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Lohnsteuer und SozialversicherungHäufige Fehler bei der Anstellung geringfügig Beschäftigter – Teil 1
| Die Anstellung geringfügig Beschäftigter, auch als Minijobber bezeichnet, gehört in vielen Freiberuflerpraxen zum Alltag. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass es im Zuge von Lohnsteueraußen- und Sozialversicherungsprüfungen immer wieder zu Streitigkeiten kommt. Mitunter drohen hohe Nachforderungen von Lohnsteuern und Sozialabgaben, wenn aus dem geringfügigen ein reguläres Arbeitsverhältnis wird. Und auch der Mindestlohn birgt seine Tücken. Daher sollen nachfolgend die größten Fehlerquellen bei der Anstellung geringfügig Beschäftigter dargestellt werden. |
Inhaltsverzeichnis
Steuerfreie Leistungen an Minijobber
Grundsätzlich dürfen geringfügig Beschäftigte die gleichen steuer- und sozialversicherungsfreien Leistungen erhalten wie regulär Beschäftigte, ohne dass es deshalb zu einer Steuer- oder Beitragspflicht kommt. Aktuell können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern beispielsweise eine Inflationsausgleichsprämie gewähren. Diese bleibt auch bei Minijobbern bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Die Regelung gilt für Zahlungen, die vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 gewährt werden (§ 3 Nr. 11c Einkommensteuergesetz, EStG).
Doch bei der Gewährung von steuerfreien Leistungen an geringfügig Beschäftigte ist stets eine gewisse Vorsicht angebracht. Besser gesagt: Manch Arbeitgeber übertreibt es mit der Nettolohnoptimierung. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) am 21.06.2022 entschieden (Az. VI R 20/20): Erhält ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber eine Vergütung dafür, dass er einen Kennzeichenhalter mit dem Logo seines Arbeitgebers an seinem privaten Pkw anbringt, so handelt es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Dem mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen Werbemietvertrag kommt üblicherweise kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zu. Ist ein solches Modell mit einem Minijobber vereinbart worden, kann das Arbeitsverhältnis mitunter nur wegen dieser Lappalie steuer- und vor allem sozialversicherungspflichtig werden.
Die weitere – und häufig unterschätzte Gefahr – besteht oft darin, dass Arbeitgeber in ihren vermeintlichen Steuermodellen arbeitsrechtlich gefangen sind. Das heißt: Haben die Arbeitnehmer erst einmal einen Anspruch auf eine Zusatzleistung, kann ihnen der Arbeitgeber den Anspruch nicht einfach entziehen, weil ihm ein Modell steuerlich auf die Füße gefallen ist.
Ein Beispiel sind hier die beliebten Zuschüsse zur Kinderbetreuung. Das heißt: Zusätzliche Arbeitgeberleistungen zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern des Arbeitnehmers in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen sind steuerfrei (§ 3 Nr. 33 EStG). Voraussetzung ist aber, dass die Leistungen auch wirklich zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Wird eine zweckbestimmte Leistung unter Anrechnung auf den arbeitsrechtlich geschuldeten Arbeitslohn oder durch dessen Umwandlung gewährt, liegt keine zusätzliche Leistung vor. Die Finanzverwaltung prüft die Voraussetzung sehr streng.
Beispiel |
Eine Arbeitnehmerin erhält eine steuerfreie Zulage nach § 3 Nr. 33 EStG i. H. v. 75 Euro. Sobald das Kind eingeschult wird, soll der Zuschlag in eine tarifliche Erhöhung umgewandelt werden. Hier ist Vorsicht angebracht! Die Finanzverwaltung könnte das Zusätzlichkeitserfordernis (§ 3 Nr. 33 i. V. m. § 8 Abs. 4 EStG) als nicht erfüllt ansehen, sondern argumentieren, dass die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wurde. Der Arbeitgeber wird nun den Anspruch der Arbeitnehmerin aber – etwa nach einer Lohnsteueraußenprüfung – nicht einfach streichen dürfen, denn arbeitsrechtlich könnte er ihr erhalten bleiben. |
Mindestlohn
Nicht nur, aber insbesondere bei Minijobbern sind die Grundsätze des Mindestlohngesetzes zu beachten. Beim Mindestlohn handelt es sich um einen Bruttolohn, der als Geldleistung zu berechnen und auszuzahlen ist. Die Entlohnung im Wege der Gewährung von Sachbezügen, also Leistungen des Arbeitgebers, die dieser als Gegenleistung für die Arbeitsleistung in anderer Form als in Geld erbringt, ist nicht zulässig. Ein beliebter Fehler ist hierbei die Überlassung eines Kfz anstelle der Auszahlung von Barlohn, denn auch bei der Überlassung von Firmenwagen müssen die Regelungen des Mindestlohngesetzes beachtet werden.
