem Bezug von Rente und Einkommen nicht vermeiden. Da der Arbeitgeber nur die Steuern auf das Einkommen unterjährig an das Finanzamt abführt, führt dies zu absehbaren Nachzahlungen mit der endgültigen Festlegung der Steuerlast durch das Finanzamt, die den Betroffenen negativ überraschen können. Deshalb sollte entweder die absehbare Summe zurückgelegt oder freiwillige unterjährige Abschläge an das Finanzamt entrichtet werden.
AUSGABE: ZP 8/2023, S. 6 · ID: 49506636