Beispiel |
Eine geringfügig beschäftigte Bürokraft in einer Zahnarztpraxis nutzt einen Firmenwagen ganz überwiegend für dienstliche Fahrten, etwa um Zahnersatz vom Labor abzuholen oder dorthin zurückzubringen. Da sich die Praxis im ländlichen Raum befindet, werden weite Strecken zurückgelegt und die Überlassung des Firmenwagens ist auch tatsächlich erforderlich. Die Mitarbeiterin darf das Kfz auch zu privaten Fahrten nutzen. Arbeitgeber und Arbeitnehmerin sind sich einig, dass die Überlassung des Fahrzeugs zu Privatzwecken einem geldwerten Vorteil von 250 Euro monatlich entspricht und dieser Betrag wird auch im Rahmen der 1-Prozent-Regelung angesetzt. Der Barlohn beträgt nur 250 Euro monatlich. Der Inhaber der Zahnarztpraxis geht davon aus, dass mit der Summe aus Barlohn und Pkw-Gestellung ein angemessenes Gehalt gezahlt wird. Die Sozialversicherung stellt jedoch fest, dass der Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde (2023) nicht erreicht worden ist, da für die Prüfung der Mindestlohngrenze ausschließlich auf den Barlohn abgestellt wird. Folge: Von der Differenz zwischen der erforderlichen Vergütung nach dem Mindestlohngesetz und dem tatsächlichen Barlohn werden Sozialversicherungsbeiträge nacherhoben. Da nun der tatsächliche Barlohn plus der Phantomlohn nach dem Mindestlohngesetz plus der geldwerte Vorteil aus der Firmenwagengestellung aber auch die 520-Euro-Grenze (2023) überschreiten, liegt kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mehr vor, sodass zusätzliche Nachforderungen entstehen. Der Fehler kann auch nicht rückwirkend geheilt werden, da sich der Beitragsanspruch bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Lohns oder Gehalts ergibt. Das heißt: Der Arbeitgeber kann den Sachlohnanspruch nicht nachträglich in einen Barlohnanspruch umwandeln, um das sozialversicherungsrechtlich unerwünschte Ergebnis rückgängig zu machen. So ist jedenfalls die Auffassung der Deutschen Rentenversicherung. |
Wichtig | Auch bei der Beschäftigung von nahen Angehörigen bzw. Familienmitgliedern muss der Mindestlohn gezahlt werden. Und unabhängig von der Frage des Mindestlohns ist besonders bei nahen Angehörigen zu entscheiden, ob eine Pkw-Gestellung überhaupt üblich ist. Finanzämter – und im Anschluss auch die Prüfer der Sozialversicherung – verwerfen Minijob-Arbeitsverträge zwischen nahen Angehörigen zunehmend in Gänze, wenn ein Pkw gestellt wird.
Arbeit auf Abruf
Im Arbeitsvertrag ist die Dauer der Arbeitszeit festzulegen. Bei Arbeit auf Abruf nach § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) wird der Arbeitgeber verpflichtet, Referenzstunden und Referenztage für das Arbeitsverhältnis festzulegen, in denen auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Auch auf eine Mindestarbeitszeit oder eine Höchstarbeitszeit müssen sich beide Parteien einigen. Je nach vereinbarter Grenze darf der Minijobber die Mindestarbeitszeit um nicht mehr als 25 Prozent überschreiten und die Höchstarbeitszeit um nicht mehr als 20 Prozent unterschreiten.
Wenn keine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart wurde, gilt nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz die vorgeschriebene Wochenarbeitszeit von 20 Stunden. Diese muss der Arbeitgeber Ende des Monats vergüten, auch wenn der Minijobber weniger gearbeitet hat. Wenn ein Minijobber oder eine Minijobberin auf Abruf ohne vereinbarte Arbeitszeit also beispielsweise 12 Stunden arbeitet, hat der Arbeitgeber dennoch 20 Stunden zu vergüten.
Rechtsprechung verweist auf Gestaltungs-
alternative Praxistipp | Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass die Arbeitsvertragsparteien nicht gezwungen sind, ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu schaffen (Urteil vom 15.22.2012, Az. 10 AZR 111/11). Stattdessen können sie eine Rahmenvereinbarung und anschließend jeweils – befristete – Einzelarbeitsverträge abschließen. Auch der Arbeitnehmer könne ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren. Diese Kons-truktion könnte also zumindest in bestimmten Fällen weiterhelfen, sollte aber mit einem arbeitsrechtlich versierten Juristen besprochen werden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Einrichtung eines (Jahres-)Arbeitszeitkontos. Dieses ist auch für geringfügig Beschäftigte zulässig und ermöglicht, dass ein Minijobber – bei gleichbleibendem monatlichen Arbeitsentgelt – je nach Bedarf unterschiedlich viele Stunden pro Monat arbeitet. Zu Einzelheiten siehe: Arbeitszeitkonten für Minijobs, Information der Knappschaft Bahn See; iww.de/s7644. |
Fortsetzung | In Teil 2 dieses Beitrags geht es ausführlich um die Beschäftigung naher Angehöriger.
AUSGABE: ZP 8/2023, S. 3 · ID: 49567001